19.11.2012
Gen-Schalter für Neubildung von Nervenzellen im Zebrafisch entdeckt
Wissenschaftler des DFG-Forschungszentrums für Regenerative
Therapien Dresden – Exzellenzcluster an der TU Dresden (CRTD)
haben ein neues Gen identifiziert, dass die Regeneration von
neuronalen Zellen bei Zebrafischen nach schweren traumatischen
Gehirnverletzungen steuert. Das Gen Gata3 fungiert quasi als
ein Hauptschalter, der erst umgelegt werden muss, damit die
Zellneubildung überhaupt eingeleitet werden kann. Dieses Gen
könnte den fundamentalen Unterschied zwischen dem adulten
Gehirn eines Wirbeltieres und eines Säugetieres wie dem
Menschen ausmachen. Denn im Gegensatz zum Zebrafisch kann das
menschliche Gehirn nach schwerwiegenden Verletzungen wie
Traumata praktisch keine zerstörten Nervenzellen mehr neu
bilden, so dass die betroffenen Gehirnareale dauerhaft
geschädigt bleiben. (Developmental Cell 2012,
0.1016/j.devcel.2012.10.014)
Schritt für Schritt entschlüsselt die Arbeitsgruppe des
Dresdner Entwicklungsbiologen Professor Michael Brand, wie
erwachsene Zebrafischgehirne nach einer Verletzung regenerieren
können - eine phantastische Fähigkeit, die Gehirne von
Säugetieren leider nicht besitzen: Im ersten Schritt konnten
die Forscher zeigen, dass selbst schwerwiegende
Gehirnverletzungen in erwachsenen Zebrafischen nicht zu einer
chronischen Narbenbildung führen, im Gegensatz zum Menschen.
Darüber hinaus konnten sie erstmals die Stammzellen
identifizieren, die für die Regeneration von Nervenzellen im
Zebrafischgehirn verantwortlich sind, (Development 2011, DOI
10.1242/dev.072587). Im November 2012 wies die Dresdner
Arbeitsgruppe nach, dass Entzündungsreaktionen beim Zebrafisch
notwendig sind, damit verlorene Nervenzellen nach
Gehirnverletzungen durch die Aktivierung der neuralen
Stammzellen ersetzt werden können. Dies war ein überraschendes
Ergebnis, da seit Jahrzehnten in der Medizin darüber diskutiert
wird, ob die Reaktion des Immunsystems nach Verletzungen des
zentralen Nervensystems eher den Heilungsprozess fördert oder
diesen verhindert (Science 2012, DOI 10.1126.science.1228773).
Welches Gen startet den Regenerationsprozess im Fischgehirn?
Dieser Frage ging die Arbeitsgruppe in einer Forschungsarbeit
nach, die aktuell in dem amerikanischen Magazin Developmental
Cell publizierte wurde.
Systematisch wurde auf molekularer Ebene nach Genen gesucht, die nach Gehirnverletzungen angeschaltet werden. „Gata3 ist ein sogenannter Transkriptionsfaktor“, erläutert Professor Michael Brand. „Es handelt sich um ein Protein, das quasi als Hauptschalter funktioniert und sehr viele andere Gene im Regenerationsprozess steuert. Es steht am Beginn einer Kaskade von molekularen Abläufen und ist für Neubildung von Nervenzellen im Zebrafischgehirn essentiell.“ Wurde Gata3 hingegen blockiert, war eine Regeneration der Nervenzellen nicht möglich. Die Wissenschaftler konnten unterm Mikroskop beobachten, dass Gata3 früh nach einer Verletzung des Gehirns angeschaltet wird, um den Neubildungsprozess von Nervenzellen zu starten. Im gesunden Gehirn ist es hingegen inaktiv.
„Dieses Gen hat verschiedene Funktionen“, fand Dr. Caghan Kizil, Wissenschaftler in der Dresdner Arbeitsgruppe von Professor Brand, heraus. Zum einen steuert Gata3 in den neuronalen Stammzellen nach Verletzungen im Fischgehirn die Zellteilung. Es schafft somit eine direkte Verbindung zwischen der Verletzung und der Zellneubildung. Zum anderen wirkt das Protein Gata3 auch in neugebildeten Nervenzellen. Es steuert die Migration, das heißt, es gibt das Signal, damit sich die neugebildeten Nervenzellen innerhalb des Zebrafischgehirns an die verletzte Stelle überhaupt hinbewegen, wo sie dann die zerstörten Areale ersetzen.
Darüber hinaus konnten die Dresdner Wissenschaftler zeigen, dass Gata3 nicht nur das Starter-Gen bei der Regeneration von Nervenzellen, sondern auch bei der Regeneration von Zellen nach Herz- sowie Flossenverletzungen ist. Gata3 spielt also beim Zebrafisch eine zentrale Rolle bei der Regenerationsfähigkeit verschiedener Organe.
Aufgrund ihrer gemeinsamen evolutionären Abstammung sind Gene und molekulare Mechanismen zwischen Fisch und Mensch hoch konserviert. Als Modellorganismus ist der Fisch deshalb sehr gut geeignet, neben genetischem Basiswissen auch mehr über menschliche Krankheiten herauszufinden. Das Wissen um die Mechanismen der Selbstheilung bei Zebrafischen könnte deshalb in Zukunft dazu beitragen, neue therapeutische Ansätze bei Krankheiten und Verletzungen des Gehirns zu entwickeln.
Foto: Im Vorderhirn des erwachsenen Zebrafisches befinden sich die Zellen, in denen das Gen Gata3 (rot) angeschaltet ist, sowohl direkt am Gehirnventrikel (Bereich der neuralen Stammzellen) als auch in tieferen Gehirnschichten (Bereich der Nervenzellen, grün). Die neugebildeten Zellen sind markiert und zeigen, dass sich viele der Gata3-positiven Zellen vor kurzem geteilt haben (c yam markiert). ©CRTD/Kizil und Brand
Informationen für Journalisten:
Birte Urban-Eicheler
Pressesprecherin CRTD/DFG-Forschungszentrum
für Regenerative Therapien Dresden – Exzellenzcluster an der TU
Dresden
Tel.: 0351 458-82065
http://www.crt-dresden.de