08.08.2013
Nur ein Fünftel Platin benötigt: Brennstoffzellen könnten dank eines neuen Aerogel-Katalysators wirtschaftlich attraktiver werden
Brennstoffzellen, die Wasserstoff zu Strom umwandeln und
dabei nur reines Wasser als Nebenprodukt produzieren, haben das
Potenzial, die individuelle Mobilität in eine umweltfreundliche
Zukunft zu führen. Solche sogenannten
Niedertemperatur-Polymerelektrolyt-Brennstoffzellen haben
bereits in ersten Praxistests ihren erfolgreichen Einsatz in
Autos und Bussen unter Beweis gestellt. Weitere Forschung
bleibt jedoch nötig, um Langlebigkeit und Wirtschaftlichkeit
dieser Technologie zu verbessern. Forscher der TU Dresden und
des Paul Scherrer Instituts (PSI, Villigen, Schweiz) haben nun
ein neues Nanomaterial hergestellt und charakterisiert, das
Leistungsfähigkeit und Haltbarkeit dieser Brennstoffzellen -
bei gleichzeitiger Reduktion der Materialkosten - um ein
Vielfaches erhöhen könnte.
In einer Wasserstoff-Brennstoffzelle wird Wasserstoff durch
elektrochemische Reaktionen zu Strom und Wasser umgewandelt.
Ein wichtiger Schritt dabei ist die Sauerstoff-Reduktion an der
positiven Elektrode der Zelle. Sauerstoffmoleküle, die in die
Zelle eingespeist werden, werden dabei zu Wasser umgewandelt.
Diese Reaktion geht unter normalen Bedingungen nur sehr langsam
vor sich. Daher sind Katalysatoren notwendig, um die Umwandlung
zu beschleunigen. In konventionellen Zellen erfüllen
Edelmetalle wie Platin diese katalytische Funktion. Die dabei
verwendeten Platin-Nanopartikel werden von einem Substrat aus
hochoberflächigem Kohlenstoff getragen, das dem Katalysator
mechanischen Halt bietet. Das Kohlenstoff-Substrat kann jedoch
unter dem üblichen Start-Stopp-Betrieb im Stadtverkehr oder bei
Leerlauf leicht korrodieren und dadurch die Funktion des
Katalysators beeinträchtigen, was auch die Lebensdauer der
gesamten Brennstoffzelle verkürzt. Seit Langem suchen Forscher
deshalb nach Katalysatoren für die Sauerstoff-Reduktion, die
ohne Träger (Substrat) auskommen und dabei eine hohe
spezifische Oberfläche mit vielen aktiven Zentren sowie eine
gute Langzeitstabilität aufweisen.
Ein internationales Team aus Wissenschaftlern der TU Dresden
und des Paul Scherrer Instituts (PSI) hat nun in dieser
Richtung einen großen Fortschritt erzielt. Mit einem
dreidimensionalen Aerogel aus einer Platin-Palladium-Legierung
konnten sie die katalytische Aktivität für die
Sauerstoff-Reduktion an der positiven Elektrode einer
Wasserstoff-Brennstoffzelle im Vergleich zu marktüblichen
Katalysatoren aus Platin auf Kohlenstoffträger um das Fünffache
erhöhen. Das bedeutet, dass nun mit nur einem Fünftel der
Edelmetallmenge die gleiche Sauerstoffmenge umgesetzt wird.
Könnte man diese Reduktion der erforderlichen Platinladung auf
eine industrielle Skala übertragen, hätte das eine erhebliche
Senkung der Herstellungskosten für diese Brennstoffzellen zur
Folge. Das Aerogel, eine Art nanostrukturierter Schaumstoff,
hat zudem Langzeittests im Labor bestanden, bei denen die
typischen Betriebsbedingungen in einem Fahrzeug simuliert
wurden.
Luftiges Geflecht aus Nanodrähten
Das von Forschern der Professur für Physikalische Chemie der
Technischen Universität Dresden synthetisierte Aerogel bildet
ein dreidimensionales Netzwerk aus Nanodrähten und zeichnet
sich durch eine sehr hohe Porosität und innere Oberfläche aus.
Diese Eigenschaften erleichtern das Andocken vieler
Sauerstoffmoleküle an die katalytisch aktiven Platinatome -
eine Voraussetzung für die effiziente Umwandlung des
Sauerstoffs.
Hohe Porosität und große Oberflächen treten auch bei den
Katalysatoren auf, die in Brennstoffzellen verwendet werden,
jedoch nur, wenn Platinpartikel auf Kohlenstoff geträgert sind.
