Jun 06, 2011
Freundschaft erforschen
Freundschaft ist ein aktuelles Forschungsfeld. „In Zeiten des Zerfalls der Familie tritt Freundschaft immer mehr in den Mittelpunkt der Gesellschaft“, sagt Prof. Marina Münkler. Deshalb will die Literaturwissenschaftlerin in einem neuen Teilprojekt am SFB 804 die Bedeutsamkeit von Freundschaft für Gemeinsinnigkeit und Gesellschaft erforschen.
Im Forschungsprojekt wird dabei aber nicht heutige Freundschaft betrachtet. „Wir wollen vielmehr zeigen, dass Freundschaft eine Geschichte hat“, sagt Münkler und erklärt, dass in der Geschichte Freundschaft nicht immer dasselbe bedeutet hat, es aber stets Gemeinsames gab. „Diese Dopplung von Gemeinsamkeiten und Veränderungen macht das Thema Freundschaft für mich so interessant.“
Den Kern der Forschung in dem literaturwissenschaftlichen Teilprojekt bilden Erzählungen von Freundschaft in der Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts. Gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen will Marina Münkler anhand von Romanen, Heldenepen und Legenden herausfinden, wie Freundschaft Gemeinsinn stiftet. Zunächst aber soll der antike Freundschaftsdiskurs analysiert werden. Denn dieser wird als wichtige Grundlage für die Erzählungen des Mittelalters betrachtet. „In den ersten beiden Jahren unserer Forschungsarbeit werden wir uns zum Beispiel mit Aristoteles und Cicero beschäftigen“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Natürlich ist es dabei wunderbar, wenn man diese Themen auch über Fächergrenzen hinweg diskutieren kann“, lobt Marina Münkler die Möglichkeiten zur interdisziplinären Forschung. Aus diesem Grund freut sich auch Prof. Hans Vorländer, Sprecher des Sonderforschungsbereiches, über das neue Forschungsprojekt. Er betont, dass der SFB 804 mit seinen nun 21 Teilprojekten der größte geistes-, sozial- und kulturwissenschaftliche Sonderforschungsbereich Deutschlands ist. „Damit behaupten die Dresdner Geisteswissenschaften ihren Platz in der sächsischen und internationalen Forschungslandschaft“, sagt Vorländer.
Münkler will mit ihrer Forschung zur Freundschaft in mittelalterlichen Texten eine Forschungslücke schließen. „Die Literaturwissenschaft hat bisher vor allem Liebe im Mittelalter erforscht, der Freundschaft haben sich eher die Historiker gewidmet.“ Die Germanistin will das ändern und dabei hinterfragen, was bisher als selbstverständlich angenommen wurde. So gilt die Erzählung von Tristan und Isolde als die Liebesgeschichte des Mittelalters. „Dabei ist der ‚Tristan‘ des Gottfried von Straßburg zunächst die Erzählung einer innigen Freundschaft zwischen Tristan und König Marke, die Figur der Isolde taucht erst an späterer Stelle auf.“
Ein anderes Beispiel ist für Münkler die berühmte Legende
„Engelhard“ Konrads von Würzburg. „In der Forschung wird häufig
einfach davon ausgegangen, dass Konrads Freundschaftskonzeption
auf Cicero zurückgehe“, erklärt sie. „Wir wissen aber nicht, ob
diese Verbindung existierte, ob Konrad von Würzburg überhaupt
lateinische Quellen rezipiert hat.“
Marina Münkler ist seit Januar 2010 Professorin für Ältere und frühneuzeitliche Literatur und Kultur am Institut für Germanistik der TU Dresden. Die Universität warb mit der Germanistin Fördergelder aus dem Professorinnenprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ein, die nun für weitere Gleichstellungsmaßnahmen an der TU Dresden genutzt werden können. Gleichstellungsarbeit, die auch der neuen – und damit dritten Teilprojektleiterin im SFB 804 – wichtig ist, „damit selbstverständlich wird, dass Frauen auch auf der Leitungsebene arbeiten“, so Marina Münkler.
Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft forschen
seit Juli 2009 knapp 100 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler der Philosophischen Fakultät, der Fakultät
Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften sowie der
Fakultät Architektur gemeinsam mit Kollegen der italienischen
Universitäten Turin und Matera sowie der Universität Zürich
unter der gemeinsamen Leitfrage: Welche Voraussetzungen,
Bedingungen und Ressourcen sind notwendig für die
Konstituierung und Stabilität von sozialen und politischen
Ordnungen?
Marina Münkler steht gern für Interviews zur Verfügung. Ebenso kann auf Anfrage Bildmaterial zur Verfügung gestellt werden.
Weitere Informationen zum Sonderforschungsbereich unter www.sfb804.de.
Informationen für Journalisten:
Nick
Wagner
Tel.: 0351 463-33914
Nick Wagner
6. Juni 2011