Feb 25, 2020
»Die Leute sind sehr motiviert«
Im TUD-Seiteneinstiegsprogramm für den Lehrerberuf gibt es derzeit rund 400 Teilnehmer und die ersten Absolventen
Beate Diederichs
Das Seiteneinstiegsprogramm Lehramt der TU Dresden (BQL) qualifiziert seit über zwei Jahren berufsbegleitend Männer und Frauen, die im sächsischen Schuldienst arbeiten und Fachkenntnisse nachholen müssen. Mittlerweile haben die ersten Teilnehmer ihren Abschluss in der Tasche. Thomas Bárány, Projektkoordinator BQL am Zentrum für Lehrerbildung, Schul- und Berufsbildungsforschung (ZLSB) an der TUD, sieht das Programm als Erfolgsmodell: »Die Teilnehmer sind sehr motiviert, und wir gehen flexibel auf ihre Bedürfnisse ein. Das funktioniert gut.«
Anspruchsvolles Programm musste sich erst einspielen
Der Zeitaufwand war gigantisch, rund 25 bis 30 Stunden musste er pro Woche investieren, schätzt Torsten Wappler ein: Lehrveranstaltungen, Hausaufgaben, Prüfungsvorbereitung, Hin- und Rückfahrt zur Uni, alles zusätzlich zur Arbeit in der Schule. »Dieser enorme Aufwand führte am Anfang zu Spannungen und Diskussionen zwischen den Organisatoren und uns Teilnehmern. Wir waren meines Wissens der erste Durchlauf des Programms, daher mussten sich manche Dinge noch einspielen. Nun, nach meinem Abschluss, kann ich sagen: Das Programm war sehr anspruchsvoll, aber ich habe unglaublich viel gelernt.« Der Chemnitzer Torsten Wappler ist Lehrer in der sportlich-vertieften Ausbildung an der Sportoberschule Chemnitz und hat von Oktober 2017 bis September 2019 an der TU Dresden Mathematik als zweites Fach studiert, um seinen Arbeitsplatz zukunftsfest zu machen. »Ursprünglich hatte ich einen Magister-Abschluss in Soziologie, Psychologie und Medienwissenschaft gemacht, aber nie in dieser Richtung gearbeitet, sondern war immer im Fußball aktiv«, erzählt der 41-Jährige. Seit 2008 unterrichtet er an der Sport-oberschule. Außerdem ist er schon lange als Jugendtrainer beim Chemnitzer FC tätig. Momentan trainiert er eine Mannschaft, die in der U-17-Bundesliga spielt. Dafür investiert Familienvater Torsten Wappler auch viel Zeit nach der Arbeit und am Wochenende. Ausführlicher mit Mathematik hatte sich der Chemnitzer zum letzten Mal 1996 beim Abitur beschäftigt. Daher empfand er die Inhalte, mit denen er sich an den zwei wöchentlichen Studientagen befasste, zunächst als sehr abstrakt. »Mir half es, dass ich dennoch viel bewusster an das Studium heranging als zu der Zeit, als ich meinen ersten Abschluss erwarb. So ging es vielen meiner Mitstudenten. Ich glaube, dass die Dozenten das bemerkten und honorierten, indem sie uns besonders gut unterstützten.« Am Ende zieht Torsten Wappler das Fazit: hoher Aufwand, aber sinnvoll! Noch kann er seine Mathekenntnisse nicht anwenden, weil er nur Sport unterrichtet, wofür er sich über die Jahre in Weiterbildungen qualifiziert hat. Doch das kann sich bald ändern.
Seiteneinsteiger sind meist zwischen 30 und 40 Jahre alt
Für Thomas Bárány ist das, was Torsten Wappler berichtet, in vielerlei Hinsicht beispielhaft. »In unserem Seiteneinsteigerprogramm erwerben Leute, die meist zwischen Mitte Dreißig und Anfang Vierzig sind und schon ein Hochschulexamen erfolgreich bestanden haben, einen Abschluss in einem Fach, das sie unterrichten können, manchmal auch in zwei Fächern. Dieser ist der ersten Staatsprüfung später tarifrechtlich gleichgestellt«, fasst der Projektkoordinator am ZLSB zusammen. »Sie werden als erstes im Schuldienst eingestellt, absolvieren eine dreimonatige Einstiegsfortbildung für den Unterricht und bewerben sich dann für die zweijährige berufsbegleitende Qualifikation an der Universität.«
Die Abbruchquote liegt unter zehn Prozent
An den Unis in Leipzig und Chemnitz laufen ähnliche Programme wie am ZLSB. Knapp 1500 Lehrer sind momentan innerhalb aller dieser Maßnahmen eingeschrieben oder haben diese absolviert, an der TUD sind es aktuell rund 400 im Programm. Für Thomas Bárány ist das Seiteneinstiegsprogramm eine Erfolgsgeschichte: »Die Abbruchquote liegt unter zehn Prozent – obwohl die Leute einen unglaublichen zeitlichen Aufwand bewältigen müssen und ihr Erststudium oft lange zurückliegt. Damit ist die Bestehensquote sogar über der Quote vergleichbarer grundständiger Studiengänge, was ich bemerkenswert finde. Doch die Teilnehmer haben sich gut überlegt, dass sie das machen wollen, und sind unfassbar motiviert.«
Die Organisatoren sind beeindruckt von dem, was die Teilnehmer leisten, und unterstützen sie so gut wie möglich: Dazu gehören eine flexible Programmgestaltung mit kleinen Seminargruppen, vielen Tutorien und Lehrveranstaltungen zum Zeitmanagement. Seit Programmstart im Frühjahr 2017 haben rund 120 Leute das Programm an der TUD abgeschlossen. Torsten Wappler gehört zu einer Gruppe von reichlich 30 Teilnehmern, die im Oktober fertig wurden und nun einen Abschluss in Mathematik oder WTH (Wirtschaft/Technik/Hauswirtschaft) ihr Eigen nennen.
Wie sich die Seiteneinsteiger langfristig im Unterricht bewähren werden, dazu kann Thomas Bárány natürlich noch nichts sagen. Doch er ist zuversichtlich, dass sie mit ihrer beruflichen Expertise, ihren neu erworbenen Fachkenntnissen und ihrer Lebenserfahrung gute Lehrer sein werden.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 4/2020 vom 25. Februar 2020 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.