12.03.2019
Fünf Stunden in der Stratosphäre
TUD-Hochschulgruppe STAR ist mit zwei Experimenten am Flug zweier Gondeln bis in 25 km Höhe beteiligt
Beate Diederichs
Das Interesse für die Raumfahrt eint sie alle: Studenten der Luft- und Raumfahrttechnik, Studenten anderer Maschinenbau- Spezialisierungen, angehende Ingenieure der Elektrotechnik, zukünftige Physiker und Mechatronikstudenten. Einige befinden sich noch am Anfang des Studiums, andere stehen kurz vor der Abschlussarbeit. »Wir wollen uns bei Raumfahrt-Projekten austoben und dabei lernen«, sagt Rico Nerger, der erste Vorsitzende von STAR. Er studiert Luft- und Raumfahrttechnik im fünften Semester. Nils Hensch, einer der weiteren rund zwanzig STAR-Mitglieder und Teamleiter für eines der beiden BEXUS-Experimente, ist im selben Studiengang eingeschrieben, im siebenten Semester.
STAR gründete sich Anfang 2018, weil sich eine Gruppe raumfahrtbegeisterter Studenten – unter ihnen ist auch eine junge Frau – zusammengefunden hatte, um sich mit einem Experiment für eine ähnliche Plattform wie BEXUS zu bewerben: für REXUS (Rocket Experiment for University Students). »Mittlerweile sind wir zu einer tollen Truppe zusammengewachsen, die sich auch abseits der gemeinsamen Arbeit füreinander einsetzt. Wir helfen uns gegenseitig bei der Prüfungsvorbereitung und verbringen einen Teil unserer Freizeit zusammen«, berichtet Nils Hensch. STAR möchte demnächst den Status eines gemeinnützigen Vereins annehmen. »Trotzdem wollen wir studentisch und unabhängig bleiben. Bei uns sollen weiterhin die Mitglieder bestimmen können, welche Projekte wir bearbeiten und wie wir das tun«, betont Rico Nerger.
Nun arbeitet STAR zum zweiten Mal an Projekten für eine Experimentierplattform: Erstens an »Gamma Volantis «, einem Feldtest eines Ozon- und eines Feuchtigkeitssensors, die das Institut für Luft- und Raumfahrttechnik der TUD (ILR) entwickelt hat. Zweitens an »OOXYGEN«, einem Feldtest für einen am Institut für Angewandte Physik (IAP) geschaffenen Sauerstoffsensor. STAR kooperiert dabei mit den beiden Instituten und mit der Bitzer-Professur für Kälte-, Kryo- und Kompressorentechnik. Bei BEXUS selbst wird dann im Oktober bei zwei Starts jeweils eine Gondel von rund einem Kubikmeter Größe vom Weltraumbahnhof Esrange im nordschwedischen Kiruna für etwa fünf Stunden fünfundzwanzig Kilometer hoch in die Erdatmosphäre steigen. Die beiden Gondeln werden gemeinsam neun Experimente europäischer Studenten an Bord haben, darunter die beiden von STAR. In den fünf Stunden werden die drei Sensoren von STAR in der Gondel getestet und Messreihen erstellt, wobei die STAR-Abordnung in der Bodenstation die Experimente teilweise steuern kann. »In der Gondel herrschen extreme Bedingungen: Es ist sehr kalt da oben, der Druck ist niedrig, die zu erwartenden Mess-Signale sind sehr klein, und es gibt viele Störeinflüsse «, erläutern die beiden Studenten die Schwierigkeit der Experimente. Wenn die Versuche erledigt sind, schwebt die Gondel an einem Fallschirm wieder zur Erde herab. Während der fünf Stunden hat sie – wenn alles so klappt wie geplant – genügend Daten an die Auswertenden gesendet, die diese dann analysieren können.
Die Experimente vorzubereiten, ist für die Studenten sehr zeitaufwändig. Rund zehn bis 20 Stunden wöchentlich arbeiten die Mitglieder von STAR im Durchschnitt daran. Nils Hensch absolviert sogar sein Forschungspraktikum im Rahmen des Projekts und schreibt in diesem eine große Belegarbeit zu den Experimenten innerhalb von »Gamma Volantis«. »Viele von uns konnten die Experimente auf die eine oder andere Art mit ihrem Studium verbinden«, sagt er. Im vergangenen Herbst hat STAR mit den Vorbereitungen begonnen. Die Experimente haben soeben die erste Kontrolle der BEXUS-Experten bestanden und werden im Mai einer zweiten unterzogen werden, die dann »Critical Design Review« (CDR) heißt. »Das ist gewissermaßen die Endabnahme der Entwürfe für die Experimente. Wenn wir die bestehen, wissen wir: die Experten sind der Meinung, unsere Experimente werden wahrscheinlich funktionieren. Ändern dürfen wir dann an den Entwürfen allerdings nichts mehr«, erläutert Rico Nerger. Dies sei gängige Praxis in der Raumfahrt, fügen die beiden Studenten hinzu, und bereite schon aufs Berufsleben vor, wenn man in dieser Branche arbeiten wolle. Nach den – hoffentlich aufschlussreichen – Experimenten im kommenden Herbst geben die Studenten die Sensoren zusammen mit den gewonnenen Daten wieder an die Institute zurück. Diese entwickeln sie weiter, bis sie irgendwann in der Zukunft marktreif sind. Einen Ozonsensor kann man zum Beispiel zum Sterilisieren einsetzen, wenn man Mikroelektronik herstellt, einen Sauerstoffsensor bei der Optimierung von Verbrennungsprozessen wie im Motor eines Autos. STAR wird sich, wenn die Sensoren übergeben sind, weiteren, ähnlichen Projekten zuwenden. »Alle, die sich für Raumfahrt interessieren, können uns natürlich jederzeit auch persönlich kennenlernen: zum Beispiel im Mai bei der Präsentation der Hochschulgruppen am dies academicus und im Juni bei der Langen Nacht der Wissenschaften. Innerhalb letzterer stellen wir unsere Projekte im Makerspace der SLUB vor«, so Rico Nerger und Nils Hensch.
Weitere Informationen:
star-dresden.de
Die Experimentierplattformen REXUS/BEXUS werden vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der schwedischen Raumfahrtbehörde SNSA organisiert.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 05/2019 vom 12. März 2019 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.