27.05.2021
CRTD begrüßt Prof. Catherina Becker
Prof. Catherina Becker ist neue Gruppenleiterin am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD). Ihre Forschungsgruppe untersucht Mechanismen der Regeneration des zentralen Nervensystems.
Was ist der Forschungsschwerpunkt Ihrer Gruppe?
Unser Labor erforscht, wie sich das Rückenmark entwickelt und nach einer Verletzung repariert wird. Das Rückenmark ist essentiell für die Steuerung der Bewegung unserer Muskeln. Eine Schädigung des Rückenmarks führt sehr oft zu dauerhaften Lähmungen und anderen Symptomen, die die Lebensqualität dramatisch einschränken. Im Unterschied zum Menschen, sind einige Wirbeltiere wie Fische und Salamander in der Lage ihr Rückenmark zu reparieren. Ich möchte verstehen, wie diese Tiere diese komplexe Aufgabe bewältigen, und hoffe so Reparaturmechanismen zu finden, die auch für nicht-regenerierende Spezies wie uns relevant sein könnten.
Wenn man sich Ihren Lebenslauf anschaut, scheint die Regeneration schon recht früh im Mittelpunkt Ihrer Forschung gestanden zu haben, oder?
Ja, das stimmt. Nach meinem Diplom über die Genetik des Brustkrebses bin ich an das Institut für Hirnforschung der Universität Bremen gewechselt. In meinem Promotionsprojekt habe ich unter der Leitung von Prof. Gerhard Roth die Entwicklung und Regeneration des optischen Systems bei Fröschen und Salamandern untersucht.
Wie Fische, können auch Frösche und Salamander Schäden an ihren Sehnerven reparieren und sind daher hilfreich, um die Mechanismen einer solchen Reparatur zu untersuchen. Seit meiner Doktorarbeit bin ich fasziniert von der Fähigkeit der Fische, Frösche und Salamander, ihr zentrales Nervensystem zu reparieren und dessen Funktion wiederherzustellen - beim Menschen ist dies nicht möglich.
Was waren die nächsten Schritte nach Ihrer Promotion?
Nach meiner Promotion habe ich weiter an der Regeneration des Nervensystems geforscht. Zunächst habe ich mich der Gruppe von Prof. Melitta Schachner an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich als Postdoc angeschlossen. Ich erhielt ein EMBO-Langzeitstipendium, um an Zelladhäsionsmolekülen in drei Systemen zu arbeiten: dem Sehnerv des Salamanders, dem Rückenmark der Fische und dem Hippocampus der Ratte. Die Publikationen über die beiden letztgenannten Systeme sind bis heute meine am häufigsten zitierten!
Von der Schweiz bin ich für einen zweiten Postdoc an die University of California in Irvine gewechselt. Ich habe in der Gruppe von Prof. Ron Meyer an der Regeneration der optischen Nerven und seiner Verknüpfungen im Zebrafisch gearbeitet.
Seit wann arbeiten Sie hauptsächlich an der Regeneration des Rückenmarks?
1998 habe ich zusammen mit meinem Mann am Zentrum für Molekulare Neurobiologie (ZMNH) in Hamburg angefangen. Dort habe ich meine Arbeiten am Zebrafisch-Rückenmark vertieft, diesmal finanziert durch ein Habilitationsstipendium der DFG. Meine Forschung wurde auch teilweise von der Christopher and Dana Reeve Foundation finanziert – eine Stiftung, die von dem Hollywood-Schauspieler geleitet wurde, der als Darsteller von Superman bekannt war und selbst nach einem Reitunfall von den Schultern abwärts gelähmt war.
Am ZMNH haben wir eine Methode entwickelt, um die Genexpression nach einer Nervenverletzung zu unterdrücken, was uns erlaubt hat, die Funktion einzelner Gene für eine erfolgreiche Regeneration zu zeigen.
2005 sind wir nach Schottland umgezogen, wo ich ein Senior Lectureship an der University of Edinburgh angenommen habe und bis heute tätig bin. Wie Sie sehen, hat sich meine Karriere, mit kleineren Umwegen, um die Reparatur des zentralen Nervensystems gedreht.
Auf welche Ihrer Erkenntnisse, die Sie im Laufe der Jahre gemacht haben, sind sie besonders stolz?
