20.04.2021
Die Renaissance von Holz und Papier
TUD-Professor André Wagenführ: Für den Einstieg in eine Bioökonomie muss man sich auch auf naturnahe Werkstoffe rückbesinnen
Heiko Weckbrodt
Die weltweit neu entflammte Diskussion um eine neue Wirtschaftsweise, die umweltfreundlicher, weniger invasiv und effizienter funktioniert als die heutige, führt auch zu einer Rückbesinnung auf naturnahe Werkstoffe, die viele Industriezweige wie etwa Automobilbau oder Luftfahrt eigentlich längst abgeschrieben hatten. »Wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen, nachhaltiger wirtschaften und in die Bioökonomie einsteigen will, brauchen wir Holz und Papier«, ist Prof. André Wagenführ überzeugt, der an der TU Dresden die Professur für Holztechnik und Faserwerkstofftechnik leitet. Und er sieht in einer »holzbasierten Bioökonomie« viele Entwicklungsperspektiven: »Diese Branche ist durch ganz bemerkenswerte Innovationen getrieben«, betont er.
Dazu gehören internationale Beispiele wie bionische Türme, die wie Bäume gen Himmel wachsen, hybride Holzbrücken, Kirchenbauten aus Papierwickelhülsen oder leichte Hightech-Holzelemente, die in Elektroautos einen Teil des Akku-Gewichts ausgleichen.
Auch Forschungseinrichtungen und Unternehmen im Großraum Dresden haben wichtige Neuerungen in diesem Sektor hervorgebracht. Zu denken ist da zum Beispiel an die Papiertechnische Stiftung Heidenau (PTS), deren Ingenieure unter anderem daran arbeiten, Plasteverpackungen durch Papierlösungen zu ersetzen. Oder an das Zuse-Institut für Holztechnologie Dresden (IHD), das deutschlandweit als ein Vorreiter der außeruniversitären Holzforschung gilt.
Und eben auch an das TUD-Institut für Naturstofftechnik, das laut Wagenführ in deutschlandweit einzigartiger Weise den Maschinenbau und die Verfahrenstechnik im Holz- und Papiersektor verbindet. Diese besondere Expertise hat zu faszinierenden Erfolgen geführt. Dazu gehört die Ausgründung »Aidbords«, die Feldbetten und andere Möbel aus speziell präparierter Wellpappe baut. Der Ableger »Linnotube« wiederum hat mit Fahrrädern aus Holzrohren von sich reden gemacht. Und kürzlich erst stellte die Naturstoff-Ideenschmiede der TUD Kühlboxen vor, die auf Papier statt Styropor basieren. Derweil arbeiten Doktoranden am Institut schon an den nächsten Innovationen: an Holzschutzmitteln aus Salbei statt Chemie, an dekorativer Holzveredelung durch absichtlich erzeugte Marmorfäule oder an Naturfarben aus Pilzen.
Um all diese Innovationskraft künftig besser in Jobs und Wertschöpfung in Sachsen umzumünzen, haben einige dieser Forscher das Netzwerk »Lignosax« gegründet. »Wir decken bereits alles entlang der Holz-Wertschöpfungskette ab«, schätzt Prof. Wagenführ ein. In Summe beschäftige der Sektor Forst und Holz in Sachsen rund 50 000 Menschen, umfasse über 5800 Unternehmen, die zusammen auf rund 3,4 Milliarden Euro Umsatz kommen. Dazu gehören international bekannte Betriebe wie die Deutschen Werkstätten Hellerau, die Luxusjachten für die »Schönen und Reichen« ausstatten, aber auch außerhalb der Branche wenig bekannte »Hidden Champions« wie Kronospan und Kronochem Lampertswalde, die zu den weltweit führenden Anbietern von Holzwerkstoffen und Holzklebstoffen gehören, aber auch Tüftler aus dem Handwerk, die beispielsweise CNC-Fräsen aus Holz statt Stahl gebaut haben.
Professor Wagenführ sieht noch viel mehr wissenschaftliches und ökonomisches Potenzial in Sachsen schlummern. »Man kann hier ganz klar von einer Renaissance des Werkstoffs Holz sprechen«, sagt er. »Das lässt sich in der Autoindustrie beobachten, im Schienenfahrzeugbau, in den Baugewerken und geht bis hin zum Maschinenbau.«
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 07/2021 vom 20. April 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.