27.03.2014
FANTOM5 – eine Struktur zur Definition von Zelltypen
Nach Jahren der Gemeinschaftsarbeit von mehr als 250
Forschern in 114 Laboren in mehr als 20 Ländern veröffentlicht
das FANTOM-Konsortium heute wegweisende Studien in „Nature“ und
neun weiteren Fachzeitschriften. Die in „Nature“ publizierten
Studien beschreiben eine Karte der im menschlichen Genom
kodierten Promotoren, die die regulierte Ausprägung eines Gens
ermöglichen, und Enhancer, die DNA-Sequenz verstärkt das
Ablesen eines Gens, sowie deren Aktivität quer durch den
riesigen Reichtum an Zelltypen und Gewebe des menschlichen
Körpers. An dieser Gemeinschaftsarbeit war unter anderem Dr.
Carlo Vittorio Cannistraci, Forschungsgruppenleiter am
Biotechnologischen Zentrum der TU Dresden (BIOTEC), beteiligt,
der als biomedizinischer Kybernetiker aus den vielen Daten
theoretische Strukturen geschaffen hat. (Link zu den Studien in
„Nature“: http://dx.doi.org/
10.1038/nature13182 )
Das FANTOM-Projekt – der Name setzt sich zusammen aus
„functional annotation of the mammalian genome“ – ist eine 2000
gegründete RIKEN-Initiative, um einen kompletten Gen-Katalog
mit komplementären DNA-Technologien aufzubauen (http://fantom.gsc.riken.jp). Dieser
Aufwand führte in der fünften Phase der Geschichte der
Initiative zum Erfolg und lieferte den ersten ganzheitlichen
Überblick auf ein transkriptionelles, regulatorisches
Netzwerkmodell für die Mehrzahl von Zelltypen, die den
Menschen ausmachen. Um diese Arbeit überhaupt leisten zu
können, haben die Organisatoren von RIKEN ein
multidisziplinäres Netzwerk von Experten der
Primärzellbiologie und Bioinformatik
zusammengebracht.
Die Experimente beruhen auf der von RIKEN entwickelten
Technologie „CAGE“ (Cap Analysis of Gene Expression), die eine
exzellente Sensorempfindlichkeit mit unvoreingenommenen
Ergebnissen in diesem großangelegten Projekt ermöglichte.
Mit dem außergewöhnlichen Aufwand an Probensammlungen und der
einzigartigen Technologie konnten die Wissenschaftler über
180.000 Promoter und 44.000 Enhancer auf dem Genom quer durch
180 menschliche Primärzellen identifizieren. Die größte Anzahl
der Regionen transkriptionaler Regulation ist hochgradig
spezifisch für einen Zelltyp.
“Wir haben komplexe vielzellige Organismen aus mindestens 400
verschiedenen Zelltypen gebildet. Diese wunderbare Vielfalt an
Zelltypen erlaubt uns Menschen zu sehen, zu denken, zu hören,
uns zu bewegen sowie gegen Infektionen zu kämpfen, und dennoch
liegen alle Zelltypen in demselben Genom verschlüsselt vor. Der
Unterschied zwischen allen diesen Zellen besteht in dem Teil
des Genoms, den sie nutzen. Beispielsweise nutzen Gehirnzellen
andere Gene als Leberzellen, weshalb sie verschieden arbeiten.
Das FANTOM5-Konsortium hat zu Beginn systematisch exakt
untersucht, welche Gene in nahezu allen Zelltypen quer durch
den menschlichen Körper genutzt werden sowie die Regionen, die
festlegen, wo die Gene vom Genom abgelesen werden“, sagte Dr.
Alistair Forrest, wissenschaftlicher Koordinator von
FANTOM5.
Im Gegensatz zu anderen Genomprojekten dieser Größe hat sich
das Team auf normale Primärzellen konzentriert, vor allen
Zell-Linien - abgeleitet vom Krebs. Zell-Linien sind einfach zu
nutzen und sie stellen selten gute Modelle für normale Zellen
dar.
Eine Schlüsselentdeckung war, dass mit derselben Technologie,
die genutzt wird, um aktive Gene zu finden, das Team
zusätzliche DNA-Regionen identifizieren konnte, die die
Aktivität von Genen in jedem Zelltyp regulieren. Diese heißen
Enhancer. “Unsere Methode ist sehr viel spezifischer als andere
Methoden und kann sogar für kleine Zellproben angewandt werden.
Das birgt ein großes Potential, weil wir hiermit Gewebeproben
erkrankter Menschen nutzen können, um herauszufinden, was auf
molekularer Ebene anders, also falsch läuft“, erläutert
Professor Albin Sandelin, einer der Koordinatoren des
Encancer-Projekts.
