06.11.2007
Findest du eigentlich, dass ich zu dick bin?
Ständig kreisen die Gedanken der 20-jährigen Studentin ums Essen. Sie erlebt sich selbst als zu dick und hat den Wunsch, dünner zu werden; ihr Selbstwertgefühl ist zu großen Teilen über ihre Figur, ihr Gewicht definiert; entsprechende Bemerkungen von Bekannten lösen schon mal Panikanfälle aus. Als sich dadurch noch Heißhungerattacken einstellen, die sie mit Erbrechen nach dem Essen ungeschehen macht, vertraut sie sich ihrem Hausarzt an, der sie an die Tagesklinik für Essstörungen der TU Dresden vermittelt hat.
Ein Ziel der Tagesklinik für Essstörungen ist es, so erläutert Prof. Corinna Jacobi, Leiterin der klinischen Einheit und Inhaberin der Götz-Stiftungsprofessur für Grundlagen und Interventionen bei Essstörungen und assoziierten Störungen, innovative Behandlungskonzepte zu etablieren und gleichzeitig zu evaluieren. Galt bisher ein Konzept für ideal, das die Patienten an fünf bis sechs Tagen pro Woche fast durchgängig betreute, so testet die Dresdner Klinik seit etwa zwei Jahren auch alternative Regimes, in dem die Patienten nur vier Tage pro Woche ab 11 Uhr therapiert werden, den Rest der Zeit jedoch zu Hause verbringen. So bleibt Zeit, die gelernten Strategien gegen die Essstörung auch im normalen Alltag zu erproben.
Neu ist an dem tagesklinischen Konzept vor allem der pragmatische Anteil. Der normale Umgang mit dem Essen soll wieder geübt, feste Mahlzeitenstrukturen eingehalten werden. Eine Ernährungswissenschaftlerin begleitet und berät die Patienten bei ihrer Therapie; sie gehen zusammen Lebensmittel einkaufen und kochen auch gemeinsam. Ein wichtiger Teil des Gesamtkonzepts ist auch das gemeinsame Essen der Patienten im Restaurant.
Die Nachfrage nach der Behandlung ist in den letzten zwei Jahren kontinuierlich angestiegen; 45 Patienten haben das neue Therapiekonzept der Tagesklinik bereits in Anspruch genommen. Viele haben zuvor bei ihren Eltern oder einem Arzt Hilfe gesucht. In der Tagesklinik werden sie während einer vier Wochen dauernden Phase für eine Behandlung motiviert und auf das Therapiekonzept vorbereitet. Die acht Wochen dauernde Therapie schließt sich an: sie ist eine Mischung aus einem dichten Programm von Gruppentherapien, Ernährungsberatung und Einzeltherapie, die eine Veränderung der Symptome und der zugrundeliegenden Problembereiche erreichen soll. In anderen Gruppen trainieren die Patienten ihre Selbstsicherheit, ihre Körperwahrnehmung; in zusätzlichen Einzeltherapien wird die Akzeptanz des eigenen Körpers gestärkt. In der Regel werden die Patienten auch danach therapeutisch weiterbetreut, ihre Fortschritte am Institut für Klinische Psychologie der TU Dresden weiter evaluiert. Die kostendeckende Behandlung ist ein weiteres Ziel, das in nächster Zeit erreicht werden soll.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Corinna Jacobi
TUD-Fakultät Mathematik und Naturwissenschaften
Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie
Tel.: 0351 463-38573