25.01.2019
Allseits entwickelte sozialistische Persönlichkeit?
BMBF unterstützt TUD-Forschung zur Erziehung in Spezialheimen der DDR
Konrad Kästner
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) stärkt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der DDR und dem SED-Unrecht. Dafür wurden zuletzt 14 Forschungsverbünde zur Förderung ausgewählt. Zu den Projekten, die sich im Wettbewerb durchsetzen konnten, zählt auch der Forschungsverbund zum Thema »Torgau. Heimerziehung in Spezialheimen der DDR – Eine pädagogisch rekonstruktive Studie zum DDR Erziehungssystem und dessen Bewältigung«. Gemeinsam mit der Initiativgruppe Geschlossener Jugendwerkhof Torgau e.V., dem Trägerverein der gleichnamigen Gedenkstätte, wollen die Professorinnen Karin Bock und Cornelia Wustmann vom Institut für Sozialpädagogik, Sozialarbeit und Wohlfahrtswissenschaften die Logik dieser Spezialheime als Erziehungsinstitutionen und die biographischen Auswirkungen bis zur jüngsten Jugendgeneration, die bis zum Umbruch 1989 in diesen Spezialheimen lebte, untersuchen. Dieses Vorhaben unterstützt das BMBF über die kommenden vier Jahre mit insgesamt fast 470 000 Euro.
Die enge Verknüpfung von Erziehung und Politik hatte im Rahmen der öffentlichen DDR-Erziehung einen hohen Stellenwert. Dafür wurde ein engmaschiges Netz von staatlichen Erziehungsinstitutionen gespannt, deren erklärtes Ziel die Hervorbringung der »allseits entwickelten sozialistischen Persönlichkeit« war, die sich in das »Kollektiv« ein- und unterzuordnen hatte. Im Kontext dieser Erziehungsvorstellungen wurde insbesondere das DDR-Heimerziehungssystem auf- und ausgebaut, das aus sogenannten »Normal-, Durchgangs- und Spezialheimen « bestand, zu denen auch die »Jugendwerkhöfe« zählten. Sie waren in diesem System eine besondere Form repressiver Erziehung, deren erklärtes Ziel die »Beseitigung individualistischer Gerichtetheit« bei Kindern und Jugendlichen war.
Der einzige »Geschlossene Jugendwerkhof« wurde in Torgau eingerichtet; hier wurden von Mai 1964 bis November 1989 insgesamt 4046 Jugendliche für mehrere Monate eingewiesen, um drastisch und kurzfristig »umerzogen« zu werden.
»Auf der Grundlage von Aktenanalysen, biografischen und themenzentrierten Interviews mit ehemaligen Heimjugendlichen und professionellen Akteurinnen und Akteuren werden Fragen danach relevant, wie die Betroffenen die Zeit im Heim und danach erlebt und wie sie die erfahrenen Ereignisse biografisch verarbeitet und bewältigt haben«, erläutert Professorin Cornelia Wustmann. Weiterhin werden Einweisungsmuster, Erziehungsvorstellungen und Institutionenlogiken rekonstruiert, die als Beitrag zur Argumentationslogik im DDR-Erziehungsregime bedeutsam waren. Begleitet werden die Forschungsarbeiten durch eine regelmäßige Berichterstattung, Workshops, Tagungen, eine Buchreihe und den Aufbau einer lebensgeschichtlichen Datenbank.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 01/2019 vom 15. Januar 2019 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.