18.06.2012
TU Dresden entwickelt weltweit ersten chemischen Mikroprozessor
Prof. Andreas Richter vom Institut für Halbleiter- und
Mikrosystemtechnik und seinem Team ist es gelungen, einen
Mikroprozessor zu entwickeln, der im Unterschied zu den
Mikroprozessoren der Computer keine elektronische Information,
sondern chemische Information in Form von
Chemikalienkonzentrationen verarbeitet. Das Schaltkreis-Konzept
ähnelt verblüffend dem der mikroelektronischen Prozessoren. Wie
diese bestehen die chemischen Schaltkreise aus übereinander
gestapelten dünnen Schichten aktiver Materialen. Allerdings
kommen nicht dotierte aktive elektronische
Halbleitermaterialien wie Silicium zum Einsatz, sondern
besondere Polymere, die aber ebenfalls die Basis für
transistorähnliche Bauelemente bilden, die zu tausenden in den
Chip integriert sind. Diese „chemischen Transistoren“ regeln
keinen elektrischen Strom, sondern in winzigen Mikrokanälen
Materieflüsse.
Die chemischen Mikrochips sind die ersten echten
Lab-on-a-Chip-Mikroprozessoren, also eine Art Labor auf dem
Mikrochip. Sie benötigen im Gegensatz zu den bisherigen
Lab-on-a-Chips keinerlei externe Steuerung, da sie
vollautomatisch arbeiten und ausschließlich mit chemischer
Energie betrieben werden. Dabei können sie schon heute Aufgaben
bewältigen, bei denen die meisten bestehenden
Lab-on-a-Chip-Technologien trotz ihrer aufwändigen
Computersteuerungen passen müssen.
Die Wissenschaftler um Andreas Richter hoffen, dass ihr Konzept
perspektivisch eine Entwicklung anstößt, die vergleichbar mit
jener der elektronischen Mikroprozessoren ist, deren Einführung
Anfang der siebziger Jahre den Siegeszug der Mikroelektronik
einleitete.
Die Zukunft ihrer chemischen Mikroprozessoren sehen die
Wissenschaftler im Bereich der Medizin, Umwelt, Prozesstechnik
und anderen Wissenschaftsbereichen. Dort basieren viele,
vielleicht die meisten Prozesse auf der Verarbeitung von
Materialien. Kann man diese Prozesse mit einem „chemischen
Computer“ durchführen oder berechnen, ergeben sich noch gar
nicht absehbare Möglichkeiten.
Als eine der ersten Anwendungen arbeiten die Wissenschaftler an
Systemen, die die Analytik und medizinische Diagnostik
unterstützen sollen. Man kann sich diese ähnlich einem
Smartphone vorstellen, welches anhand eines Tröpfchens
Körperflüssigkeit sofort feststellen kann, wie es dem
betroffenen Menschen gesundheitlich geht, welche akuten
Krankheiten er hat und was die nächsten notwendigen Maßnahmen
sind.
Das Team von Prof. Andreas Richter arbeitet mit in dem als
Exzellenzcluster bewilligten „Center for Advancing Electronics
Dresden“ (cfAED). Ziel des cfAED ist die Erschließung neuer
Wege für die Mikroelektronik der Zukunft.
Der chemische Mikroprozessor wurde auf der 4. International
Conference "Smart Materials, Structures and Systems" in
Montecatini Terme, Italien, präsentiert und wird demnächst auch
ausführlich in einem Artikel in der Zeitschrift Lab on a Chip
beschrieben.
Fotodownload (Foto: Rinaldo
Greiner)
Informationen für Journalisten:
Prof. Dr.-Ing. Andreas Richter
Institut für Halbleiter- und Mikrosystemtechnik
Tel.: +49 (0) 351 463-32025, 36336
Fax: +49 (0) 351 463-37280