17.06.2021
Den Blick für die Stadtnatur schärfen
Sieben Naturbegeisterte erfassen, was so alles auf dem Campus kreucht und fleucht, wächst und gedeiht
Mitte Mai begann eine Gruppe von Naturbegeisterten, geleitet von der Masterstudentin Nicole Rüsing, Pflanzen und Tiere auf dem Campus der TUD zu kartieren. Diese Campusinventur soll bis zum Herbst andauern und einen ersten fundierten Überblick über die Artenvielfalt auf dem Gelände schaffen. »Im Winter möchte ich die Ergebnisse in einer Campusbroschüre vorstellen«, berichtet Nicole Rüsing. Dass ihre Gruppe Naturinteressierter viel darüber lernt, wie man Pflanzen und Tiere in einem Lebensraum systematisch erfasst, ist ein willkommener Nebeneffekt.
Geschäfte nutzen die Saure-Gurken-Zeit nach dem jährlichen Weihnachtsgeschäft gern, um zu ermitteln, wie viele Exemplare der jeweiligen Waren sie noch auf Lager haben und was sie für die nächsten Monate bestellen müssen. Draußen am Laden steht dann: »Geschlossen wegen Inventur.« Die Campusinventur, die systematische Kartierung vieler Pflanzen- und Tierarten auf dem Campus, läuft ähnlich ab, wenn man mal vom Nachbestellen absieht. Auch hier gibt es eine Art Zeitfenster, nämlich die Periode von Frühjahr bis Herbst, wobei die Campusinventur an der TUD aufgrund des kühlen Aprils später startete als geplant. Die Biologiestudentin Nicole Rüsing, wissenschaftliche Hilfskraft beim Projekt Nachhaltiger Campus und dort für die Schmetterlingswiesen auf dem Uni-Gelände verantwortlich, leitet die Kartierungsgruppe und beschreibt die ersten Schritte der Inventur: »Mitte Mai haben wir uns zum ersten Mal getroffen und uns verschiedene Habitate, also Lebensräume, auf dem Campus angeschaut, die sich gut kartieren lassen. Danach begannen wir mit den Kartierungen selbst. Diese führen wir stets an zwei Tagen in der Woche durch. Pro Woche nehmen wir uns eine Artengruppe vor. Als erstes waren die Pflanzen, genauer: die Blühpflanzen, Gräser und Kräuter dran.« Nicole Rüsings Gruppe besteht derzeit aus sieben Personen. Die meisten davon studieren Biologie oder arbeiten bereits an der Professur für Biologie der TUD. Aber auch Betriebswirtschaftslehre und Landschaftsplanung sind als Studiengänge vertreten. »Die Kartierungen stehen allen Interessierten offen – man muss keine Vorkenntnisse mitbringen. Wir arbeiten uns langsam an die Themen heran, wobei ich natürlich versuche, möglichst viel Wissen zu vermitteln, aber auch dafür zu sorgen, dass sich die Leute wohl fühlen und Spaß an der Sache haben«, erzählt Nicole Rüsing. Langfristig möchte sie erreichen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen guten Blick für die Stadtnatur bekommen und sich dafür einsetzen, sie zu schützen. Die Masterstudentin wünscht sich, dass ihre kleine Gruppe weiter wächst.
Für Nicole Rüsing als Expertin für insektenfreundliche Wiesen war es naheliegend, diese Wiesen als Ausgangspunkt auf dem Uni-Gelände zu nutzen. Dort studiert die Gruppe zunächst die Pflanzen und später die Tiere, exakt gesagt, die Insekten. »Auf diesen Wiesen haben wir eine große Diversität an Arten, sodass sie für die Kartierung gut geeignet sind«, sagt die Gruppenleiterin. Später möchte sie auch die Lebensräume Gehölze und Hecken anschauen und die Teiche am Andreas-Schubert-Bau und am Andreas- Pfitzmann-Bau untersuchen. »Außerdem hoffe ich, auf einigen Freiflächen, wie zum Beispiel der am Lehmann-Zentrum, Fledermäuse und interessante Vogelarten zu finden.« Nicole Rüsing hat bei einem Praktikum während ihres Masterstudiums gelernt, wie man verschiedene Kartierungsmethoden einsetzt. Sie beschreibt am Beispiel wie eine Kartierung abläuft: »Wir bestimmen zunächst einige Rahmenpunkte der Fläche, die wir anschauen wollen, wie Koordinaten, Geologie und Geländeform. Dann stecken wir die vorher genau abgemessene Fläche ab, bestimmen die Pflanzen, die wir darauf finden, und schauen uns ihre Merkmale an. Schließlich halten wir unsere Ergebnisse auf Erfassungsbögen fest. Dazu gehören auch Fotos der wichtigsten Merkmale. Pro Wiese führen wir diesen Prozess vier Mal durch.« Wenn die Gruppe Arten kartieren möchte, die schwierig zu bestimmen sind, sucht sie sich Hilfe: So möchte Nicole Rüsing gerne externe Fachleute finden, die sie dabei unterstützen, die verschiedenen Arten von Wildbienen zu unterscheiden. »Bei den Fledermäusen wird es ähnlich sein: Um sie zu bestimmen, braucht man technische Gerätschaften, die wir nicht haben, und Übung darin, mit diesen umzugehen. « Auch beim Kartieren der Vögel auf dem Campus möchte Nicole Rüsing ihre eigenen Kenntnisse noch vertiefen. Sie beschäftigt sich seit einem Jahr mit der Vogelbestimmung und würde gerne gemeinsam mit Ornithologen eine kleine Vogelexkursion auf dem Campus durchführen.
In welcher Form die Arbeitsergebnisse der Gruppe in einiger Zeit einsehbar sein könnten, zeigt eine Publikation der TU Bergakademie Freiberg: Sie stellt dar, welche Lebensräume es auf dem dortigen Hochschulgelände gibt und welche Pflanzen und Tiere man erleben kann. Diese sogenannte Campusbroschüre soll als Vorbild eines ähnlichen Projekts an der TUD dienen. »Ich möchte die Kartierungen im Herbst zunächst abschließen und die Ergebnisse im Winter mit der Broschüre vorstellen, welche auch schöne Fotos und anschauliche Karten enthalten wird. Natürlich werden wir nie alle Arten erfassen. Aber unsere Campusbroschüre kann einen ersten Überblick über die verschiedenen Habitate auf dem Uni-Gelände und ihre Bewohner bieten. Vielleicht wird man sie auch für weitere Untersuchungen der Flora und Fauna auf dem Campus nutzen? Darüber würde sich unsere Gruppe sehr freuen«, sagt Nicole Rüsing.
B. D.
Wer daran interessiert ist, die Gruppe zu verstärken, kann sich über folgende Mailadresse melden: .
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 11/2021 vom 15. Juni 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.