18.04.2013
Ein Blick in Echtzeit auf die Spielregeln des Lebens
Natürlich in der Umwelt vorkommende Bakterien und Viren sind untereinander in einem ständigen Existenzkampf. Bakterien haben eine Art Immunsystem entwickelt, um sich gegen den Angriff der Viren zu schützen: Spezielle Abwehrenzyme können die virale Erbinformation (DNA) zerstören und gleichzeitig gewährleisten, dass nicht die DNA des Bakteriums selbst angegriffen wird. Dabei spielen Marker auf der Bakterien-DNA eine Rolle, die den Viren fehlen. Physiker des Biotechnologischen Zentrums der TU Dresden (BIOTEC) untersuchten in Kooperation mit Forschern der Universität Bristol, wie die Abwehrenzyme die DNA nach diesen Markern scannen und zwischen ihnen kommunizieren, um den Abwehrmechanismus in Gang zu setzen. Sie konnten dabei erstmals live beobachten, wie sich solche Abwehrenzyme mittels thermischer Energie sehr effizient zwischen zwei Markern bewegen, deren Orte im Genom weit auseinanderliegen. Die Ergebnisse sind jetzt im amerikanischen Fachjournal Science veröffentlicht worden (DOI: 10.1126/science.1231122).
Bodenbakterien versorgen Pflanzen mit Nährsalzen. Als Bestandteil des Planktons bilden Bakterien die Grundlage der Nahrungskette für viele Meerestiere. Menschliche Darmbakterien fördern die Verdauung, können aber auch Erkrankung auslösen. Bakterien sind überall vorhanden, sind aber auch selbst ständig den Angriffen ihrer ärgsten Widersacher, den Viren, ausgesetzt. Diese infektiösen Partikeln sind immer auf der Suche nach einer Wirtszelle, in die sie ihre Erbinformation zur Vermehrung und Ausbreitung übertragen können, da sie diese Fähigkeiten selbst nicht besitzen. Dazu zapfen sie den Stoffwechsel der Wirtszelle an und zerstören diese.
Bakterien verfügen in ihrem Immunsystem über spezielle Enzyme, mit denen sie die Erbinformation der Viren und damit auch die Viren selbst zerstören, ohne jedoch die eigene DNA zu beschädigen. Dabei spielen zwei Marker auf der Gen-Sequenz des Bakteriums eine wichtige Rolle. Fehlen beide Marker, wird die DNA als viral klassifiziert und zerstört. Wie jedoch kann ein Abwehrenzym das gleichzeitige Fehlen der beiden weit auseinanderliegenden Marker feststellen? „Dieser Kommunikationsmechanismus zwischen entfernt liegenden Marker-Sequenzen konnte noch nicht entschlüsselt werden“, berichtet Prof. Ralf Seidel, Forschungsgruppenleiter am BIOTEC. Bisher existierende Erklärungsmodelle waren widersprüchlich.
Um diese Frage zu beantworten, spannten die Dresdner Physiker einzelne DNA-Moleküle in eine magnetische Pinzette und markierten die Abwehrenzyme mit einem fluoreszenten Nanopartikel. „Die neuartige Kombination einer magnetischen Pinzette mit der Total-Reflektions-Fluoreszenz-Mikroskopie ermöglicht es uns, die Bindung und die Bewegung der markierten Enzyme auf der DNA sichtbar zu machen“, erklärt Dr. Friedrich Schwarz von der Dresdner Arbeitsgruppe. Für seine Doktorarbeit konnte er nun erstmals in Echtzeit beobachten, wie die Abwehrenzyme von einer Marker-Sequenz auf dem bakteriellen Genom zu einer weiter entfernten surfen.
Obwohl die Abwehrenzyme einen molekularen Motor besitzen und damit wie ein Auto von einer Stelle zur anderen laufen könnten, fanden die Forscher überraschenderweise heraus, dass sie sich per Zufall mittels der Brownschen Molekularbewegung entlang der DNA mit überaus hohen Geschwindigkeiten bewegen. Die nach dem schottischen Botaniker Robert Brown benannte Zufallsbewegung wurde zuerst bei Pollen in einem Wassertropfen beobachtet, die eine völlig regellose Zick-Zack-Bewegung auf der Wasseroberfläche machen. Für diese Art der molekularen Bewegung wird lediglich die überall vorhandene thermische Energie ausgenutzt. Damit haben die Forscher die wohl energieeffizienteste Methode gefunden, um zumindest in einer Zelle entlang der Erbinformation von Punkt A nach Punkt B zu kommen.
Die Resultate dieser Untersuchungen sind wichtig, um
beispielsweise die Wirkungsweisen von Enzymen in der
DNA-Reparatur aufzuklären, welche die Enstehung von
Erbkrankheiten als auch Krebs verhindern. Dort spielen ähnliche
Kommunikationsprozesse eine Rolle. Darüber hinaus kann sich
Prof. Ralf Seidel vorstellen, dass die Forschungsergebnisse
auch eine Inspiration für zukünftige energieeffiziente
Rechenarchtikturen sein könnten. Die Abwehrenzyme erkennen
nämlich nicht nur den Marker selbst, sondern auch noch die
Richtung der Marker-Sequenz. Ähnlich einem Bit, welches an-
oder ausgeschaltet sein kann, wird die DNA nur zerstört,
wenn die Markersequenz in der einen Richtung vorliegt. Bei der
anderen Orientierung der Markersequenz passiert dagegen
nichts.
Informationen für Journalisten:
Birte Urban-Eicheler
Pressesprecherin Biotechnologisches Zentrum der TU Dresden
(BIOTEC)
Tel.: 0351 458-82065