08.09.2020
»Der kulturelle Verlust lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken«
Corona legte auch die Dresdner Studentenclubs lahm, existenziell bedroht sind sie jedoch anscheinend nicht
Beate Diederichs
Seit Mitte März haben die Dresdner Studentenclubs coronabedingt Zwangspause und damit große finanzielle Einbußen. Hilfen vom Studentenwerk Dresden und teils vom Staat helfen ihnen, diese abzufedern. Noch problematischer für die Clubs ist der kulturelle Verlust: dass keine größeren Veranstaltungen stattfinden dürfen, der direkte Kontakt zum Publikum weitgehend fehlt und die Clubs so auch keine neuen Mitglieder gewinnen können. Und natürlich, dass sie nicht wissen, wie lange diese Situation andauern wird. Dass einige Clubs inzwischen wieder teilweise geöffnet haben, ändert daran nicht viel.
Dresden gilt als inoffizielle Hauptstadt der Studentenclubs. Dreizehn Stück davon gibt es in der sächsischen Landeshauptstadt – vom kleinen Wohnheimetagenclub bis zu großen und bekannten Einrichtungen wie dem Bärenzwinger oder dem Club Mensa. Von dem vielfältigen kulturellen Leben, das man dort sonst finden kann, ist momentan leider nicht viel zu spüren: Mitte März schloss die Stadt wegen des Corona-Virus alle Studentenclubs. Obwohl damals Semesterpause war, erlebten die meisten Einrichtungen die Schließung als eine Vollbremsung: »Wir mussten als einer der ersten Clubs am 13. März von heute auf morgen schließen und sind so regelrecht in eine Schockstarre verfallen. Es ging zunächst nichts mehr«, erinnert sich Frank Mösche, Vorstand und Geschäftsführer des Club Mensa e.V. »Wir sind seit dem 16. März geschlossen. Davon sind alle Clubaktivitäten betroffen«, berichtet Lars Gernegroß, 1. Vorstandsvorsitzender des Studentenclubs Borsi 34 e.V. Und auch Christine Reiner, die Vorstandsvorsitzende des Kellerklub GAG 18, sagt: »Wir dürfen seit dem 16. März dauerhaft weder für Barabende noch den Veranstaltungsbetrieb mit Tanzveranstaltungen oder Vermietungen noch für interne Events unter den Mitarbeitern wie unsere jährliche Osterfeier oder die Vorstandswahlen öffnen.« Andreas Nicht hat als Vertreter der »Vereinigung Dresdner Studentenclubs e.V.« (VDSC) den Überblick über die Situation und schätzt ein: »Problematischer als die ersten Tage der Schließung, als das Semester noch nicht begonnen hatte, waren für die Clubs der April und ein Großteil des Monats Mai: Denn so fiel nicht nur der reguläre Bar- und Kulturbetrieb weg, sondern auch die ›Dresdner Studententage‹ mit ihren vielen Veranstaltungen entfielen, unter anderem mit der Nachtwanderung als zentralem Event.« Beim Kellerklub GAG 18 musste auch das MittelAlterFest (MAF) gestrichen werden, das der Club zusammen mit dem Traumtänzer e. V. organisiert. »Dieses Fest liegt uns besonders am Herzen, weil wir es jedes Jahr mit vielen hundert Arbeitsstunden und einer riesigen Portion Herzblut auf die Beine stellen«, kommentiert Christine Reiner. Beim Club Mensa erwischte es noch das UNI AIR, einen studentischen Band- und DJ-Contest.
Einnahmen der Clubs sind weggebrochen
Außerdem kann der Club derzeit natürlich keine studentischen DJs fördern, indem er sie vor größerem Publikum auftreten lässt, da es keine entsprechenden Veranstaltungen gibt. Allgemein fallen so für die Studentenclubs viele Einnahmemöglichkeiten weg. Was aber fast noch schlimmer ist: Die Möglichkeiten, Präsenz zu zeigen und so unter den Studenten bekannt zu werden und vielleicht sogar neue Mitglieder zu gewinnen – worauf die Clubs ja angewiesen sind, wenn es sie auch in den nächsten Jahren noch geben soll – ist so auf relativ unbestimmte Zeit sehr beschränkt. »Der kulturelle Verlust lässt sich gar nicht in Zahlen ausdrücken«, formuliert es der Vorstand des Club Mensa.
In dauerhafte Schockstarre zu verfallen, konnten und wollten sich die Clubs aber nicht leisten. »Nach der ersten Ohnmacht hieß es recherchieren, Zahlen beobachten, Maßnahmen verfolgen, Kosten reduzieren, Partner kontaktieren, Anträge schreiben …«, erzählt Frank Mösche. Die Clubs entwickelten Alternativideen für die Zeit nach den ersten Lockerungen: »Einige haben mit Sonderlösungen – wie der Bärenzwinger mit seinem Biergarten im Hof oder andere Clubs mit Straßenverkauf zum Männertag – etwas Programm gemacht oder ihre Lagerbestände bei Aktionen verkauft, um ein wenig Geld in die Kasse zu bekommen, was gut funktioniert hat«, sagt Andreas Nicht. Nach seinen Informationen haben einzelne Clubs auch den generellen Betrieb mit Hygieneauflagen wieder aufgenommen. Doch für die meisten Clubs erscheint das nicht praktikabel oder nicht wirtschaftlich, weil sie beispielsweise keinen Außenbereich haben oder die Abstandsregeln nur wenige Gäste zulassen würden. Der Kellerklub GAG 18 hat aus der Not eine Tugend gemacht: »Wir haben Liegengebliebenes aufgearbeitet, unsere Werkstatt umgebaut und kleine Ausbesserungsarbeiten durchgeführt«, berichtet Christine Reiner.
