16.04.2010
Deutschland baut Technologieführerschaft im Mobilfunk aus
Das Forschungsprojekt EASY-C, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), präsentierte am 16. April auf dem Abschluss-Workshop in Dresden Forschungsergebnisse, die die mobile Kommunikation langfristig prägen werden. "Dank EASY-C gilt Deutschland derzeit weltweit als Technologietreiber im Bereich Mobilfunk", unterstreicht Professor Gerhard Fettweis, Inhaber des Vodafone Stiftungslehrstuhls Mobile Nachrichtensysteme an der TU Dresden. "Etliche internationale Unternehmen haben sich in letzter Zeit dafür entschieden, Forschung und Entwicklung in Deutschland zu betreiben. EASY-C hat der deutschen Mobilkommunikationsbranche exzellente Voraussetzungen für den zukünftigen Ausbau der Netze und einen starken Einfluss auf die Standardisierung gesichert."
In dem Projekt - die Abkürzung steht für "Enablers for Ambient Services and sYstems -Part C: Wide Area Coverage" - arbeiten Forscher seit drei Jahren an Technologien für die zukünftige Mobilfunkgeneration LTE-Advanced. Zwei großflächige Versuchsinstallationen in Dresden und Berlin ermöglichen es ihnen, Innovationen unter realistischen Bedingungen zu erproben. Die Mobilfunkexperten hatten bereits im vergangenen Jahr auf der IEEE International Conference on Communications in Dresden wesentliche Datenübertragungstechnologien der Zukunft erstmals öffentlich im Echtzeit-Betrieb vorgeführt und damit in der Fachwelt großes Aufsehen erregt. Auf dem Workshop wollen sie heute einen Schritt weiter gehen und die Datenübertragung zwischen drei Endgeräten und drei Basisstationen demonstrieren. Dabei verwenden sie ein neues Verfahren, das in dem Forschungsprojekt zum ersten Mal umgesetzt wurde: "Coordinated Multi-Point" (CoMP), eine innovative technische Lösung für ein Problem, das die Experten schon länger beschäftigt.
Insbesondere in dicht besiedelten Regionen ist üblicherweise auch die Dichte der Basisstationen hoch. Das führt dazu, dass sich ihre Reichweite und ihre Signale überlagern. Bisher haben Ingenieure diese sogenannte Interferenz als Störfaktor hingenommen. Zukünftig soll sie zur Datenübertragung genutzt werden; die kooperative Übertragungstechnik ist eine der Schlüsseltechnologien für LTE-Advanced. "Das bedeutet, dass zum Beispiel Basisstationen an verschiedenen Orten gemeinsam Signale verschiedener Mobilfunktelefone verarbeiten," so Fettweis. "Die Telefone können gleichzeitig und auf derselben Frequenz kommunizieren. Interferenzen werden dabei aktiv genutzt und nicht mehr als Störgeräusch behandelt." Das Ergebnis: Sowohl eine hohe Datenrate - insbesondere für Anwender, die sich im Grenzbereich zwischen verschiedenen Zellen befinden und im konventionellen System bisher lediglich eine geringe Dienstequalität erfahren können - als auch eine hocheffiziente Verwendung des Frequenzbandes."
EASY-C ist zugleich das weltweit erste Projekt, das diese Mobilfunktechnologien der Zukunft mit großflächigen Versuchsinstallationen unter Verwendung bestehender Mobilfunkstandorte und unter repräsentativen Signalverbreitungsszenarios implementiert und testet. "Wir haben nicht nur gezeigt, dass die Technologie funktioniert. Unsere Versuche in Dresden und Berlin erlauben eine präzise Bestimmung der Nettoerträge verschiedener Kooperationsmodelle", betont Fettweis. "Dieser Ertrag wird ins Verhältnis gesetzt zu dem Mehraufwand, der für die Kooperation erforderlich ist, zum Beispiel durch die erhöhte Komplexität der Technik, die hohen Anforderungen an Zeit-und Frequenzsynchronisation, sowie den Mehraufwand für die Kanal-Schätzung." EASY-C untersucht und evaluiert auch andere in der LTE-Advanced-Initiative diskutierte Themen, wie Mehrantennensysteme (MIMO), kooperatives Funkressourcenmanagement und Verfahren zu Selbstoptimierung der Netze. Auf diese Weise stellt EASYC die weltweit ersten praktischen Ergebnisse für potentielle LTE-Advanced-Technologien zur Verfügung. In dem Workshop wurden die Resultate dieser Messungen durch die Wissenschaftler und ihre Industriepartner vorgestellt und diskutiert.
