02.12.2020
Wie steht es um die psychische Gesundheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der TU Dresden und des Uniklinikums Dresden wollen Antworten auf diese Frage finden und Therapieansätze entwickeln. Gemeinsam mit Forschern aus Leipzig haben sie sich deshalb als Standort für das Deutsche Zentrum für Psychische Gesundheit beworben. Es soll 2022 seine Arbeit aufnehmen.
Die Adoleszenz und das junge Erwachsenenalter der 15- bis 25-Jährigen gilt als kritische Phase der psychologischen Reifung, die Auswirkungen auf das lebenslange Wohlbefinden hat. Gleichzeitig birgt diese Dekade ein erhebliches Risiko, psychische Störungen zu entwickeln. Dreiviertel aller später diagnostizierten psychischen Erkrankungen haben ihren Ursprung in dieser Altersspanne. „Dieser für die weitere Entwicklung bedeutsamen Lebensperiode wurde bisher in der Forschung zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt“, erklärt Professor Michael Bauer, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Dresden. Bauer, zugleich Sprecher des mit Leipzig gemeinsam gegründeten Konsortiums Mental Health Dresden-Leipzig, möchte dies ändern. Partner des Forschungsverbundes sind neben zwölf psychiatrischen Kliniken aus Sachsen auch das Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, beide in Leipzig, sowie das Robert-Koch-Institut in Berlin.
Forscher der Universitätsmedizin Leipzig werden die mit psychischen Erkrankungen verbundene Stigmatisierung und Behandlungsbarrieren in der Altersgruppe der 15- bis 25-Jährigen in den Fokus nehmen. „Über die Hälfte der jungen Menschen mit psychischen Erkrankungen erhalten keine angemessene Hilfe, hier wollen wir ansetzen“, sagt Professor Georg Schomerus, Direktor der Klinik für Psychiatrie am Universitätsklinikum Leipzig. „In Dresden werden wir uns mehr der Grundlagenforschung und Translation der Ergebnisse in die klinische Praxis widmen“, sagt Bauer. „Wir wollen die kognitiven und neuronalen Mechanismen der Krankheitsentstehung verstehen. Auf deren Basis sollen Methoden zur verbesserten Früherkennung entwickelt und wirksame Therapieansätze ausgearbeitet werden. Hierfür nutzen wir insbesondere die modernen digitalen Möglichkeiten. Der neurowissenschaftliche Anteil unserer Arbeit, bei der wir uns die Gehirne der jungen Menschen über verschiedene technische Verfahrenswege genau ansehen können, wird dabei groß sein“, fügt der Sprecher des Konsortiums an.
Im Juli dieses Jahres hatte das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Ausschreibung für das Deutsche Zentrum Psychischer Gesundheit veröffentlicht. Ziel der Zentren ist es, beste Forschungsbedingungen zu schaffen, um Volkskrankheiten wirkungsvoll zu bekämpfen. Dass dabei fachliche Kompetenzen gebündelt werden, ist ein zentraler Punkt der Ausschreibung. Bislang gibt es solche Zentren u.a. für die Lungenforschung, neurodegenerative Erkrankungen, Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen.
Erhält das sächsische Konsortium den Zuschlag, bleiben sechs Monate Zeit, ein Konzept für die gemeinsame Arbeit an den ausgewählten Standorten zu erarbeiten. 2021 soll die Entscheidung fallen, welche Standorte künftig zum Deutschen Zentrum für psychische Gesundheit gehören. Bundesweit haben voraussichtlich sechs bis acht Forschungsstandorte eine Chance. Unterstützt wird die Bewerbung von der TU Dresden, der Universität Leipzig und vom Sächsischen Wissenschaftsministerium.
„Zentrales Element bei der Bewerbung eines Standortes sind etablierte Strukturen, bei denen Forschung, Lehre und Patientenversorgung ineinandergreifen. Das ist am Universitätsklinikum Dresden gegeben“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand der Universitätsklinikums Carl Gustav Carus. „Wir sind bereits im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung, am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen und am Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung beteiligt. Nun auch Teil des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit zu werden, spricht für die fachliche Expertise, von der zuallererst unsere Patienten profitieren.“
Prof. Heinz Reichmann, Dekan der Medizinischen Fakultät der TU Dresden, wertet den Forschungsantrag als wichtiges Signal aus Sachsen: „Das neue Forschungszentrum gäbe uns die Möglichkeit, einmal mehr die Exzellenz der wissenschaftlichen Arbeit unter Beweis zu stellen, die hier im Fachbereich Medizin an der TUD geleistet wird. Gleichzeitig würde es Anreize für Nachwuchswissenschaftler schaffen, die hier an Lösungen für drängende medizinische Fragen arbeiten können.“
Die Notwendigkeit, die sensible Phase der psychischen Entwicklung im jungen Erwachsenenalter besser zu verstehen, wächst. Die Zahl derjenigen, die im Laufe ihres Lebens mindestens einmal von einer psychischen Erkrankung, wie einer Depression oder einer Angststörung betroffen sind, liegt bei rund 40 Prozent.
https://tu-dresden.de/mentalhealth
Ansprechpartner:
Prof. Michael Bauer
Direktor Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
an der Technischen Universität Dresden
Fetscherstraße 74, 01307 Dresden
Sprecher Zentrum für Seelische Gesundheit
Tel.: +49 351 458 2772