Wie stark die Clubs finanziell durch die Schließung gefährdet sind, hängt auch davon ab, ob sie vorher Rücklagen bilden konnten und ob sie neben den ehrenamtlichen Mitarbeitern noch weitere Arbeitskräfte beschäftigen. »Existenziell bedroht scheint derzeit kein Club zu sein, unter anderem deshalb, weil durch den ehrenamtlichen Betrieb keine Personalkosten auflaufen«, sagt Sandy Hofmann, Geschäftsbereichsleiterin Kommunikation und Kultur beim Studentenwerk Dresden. In ihren Geschäftsbereich fallen die Clubs. Der Club Mensa ist bezüglich der Arbeitskräfte eine Ausnahme: »Bei uns sind eine Vollzeitkraft und eine Teilzeitkraft angestellt. Diese haben nun durch Kurzarbeit Null erhebliche finanzielle Nachteile. Auch die im Regelbetrieb angestellten Studenten, die auf 450-Euro-Basis arbeiten, haben jetzt keine Einnahmen«, berichtet Frank Mösche. Hilfe bekommen die Clubs selbstverständlich vom Studentenwerk. Dieses steht ihnen bereits beim Normalbetrieb zur Seite: »Wir stellen für die Arbeit studentischer Kulturgruppen und -vereine verschiedene Räume zu vergünstigten Konditionen zur Verfügung. Zudem fördern wir Kulturprojekte der Clubs, um die studentische Kulturszene zu erhalten«, fasst Sandy Hofmann es zusammen. Da auch eine vergünstigte Miete allerdings stets weiterläuft und daher eine wichtige Ausgabe der Clubs darstellt, bot das Studentenwerk ihnen in der Krise an, die Mieten zu stunden. Davon haben einige Clubs schon Gebrauch gemacht, wissend, dass sie das Problem eventuell nur in die Zukunft verschieben. »Daher prüft das Studentenwerk weitere Möglichkeiten der Unterstützung: Wir könnten uns einen späteren Teilerlass der gestundeten Miete vorstellen, wenn es die wirtschaftliche Lage des Studentenwerks zulässt. Zudem könnten die Clubs sich am Gutscheinheft Startbonbon 2020 für die Studienanfänger beteiligen und die Neuen auf die studentische Clubszene aufmerksam machen und versuchen, Nachwuchs für die Clubarbeit zu gewinnen.« Gleichzeitig warnt sie die Clubs vor rechtlich unsauberen Lösungsideen: »Manche Clubs würden ja gerne ihren Barbetrieb ausweiten und Biergärten anbieten. Das Studentenwerk fördert jedoch die Clubs nur als studentische Kultureinrichtungen und nicht den gastronomischen Betrieb.«
Staatliche oder kommunale Förderung in der Krise ist für die meisten Clubs nur bedingt eine Alternative: »Bei den von der Stadt sowie der Sächsischen Aufbaubank angebotenen Soforthilfen fallen die Clubs als Vereine scheinbar durchs Raster – oder die Regelungen sind unklar«, sagt Andreas Nicht. Für viele Vorstände ist dies so ein großer bürokratischer Aufwand mit unklarem Ergebnis. Ausnahme auch hier, diesmal im positiven Sinne, der Club Mensa: »Dem Club wurde der Antrag auf staatliche Soforthilfe für bis zu fünf Mitarbeiter bewilligt«, sagt Frank Mösche. So haben diese Mitarbeiter wenigstens einen Teil ihrer Einnahmen.
Hoffnung auf den Semesterbeginn
Was die Clubs derzeit neben den finanziellen und kulturellen Engpässen beschäftigt, ist die Ungewissheit. »Wir hoffen, spätestens zu Beginn des Wintersemesters 2020/21 wieder öffnen zu dürfen«, meint Lars Gernegroß vom Borsi 34. Zudem dürften sich alle Clubs wünschen, dass das Wintersemester ein Präsenzsemester mit der üblichen Zahl der Studenten vor Ort sein wird. »Sechzig Prozent unserer Gäste sind Studenten. Ohne diese können wir kaum wirtschaftlich arbeiten«, so der Vertreter des Club Mensa. »Derzeit weiß keiner, wie sich die Lage weiterentwickelt. Das macht die Planung von Veranstaltungen sehr schwierig«, sagt Sandy Hofmann vom Studentenwerk und verweist abschließend auf verschiedene Förderprogramme von Bund und Land, bei denen die Clubs Mittel unter anderem für Hygienemaßnahmen und elektronische Kassensysteme beantragen können. »Damit können dann schon länger geplante, aber nicht finanzierbare Anschaffungen getätigt werden. Das ist ein Lichtblick.«
Nun, zu Ende des Sommers, stellt sich die Lage so dar: Die Mehrzahl der Clubs hat den Betrieb wieder aufgenommen, Konzerte und Tanzveranstaltungen sind aber in normaler Form noch nicht wieder möglich. Somit müssen die Clubs nach wie vor auf ihren »Hauptbetrieb« verzichten, können aber Barbetrieb mit den zur Zeit üblichen Einschränkungen und oft verkürzten Öffnungszeiten durchführen. Dies betrifft unter anderem das Aquarium, den Bärenzwinger, den Gutzkowclub und den Kellerklub GAG 18. »Wir hoffen, dass dann andere Clubs, wie der Borsi 34, im September oder Oktober folgen können. Eine Übersicht über die finanzielle Lage allgemein haben wir noch nicht. Insgesamt bleibt zu hoffen, dass sich die Corona-Lage weiter entspannt und die Erstsemester-Tour im Oktober stattfinden kann«, sagt Andreas Nicht.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 13/2020 vom 8. September 2020 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.