09.06.2020
»Bei uns rechnen Schüler gemeinsam mit Gleichgesinnten«
Mathebegeisterte von Klasse sechs bis zwölf sind in der Mathematischen Schülergesellschaft der TUD stets willkommen
Beate Diederichs
Die Mathematische Schülergesellschaft der TU Dresden bringt mathebegabte Schüler zusammen. Sie knobeln hier mit Gleichgesinnten in altershomogenen Zirkeln an Problemen, die über den Unterrichtsstoff hinausgehen. Langfristig möchte die Universität so Nachwuchs für Studiengänge mit einem hohen Mathematikanteil gewinnen, was in einigen Fällen bereits funktioniert hat.
Antje Noack findet Mathe faszinierend. Diese Begeisterung für ein Fach, das an der Schule oft als schwierig und sperrig gilt, möchte die geschäftsführende Mitarbeiterin des Instituts für Algebra der TUD gerne weitergeben. »Als Schülerin habe ich mehrere Male an Mathematiklagern teilgenommen und dieses Tüfteln, diesen Austausch mit Gleichgesinnten außerhalb der Schule immer genossen«, berichtet die promovierte Wissenschaftlerin. Antje Noack brachte ihre Idee von Mathematikzirkeln für Schüler dann von ihrer Arbeit an der Humboldt-Universität in Berlin mit nach Dresden an ihre neue Wirkungsstätte. Hier kombinierte sie diese mit der Konzeption ähnlicher Zirkel, die ihr Fachkollege Norbert Koksch bereits seit einigen Jahren organisierte. Am Ende stand 2014 die Mathematische Schülergesellschaft in ihrer heutigen Form, koordiniert von Antje Noack: Mathematik-Arbeitsgemeinschaften für Schüler aus dem Raum Dresden, die nach Klassenstufen gestaffelt stattfinden, von Studenten oder Dozenten des Fachs geleitet werden und für die Teilnehmer kostenfrei sind.
Gut vorbereitet für die Matheolympiade
Die Kinder und Jugendlichen knobeln, arbeiten an Lösungsstrategien und bereiten sich auch auf Wettbewerbe wie die Matheolympiade vor. Sie beschäftigen sich mit Zahlentheorie, Geometrie, Arithmetik oder Kombinatorik auf einem Niveau, das über den Schulstoff der jeweiligen Klasse hinausgeht. Denn Mathe ist mehr als Rechnen. Schüler von Klasse sechs bis zwölf können teilnehmen. »Acht bis zehn Schüler pro Gruppe sind dabei ideal«, sagt Antje Noack. Momentan gibt es zwei Zirkel in der Klasse sieben, einen in Klasse acht, zwei in Klasse neun bis zehn, alle geleitet von Lehramtsstudenten des Fachs Mathematik, und einen in Klasse zehn bis zwölf, geleitet von Antje Noacks Fachkollegen Heino Hellwig, einem erfahrenen Dozenten. Die Zirkel sind dabei gleichzeitig Förderangebot und Schonraum für die jungen Mathematiker: »Jungen und Mädchen, die Mathe sehr gerne und gut machen, sind mit diesem Interesse oft Einzelkämpfer in ihren Klassen, werden als ›komisch‹ beäugt. Für sie ist es wichtig, gemeinsam mit Gleichgesinnten zu arbeiten, auch jenseits der Schule«, erläutert die Koordinatorin.
Antje Noack wirbt für das Angebot, indem sie die weiterführenden Schulen im Raum Dresden regelmäßig anschreibt: »Ich möchte damit erreichen, dass eine ausreichende Zahl an Schülern unser Angebot annimmt. Da ab und an auch Schüler abspringen, könnten es noch mehr sein.«
Dauerhaft an Zirkeln teilzunehmen ist ideal
Am besten findet sie es, wenn sich die Schüler dauerhaft an die Zirkel binden, also beispielsweise in Klasse sieben beginnen und sich nach oben weiterentwickeln. Dabei spricht sie gezielt auch mathebegeisterte Mädchen an. »Eine Jungsveranstaltung ist die Schülergesellschaft nicht. Auch unter den Zirkelleitern sind mehrere junge Frauen.« Langfristig würde sie die Teilnehmer gerne für ein Mathematik- oder mathematikbetontes Studium an der TUD gewinnen. Das hat in einigen Fällen bereits funktioniert. So berichtet die ehemalige Teilnehmerin und heutige Mathematikstudentin Margarete Ketelsen: »Ich habe mich bei der Mathematischen Schülergesellschaft gezielt und erfolgreich auf Mathe-Wettbewerbe vorbereitet. Zudem erleichterte mir meine Arbeit dort den Einstieg ins Studium der Mathematik an der TU Dresden. Während meiner ersten Studiensemester habe ich auch selbst einen Mathezirkel für die Oberstufe geleitet, was mir viel Spaß gemacht hat und eine wertvolle Erfahrung war.« Andere Teilnehmer absolvierten ihr Schülerpraktikum an der Fakultät Mathematik.
Die Kursleiter gewinnt Antje Noack vor allem, indem sie sie in den Lehrveranstaltungen anspricht oder ihre Kollegen aus der Didaktik bittet, ihr geeignete Studenten zu nennen. »Die Studierenden profitieren von dieser Tätigkeit, weil sie so frühzeitig mit begabten Schülern arbeiten und lernen, wie diese ticken, dass sie beispielsweise nicht immer diszipliniert sind«, kommentiert sie. Dass die Zirkelleitertätigkeit sehr erfüllend ist, bestätigt auch Lehramtsstudentin Lisa Nickolaus. Sie arbeitet mit einer Gruppe von Siebentklässlern. Die Studentin brachte dafür Erfahrungen aus diversen Nachhilfejobs, als Dozentin in der Straßenschule der Treberhilfe und als Mitorganisatorin des Mathecamps mit, das die TUD für mathematisch begabte Mädchen durchführt. Kursleiter wie Lisa Nickolaus sind nicht auf sich gestellt, sondern sie bekommen Skripte von ihren Vorgängern und eine Aufgabenvorschlagliste, die Antje Noack für sie vorbereitet hat. »Zusätzlich zu den Aufgaben unterstützt mich Frau Noack, indem ich mich ständig mit ihr austauschen kann. Ich habe dabei sehr viel gelernt, zum Beispiel, wie man jedes einzelne Kind noch besser fördern kann«, berichtet die junge Frau. Sie weiß, dass sie durch ihre Tätigkeit bei der Mathematischen Schülergesellschaft eine große Bandbreite an Aufgabenstellungen, Vermittlungssituationen und zwischenmenschlichen Erfahrungen kennen gelernt hat, die sie in ihrem späteren Unterricht nutzen kann.
Kartentricks aus mathematischer Sicht
Schüler und Kursleiter haben bei den wöchentlichen Treffen viel Freiheit. »Kürzlich hat ein Kursleiter zum Beispiel einen Zirkel zu mathematischen Kartentricks gehalten. Zunächst wurden die Tricks vorgestellt, dann recherchierten die Teilnehmer, welche mathematischen Operationen und Gesetze dahinterstecken. Am Ende verglichen die Anwesenden, was sie erarbeitet hatten, und zogen Schlussfolgerungen.« Damit die Teilnehmer flexibel sind, widmet sich jedes Treffen einem in sich geschlossenen Thema. »Wenn man einmal oder zweimal nicht teilnehmen kann, bedeutet das also nicht das Aus, sondern man arbeitet einfach später an einem anderen Thema weiter«, so Antje Noack.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 11/2020 vom 9. Juni 2020 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.