Unsere Gruppe hat die Neuronen im Gehirn des Zebrafisches charakterisiert, die sich mit den Motoneuronen im Rückenmark verbinden. Diese Verbindungen propagieren Bewegungssignale aus dem Gehirn und lassen so die Motoneuronen die Muskeln bewegen. Wir haben gezeigt, welche dieser Verbindungen nach einer Verletzung nachwachsen können. Wir haben darüber hinaus Gene identifiziert, die für das Wachstum von Axonen – den Nervenfortsätzen, die die Nervenzellen untereinander verbinden – essenziell sind.
Wir haben auch entdeckt, dass das Rückenmark des Zebrafisches Stammzellen besitzt. Wir konnten Signale identifizieren, die diese Stammzellen dazu bringen neue Neuronen zu erzeugen, um die Neuronen, die nach einer Verletzung verloren gegangen sind, zu ersetzten.
Erst kürzlich haben wir herausgefunden, dass nach einer Verletzung des Rückenmarks auch das Immunsystem aktiv an der Reparatur beteiligt ist. Es wirkt auf Stammzellen und auch auf die Neuverdrahtung des Rückenmarks. Wir haben die Signale identifiziert, die bei diesem Prozess von entscheidender Bedeutung sind. Im Moment arbeiten wir mit Kollegen zusammen, die an einem Mausmodell arbeiten, um zu prüfen, ob unsere Erkenntnisse auch auf andere Spezies übertragbar sind, im Hinblick auf die Entwicklung möglicher Therapien.
Was interessiert Sie außerhalb der Wissenschaft?
Ich liebe es, Rad zu fahren und durch die herrlichen Hügel in und um Edinburgh zu wandern. Außerdem gehe ich fast jeden Tag schwimmen. Ansonsten lese ich gerne - meist Krimis als Ausgleich zur wissenschaftlichen Literatur.
Nach über 15 Jahren verlassen Sie nun Edinburgh und ziehen nach Dresden. Werden Sie etwas aus Edinburgh vermissen?
Ich werde definitiv den Farmers' Market auf der Castle Terrace vermissen. Viele der Verkäufer sind zu Freunden geworden. Auch die Rad- und Wandertouren hier werde ich vermissen, aber ich freue mich sehr darauf, die Sächsische Schweiz zu entdecken.
Wie groß ist Ihre Gruppe? Wie viele Leute werden mit Ihnen nach Dresden ziehen?
Wir haben bereits ein fabelhaftes Kernteam zusammengestellt. Ich ziehe mit meinem Mann und Co-Investigator Dr. Thomas Becker und Postdoc Dr. Ana-Maria Oprişoreanu von Edinburgh nach Dresden. Darüber hinaus haben wir auch schon eine Doktorandin, Luisa Scucces, und eine Technikerin, Daniela Zöller, in Dresden eingestellt. Derzeit suchen wir noch weitere Postdocs, Doktorand:innen und Techniker:innen für unsere Gruppe in Dresden. Wir werden vorerst weiterhin eine Gruppe von zwei Postdocs und fünf Doktorand:innen in Edinburgh betreuen, aber mindestens eine von ihnen wird im nächsten Jahr zu uns kommen, um ihr Projekt zu beenden.
Warum haben Sie sich entschieden, nach Dresden zu ziehen und dem CRTD beizutreten?
Ich habe mich Dresden immer sehr verbunden gefühlt und hier schon oft auf wissenschaftlichen Konferenzen gesprochen. Tatsächlich war ich die erste externe Sprecherin im neuen CRTD-Gebäude, die damals - im November 2011 - vom Gründungsdirektor, Prof. Michael Brand, eingeladen wurde. Über die Jahre konnte ich die exzellenten Forschungsleistungen am CRTD sehr gut verfolgen, da ich seit 2017 den Vorsitz des wissenschaftlichen Beirats des Instituts innehatte.
Ich weiß, dass das CRTD sehr effektive Strukturen bietet, um die nächste Generation von Wissenschaftlern für die Regenerationsforschung auszubilden. Es gibt viele Möglichkeiten für Forschungssynergien innerhalb des CMCB und der benachbarten Institute auf dem Johannstadt-Campus. In der Tat arbeite ich bereits mit Prof. Matthias Kirsch und Dr. Ortrud Uckermann am Universitätsklinikum zusammen.
All diese Faktoren waren sehr wichtig für meine Entscheidung, hierher zu wechseln. Ich freue mich sehr darauf, mit der lebendigen wissenschaftlichen Community in Dresden zusammenzuarbeiten!