06.06.2008
Eine sozialwissenschaftliche Fussballschule
Eine Gruppe von Wissenschaftlern am Institut für Sozialpädagogik, Sozialarbeit und Wohlfahrtswissenschaften der TU Dresden hat, ausgehend von einer Ringvorlesung zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006, ein Netzwerk "Sozialwissenschaft und Fußball" aufgebaut. Hier sind entsprechende wissenschaftliche Studien sowie Projektberichte aus dem Fanbereich daraufhin ausgewertet und diskutiert worden, wie sich über den Fußball nicht nur gesellschaftliche Probleme vermitteln, sondern auch, wie die Erlebniswelt Fußball bei vielen Menschen die Alltagswelt prägt: "Fußball als die herrlichste Hauptsache der Welt". Ihre Ergebnisse haben die Dresdner Forscher nun in dem Buch "Doppelpässe. Eine sozialwissenschaftliche Fußballschule" vorgestellt.
Hier zeigt sich, dass der Fußball zwar nicht die ganze Welt, aber doch ein Spiegel vieler Strömungen ist, die diese Welt und unser Empfinden in ihr bewegen. In diesem Sinne sollen die Leser und Leserinnen angeregt werden, über den Fußball gleichsam in einem Doppelpassspiel einen Zugang zu sozialpsychologischen und soziologischen Themen wie zu pädagogischen Problemen zu finden. Der Fußball führt uns im thematischen Spektrum des Buches in die sozial entrückte Welt der Globalisierung, der aufbrechenden Rassismen und neuen religiösen Inszenierungen. In seinem Umfeld machen sich die Dynamiken sozialer Ausgrenzung und die Sehnsüchte nach Zugehörigkeit und Halt bemerkbar. Er präsentiert sich als ein Mikrokosmos, der nicht nur das Spiel und die Spieler, sondern genauso die Fans und Zuschauer und ihre Alltagswelten umfasst.
So wie die Gesellschaft sich in den Jahrzehnten entwickelt hat, haben diese Entwicklungen auch im Fußball ihre Spuren hinterlassen. Es ist ein schnelles Spiel der entscheidenden Augenblicke geworden, der digitalen Welt der neuen Medien angepasst. Entsprechend sehen wir, wie Fußball heute medial inszeniert wird und wie sich beispielsweise im modernen System der Raumdeckung ein Wandel in der Wahrnehmung sozialer Wirklichkeit spiegelt, wie wir ihn auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen erleben.
Deutlich machen die Sozialwissenschaftler in ihrem Buch auch, wie es beim Fußball um soziale Integration steht. Ob es nun die "Ausländerfrage" ist, welche die Gemüter des nationalen Spiels beherrscht oder die Erfahrung, wie eng Aufstieg und Abstieg der eigenen Mannschaft bei vielen Fans mit dem eigenen Status verknüpft sind. Und schließlich gibt es wohl kaum einen gesellschaftlichen Bereich, in dem sich die Geschlechterfrage besser thematisieren ließe als in dem des Fußballs, der inzwischen auch viele Frauen anzieht.
Rautenberg, Michael/Tillmann, Angela/Böhnisch, Lothar (Hrsg.)
Doppelpässe. Eine sozialwissenschaftliche Fußballschule.
Weinheim und München: Juventa 2008, 292 S., 22 Euro.
ISBN 978-3-7799-1739-7
Autor: Martin Morgenstern
Informationen für Journalisten:
Michael Rautenberg,
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