„Der entscheidende Vorteil des neuen Aerogels liegt darin, dass
es diese Vorzüge mit einer ausgedehnten dreidimensionalen und
selbsttragenden Struktur kombiniert, was einen Träger komplett
überflüssig macht“, bestätigt Dr. Wei Liu, die Erstautorin des
kürzlich veröffentlichten Fachartikels zu den Ergebnissen
ist.
Bimetall-Aerogel zum ersten Mal
synthetisiert
Wegen ihrer hervorragenden Eigenschaften für viele Anwendungen
in Elektrochemie und Sensorik haben Aerogele in den letzten
Jahren große Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Zahlreiche
Forschergruppen versuchen sich weltweit an der Herstellung
neuer Aerogele, meist in der Gewissheit, dass nützliche
Anwendungen folgen werden. Doch bisher blieb ihr Erfolg auf
eine kleine Gruppe von chemischen Substanzen beschränkt: Die
meisten Aerogele bestehen aus Oxiden oder aus einzelnen
Metallen. Theoretische Überlegungen hatten jedoch nahegelegt,
dass Katalysatoren aus bestimmten Metalllegierungen verbesserte
katalytische Aktivität und Stabilität besitzen würden und so
versuchte man, diese Eigenschaften in einen Aerogel-Katalysator
zu implementieren. „Nachdem wir bereits Erfahrungen mit
bimetallischen Aerogelen sammeln konnten, ist es uns nun
erstmals gelungen, ein Aerogel aus einer Metalllegierung
herzustellen“, sagt Prof. Dr. Alexander Eychmüller, Inhaber der
Professor für Physikalische Chemie an der TU Dresden und
Mitautor der Studie.
Die neue Arbeit bestätigt die Hoffnungen, die man in diese
Materialien gesetzt hatte. So liegt zum Beispiel der Schlüssel
für die verbesserte Aktivität des neuen Aerogels darin, dass
durch die Legierung mit Palladium die Bindungsstärke zwischen
den Platinatomen und den Sauerstoff enthaltenden Verbindungen
optimiert wird. Das heißt, die Bindung ist so stark, dass die
Sauerstoffmoleküle gerade lange genug für die Umwandlung zu
Wasser gebunden bleiben, aber gleichzeitig auch schwach genug,
dass die Reaktion vorzugsweise abläuft und der Katalysator an
der Oberfläche nicht oxidiert. Dies optimiert die Anzahl der
aktiven Zentren, so dass Sauerstoffmoleküle andocken und in
hohen Raten umgesetzt werden können.
Weitere Fragen sind noch offen
Noch nicht verstanden haben die Forscher einen weiteren Vorteil
der Legierung, nämlich die höhere Stabilität des
Bimetall-Aerogels im Vergleich zu Monometall-Aerogelen aus
reinem Platin. „Offensichtlich spielt auch hier die Präsenz von
Palladium im Aerogel eine wichtige Rolle, wir wissen aber noch
nicht genau, wie sich dies auf die Stabilität des Katalysators
auswirkt“, erklärt Thomas Justus Schmidt, Professor für
Elektrochemie an der ETH Zürich und Leiter des Labors für
Elektrochemie am PSI.
Dieser und weiteren Fragen in Bezug auf das neue Nanomaterial
wollen sich die Wissenschaftler in einem Folgeprojekt über die
nächsten drei Jahre widmen. „Wir sind zurzeit dabei, einen
Finanzierungsantrag gemeinsam mit der TU Dresden auszuarbeiten,
um das bisher intern finanzierte Projekt auf eine breitere
finanzielle Basis zu stellen“, so Schmidt weiter.
(Text PSI und TU Dresden)
Originalpublikation:
Wei Liu, Paramaconi Rodriguez, Lars Borchardt, Annette Foelske,
Jipei Yuan, Anne-Kristin Herrmann, Dorin Geiger, Zhikun Zheng,
Stefan Kaskel, Nikolai Gaponik, Rüdiger Kötz, Thomas J.
Schmidt, Alexander Eychmüller, Bimetallic Aerogels:
High-Performance Electrocatalysts for the Oxygen Reduction
Reaction, Angew. Chem. Int. Ed. 2013, DOI:
10.1002/anie.201303109.
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/anie.201303109/full
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ange.201303109/full
Informationen für Journalisten:
Prof. Alexander Eychmüller
Physikalische Chemie
Technische Universität Dresden
Tel. +49 351 463-39843