"Wir wollen die spektrale Effizienz von Mobilfunksystemen maßgeblich verbessern und dadurch die Übertragung größerer Datenmengen bei sowohl geringeren Kosten als auch niedrigerem Energieverbrauch ermöglichen", fasst Fettweis zusammen. "Von zentraler Bedeutung ist ebenso der Aspekt der Fairness: Die Mobilfunkssysteme der Zukunft müssen in der Lage sein, jedem Nutzer überall jederzeit den gleichen hochqualitativen Service zu bieten." In dem Projekt "Advanced Radio Interface Technologies for 4G Systems (ARTIST4G)", das durch die Europäische Union gefördert wird, werden die Erkenntnisse des EASY-C Projektes nun auf die europäische Ebene überführt. Hierbei soll, so Fettweis, in Zusammenarbeit mit den europäischen Netzbetreibern insbesondere die Standardisierung vorangetrieben werden. Darüber hinaus werden die Feldtestumgebungen in Dresden und Berlin aufgrund ihrer derzeitigen weltweiten Einzigartigkeit noch in zahlreichen weiteren nationalen und internationalen Projekten eine zentrale Rolle spielen.
Mobile Kommunikationstechnik hat sich in den letzten Jahren vom schlichten Telefon zum umfassend ausgestatteten Multimedia-Terminal entwickelt. Mit den technischen Möglichkeiten steigen jedoch die Anforderungen an die mobilen Geräte und an das Übertragungsnetz. Derzeit bieten die deutschen Netzbetreiber um Anteile an 360 MHz Spektrum, um ihren Kunden zukünftig höhere Datenraten anbieten zu können. Zum Jahresende werden die ersten Netzbetreiber dazu voraussichtlich neben den derzeit üblichen Mobilfunkstandards GSM und UMTS den nächsten Standard für die mobile Kommunikation einsetzen: LTE ("long term evolution", Version 8). Unternehmen und Forschungsinstitute haben aber bereits eine LTE-Advanced-Initiative gestartet. Sie arbeitet derzeit an Konzepten für die mobile Kommunikation, die den Ansprüchen der übernächsten Generation der drahtlosen Konnektivität gerecht werden.
EASY-C ist ein von Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) co-finanziertes Forschungsprojekt, das von der Deutschen Telekom und Vodafone geführt und vom Inhaber des Vodafone Lehrstuhls Mobile Nachrichtensysteme an der TU Dresden, Prof. Gerhard Fettweis, in Kooperation mit Prof. Holger Boche vom Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik Heinrich-Hertz-Institut (HHI) Berlin koordiniert wird. Das Projektkonsortium umfasst zwölf weitere Partner aus der Industrie: Halbleiter-und Systemhersteller, Zulieferer und sowohl Hardware als auch Software-Provider sowie Regulatoren. Dazu gehören u.a. Alcatel-Lucent, Ericsson, Kathrein, Comneon, Signalion, Actix und die Bundesnetzagentur (BNetzA). Mehr Informationen unter www.easy-c.de.
Informationen für Journalisten:
Vodafone Stiftungslehrstuhl Mobile Nachrichtensysteme der TU
Dresden,
Prof. Gerhard Fettweis, Patrick Marsch,
Tel.: 0351 463-41010,