06.11.2024
Forschende entdecken extrem gefräßiges Schwarzes Loch aus der Zeit kurz nach dem Urknall
Einem internationalen Forschungsteam ist eine äußerst ungewöhnliche Entdeckung in den Tiefen des Alls gelungen. Mit dem James Webb Space Telescope (JWST) fanden sie ein schnell wachsendes, supermassereiches Schwarzes Loch in einer sehr frühen Phase des Universums kurz nach dem Urknall. Das „LID-568“ getaufte Objekt wirft aufgrund seiner höchst ungewöhnlichen Natur grundlegende Fragen zum bisherigen Verständnis von supermassereichen Schwarzen Löchern auf. Das Forschungsteam berichtet über seine Erkenntnisse in einem aktuellen Beitrag im Fachmagazin „Nature Astronomy“.
Die insgesamt 16 Forschenden unter der Leitung von Dr. Hyewon Suh und Prof. Dr. Günther Hasinger, Exzellenzprofessor an der TU Dresden und leitender Wissenschaftler bei DESY sowie designierter Gründungsdirektor des Deutschen Zentrums für Astrophysik in der Lausitz, richteten ihren Blick mit Hilfe des JWST auf eine kleine Region am Himmel wo sie eine auffällige Ansammlung von Objekten fanden, die sehr hell im Röntgenbereich strahlten, aber im optischen und infraroten Bereich kaum oder fast unsichtbar waren. Mit Hilfe der spektroskopischen Instrumente des JWST fanden die Forschenden heraus, dass es sich um eine von Staub verhüllte neue Population supermassereicher Schwarzer Löcher im frühen Universum handelt. Eines dieser Objekte, ein winziger Punkt weniger als 1,5 Milliarden Jahre nach dem Urknall entdeckt, stach besonders heraus: LID-568. Dabei handelt es sich um ein supermassereiches Schwarzes Loch mit einer Masse von etwa zehn Millionen Sonnen. LID-568 hebt sich aufgrund seiner intensiven Röntgenstrahlung und seiner ungewöhnlich hohen und in diesem Ausmaß unbekannten Aufnahme von Materie – Akkretionsrate genannt – von bisherigen Entdeckungen ab.
DZA-Gründungsdirektor Professor Günther Hasinger, ist begeistert von dieser Entdeckung:
„Dies ist das erste Mal, dass eine Galaxie im frühen Universum entdeckt wurde, die ihr zentrales massereiches Schwarzes Loch dramatisch überfüttert: mehr als 40-mal so viel, wie es eigentlich fressen dürfte. Ob damit das Rätsel der vom James Web Space Telescope entdeckten frühen Galaxien und Schwarzen Löcher gelöst werden kann, steht noch in den Sternen. Jedenfalls zeigt es, dass dieses Teleskop unser Verständnis des frühesten Universums grundlegend verschiebt.“
Forschungsgruppenleiterin Dr. Hyewon Suh vom International Gemini Observatory/NSF NOIRLab, Hawaii (USA): „Die Entdeckung eines Schwarzen Lochs in einer extremen Akkretionsphase im frühen Universum – eines bislang unerforschten Typs von Schwarzen Löchern – eröffnet spannende Möglichkeiten für die Erforschung der Entstehung Schwarzer Löcher. Die weitere Untersuchung wird unschätzbare Einblicke in die frühen Phasen des Wachstums Schwarzer Löcher liefern."
Dass Schwarze Löcher strahlen, ist nicht ungewöhnlich. Aber wie hell sie maximal leuchten können, hat mit der Akkretionsrate zu tun. Die ist durch die „Eddington-Grenze“ beschränkt, an der die Strahlung das Ansaugen von Materie theoretisch stoppen müsste. Das Besondere an LID-568 ist dessen außergewöhnlich hohe Aktivität, Materie anzusaugen – und das in einer frühen Phase des Universums, als auch erste Galaxien entstanden sein müssen. Der Hunger von LID-568 ist 40-mal so hoch wie Theorien ihn maximal beschreiben. Damit überschreitet es die „Eddington-Grenze“ – daher sprechen Forschende von einer „Super-Eddington-Akkretion“.
Hintergrund: Schwarze Löcher
Schwarze Löcher können am Ende eines Sternenlebens entstehen, dann wenn der Stern aufhört, zu leuchten. Sie können aber auch aus Kollisionen von ganzen Galaxien hervorgehen. Sie besitzen durch ihre große Masse so viel Anziehungskraft, dass sich nichts von ihnen wegbewegen kann. Nicht einmal mit Lichtgeschwindigkeit (300.000 km/s) gibt es ein Entkommen. Auch in der Mitte unserer Galaxie, der Milchstraße, liegt ein supermassereiches Schwarzes Loch. Es heißt Sagittarius A* (sprich: Sagittarius A Stern) und befindet sich im Sternbild Schütze. Seine Masse ist etwas weniger als vier Millionen Sonnen. Für dessen Entdeckung erhielten die Teams um die Forscherin Andrea Ghez und den deutschen Astrophysiker Reinhard Genzel im Jahr 2020 den Nobelpreis für Physik.
Kontakt:
TU Dresden
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Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY
Dr. Thomas Zoufal, Pressesprecher
Tel.: +49 (0)40 8998 1666
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