17.09.2019
Deutsche Filmarchitektur 1918–1933 - Ausstellung von Werken Hans Poelzigs
Entwürfe und Skizzen von Hans Poelzig im Berliner Museum für Architekturzeichnung
Tanja Scheffler
Während der Weimarer Republik etablierte sich der Film als populäres Massenmedium. Dabei entstanden in den deutschen Studios auch einige international bekannte Stummfilm-Klassiker, deren großer Erfolg maßgeblich auf das Werk der Filmarchitekten zurückzuführen ist. Daher zeigt die Tchoban Foundation, das Museum für Architekturzeichnung in Berlin, aktuell in einer sehenswerten Ausstellung beeindruckende Entwürfe für Meisterwerke wie »Das Cabinet des Dr. Caligari« (1920), »Die Nibelungen« (1924) und natürlich auch »Metropolis« (1927), dessen spektakuläre Hochhausvisionen bis heute viele weitere Filmproduktionen, vor allem im Science-Fiction-Genre, beeinflusst haben. Dabei sind auch einige Skizzen des Architekten Hans Poelzig (1869–1936) für den expressionistischen Stummfilm »Der Golem, wie er in die Welt kam« (1920) zu sehen, die er während seiner Zeit als Dresdner Stadtbaurat und Honorarprofessor an der Technischen Hochschule Dresden (heute TUD) angefertigt hat.
Die meisten Filmarchitekten dieser Ära stammten aus der Theaterbranche und waren gelernte Bühnenbildner oder Theatermaler. Nur wenige hatten – wie Hans Poelzig – eine Architektenausbildung. Da die Filme damals meist komplett im Studio gedreht wurden, erwarteten die Zuschauer bei vielen Genres keine realitätsnahe Darstellung. Dies bot die Chance, völlig neue, von den zeitgenössischen Kunstströmungen inspirierte Räume und spektakuläre Architekturvisionen zu kreieren. Poelzig konnte während seiner Dresdner Amtszeit (1916–20) nur wenige Projekte verwirklichen, hatte aber engen Kontakt zum Theater und realisierte in dieser Zeit auch das Große Schauspielhaus in Berlin für den Theaterintendanten Max Reinhardt (Dresdner Universitätsjournal 20/2016 und 20/2018). Eine seiner Architekturstudentinnen an der TH Dresden, Lilia Skala, geb. Sofer, etablierte sich später unter Reinhardt erfolgreich als Schauspielerin. Poelzig entwarf jahrelang Bühnenbilder für verschiedene Theater und war nach dem »Golem« auch noch an den beiden Filmen »Zur Chronik von Grieshuss« und »Lebende Buddas« beteiligt. Außerdem errichtete er mit dem Capitol am Zoo (1925) und dem Babylon (1928/29) zwei Kinobauten in Berlin.
Bereits während seines Studiums ließ sich Poelzig oft von historischen Bauten inspirieren; in etlichen seiner späteren Entwürfe und Bühnenbilder finden sich romanische und gotische Elemente wieder. Für den »Golem«-Film, bei dem Paul Wegener Regie führte und die Hauptrolle spielte, entwickelte Poelzig zusammen mit der Bildhauerin Marlene Moeschke, seiner späteren zweiten Frau, mithilfe von unzähligen meist in Bleistift oder aber Kohle gezeichneten Vorstudien eine windschief-expressionistische Version des mittelalterlichen Prags, bei der sich die ins Wanken geratenen Häuser immer mehr aneinander schmiegen. Davon sind in der Ausstellung mehrere Skizzenblätter zu sehen: darunter auch eine Entwurfszeichnung für das Ghettotor mit Doppelturm und weiteren Gebäuden. Dies wurde auf dem Studiogelände dann vom Filmarchitekten Kurt Richter realisiert.
Die Arbeit der Setdesigner umfasste früher neben der Gestaltung des Szenenbildes auch weitergehende Planungen zur konkreten Umsetzung der Filmidee. Durch mehrere Zeichnungen von Erich Kettelhut (1893–1979) für »Metropolis«, in die der Regisseur Fritz Lang seine Kommentare eingetragen hat, wird die schrittweise Entwicklung der visionären Hochhausstadt nachvollziehbar. Einige Skizzen von anderen Filmen enthalten eingezeichnete Kamera- und Schauspielerpositionen oder aber bereits auf die Kulissen aufgemalte Lichteffekte. Dabei sind in der Ausstellung neben den unterschiedlichen künstlerischen Handschriften auch verschiedene Architekturauffassungen zu entdecken: Denn schräge, gebrochene oder im Zickzack verlaufende Linien haben eine ganz andere Wirkung auf den Zuschauer als gerade.
Ausstellung »Deutsche Filmarchitektur 1918–1933« in der Tchoban Foundation,
Museum für Architekturzeichnung, Christinenstraße 18A, 10119 Berlin
bis zum 29. September 2019,
Öffnungszeiten: Mo–Fr 14–19 Uhr, Sa und So 13–17 Uhr
www.tchoban-foundation.de
Zur Ausstellung ist auch ein interessanter Katalog erschienen, Preis: 25 Euro.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 14/2019 vom 17. September 2019 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.