„FANTOM5 hat eine Fernwirkung auf die Wissenschaft. Es war
nicht nur Biologen aufregend, sondern stellte auch für
Berechnungswissenschaftler, biomedizinische Ingenieure und
Mathematiker ein bewegendes Abenteuer dar, die die meisten
hochentwickelten Berechnungsansätze auflegten, um aus den
gewonnenen Daten einen Sinn herzustellen und, wenn immer der
Ansatz nicht effektiv war, neue Algorithmen designten“,
berichtet Dr. Carlo Vittorio Cannistraci vom BIOTEC. „Der Reihe
nach eröffneten sich neue theoretische Fragen, auch für die
rechnergestützte Wissenschaft. Ich schätze, dass ein großer
Teil der versteckten Informationen der FANOTOM5-Daten in den
kommenden Jahren noch gewonnen werden wird.“
„Was steht in dem Genom geschrieben? Das war unser oberstes
Ziel, seitdem wir das Konsortium gegründet haben. Die
Basisbibliothek der Zelldefinition, die mit FANTOM5 konzipiert
wurde, ist ein bedeutender Schritt für das Verständnis des
Lebens. Die Bibliothek wird eine entscheidende Ressource für
die Entwicklung regenerativer medizinischer Techniken in naher
Zukunft sein“, ist sich Dr. Yoshihide Hayashizaki,
FANTOM-Generaldirektor, sicher.
Publikationen:
- Forrest A.R.R. et al. A promoter level mammalian expression atlas. Nature http://dx.doi.org/ 10.1038/nature13182.
- Andersson, R. et al. An atlas of active enhancers across human cell types and tissues. Nature http://dx.doi.org/10.1038/nature12787.
- The list of the articles will be available on FANTOM5 web site: (http://fantom.gsc.riken.jp/papers/)
- Kanamori-Katayama, M. et al. Unamplified cap analysis of gene expression on a single-molecule sequencer. Genome Res. 21, 1150–1159 (2011).
Foto:
Zu Arbeitstreffen kamen die Forscher des FANTOM-Konsortiums, an
dem mehr als 250 Forschern in 114 Laboren in mehr als 20
Ländern beteiligt waren, regelmäßig zusammen, um die Struktur
zur Definition von Zelltypen zu schaffen. Foto: RIKEN
Informationen für Journalisten:
Dr. Alistair Forrest steht für englischsprachige Interviews am
Telefon oder per E-Mail zur Verfügung. Bitte vereinbaren Sie
per E-Mail einen Zeitpunkt für ein Telefonat.
Dr. Yoshihide Hayashizaki, Director
RIKEN Preventive Medicine and Diagnosis Innovation
Program
Weitere Informationen:
Juliette Savin
RIKEN
Tel: +81-(0)48-462-1225
Handy: +81-(0)80-8895-2136
Pressekontakt für den Dresdner Beitrag des BIOTEC an der
Gemeinschaftsarbeit des Konsortiums:
Birte Urban-Eicheler
Pressesprecherin Biotechnologisches Zentrum der TU Dresden
(BIOTEC)
Tel.: 0351 458-82065
RIKEN ist Japans größtes Forschungsinstitut für Grundlagen- und
angewandte Forschung. Mehr als 2.500 Studien veröffentlichen
RIKEN-Forscher jedes Jahr in führenden wissenschaftlichen und
technologischen Fachzeitschriften und decken damit ein breites
Spektrum an Disziplinen ab einschließlich Physik, Chemie,
Ingenieurswesen und medizinische Wissenschaft. Das
Forschungsumfeld, der große Schwerpunkt auf interdisziplinärer
Zusammenarbeit und Globalisierung haben dem Institut weltweit
ein Renommee für exzellente Forschung eingebracht.
www.riken.jp/en
Das Biotechnologische Zentrum (BIOTEC) wurde 2000 als zentrale
wissenschaftliche Einrichtung der Technischen Universität
Dresden mit dem Ziel gegründet, modernste Forschungsansätze in
der Molekular- und Zellbiologie mit den in Dresden traditionell
starken Ingenieurswissenschaften zu verbinden. Innerhalb der TU
Dresden nimmt das BIOTEC eine zentrale Position in Forschung
und Lehre mit dem Schwerpunkt „Molecular Bioengineering und
Regenerative Medizin“ ein. Es trägt damit entscheidend zur
Profilierung der TU Dresden im Bereich moderner Biotechnologie
und Biomedizin bei. Die Forschungsschwerpunkte der
internationalen Arbeitsgruppen bilden die Genomik, die
Proteomik, die Biophysik, zelluläre Maschinen, die
Molekulargenetik, die Gewebezüchtung und die
Bioinformatik.
www.biotec.tu-dresden.de