16.07.2012
Vom Bleistift zum Diamanten – Wie aus Kohlenstoff superharter Graphit entsteht
Diamanten, Bleistiftminen, Aktivkohle und Ruß bestehen aus
dem gleichen Material – aus Kohlenstoff. Allein die Anordnung
der Kohlenstoffatome ist die Ursache für die extrem
unterschiedlichen Eigenschaften. Forscher um Dr. Stefano Leoni
(TU Dresden), der Stony Brook University in den USA und der
Staatlichen Universität Moskau in Russland haben die Struktur
einer neuen Kohlenstoffkonstruktion, des superharten Graphits,
mit Hilfe einer Computersimulation entwickelt.
Die Wissenschaft ist schon lange auf der Suche nach neuen
Kohlenstoffformen. So haben in den vergangene Jahren Fullerene
(Kohlenstoffbälle), winzige Kohlenstoffröhrchen oder Graphen,
eine extrem dünne Kohlenstoffschicht, die die zukünftige
Elektronik revolutionieren wird, Schlagzeilen gemacht. Jeder
weiß, dass Diamant entsteht, wenn man Graphit einer hohen
Temperatur und einem hohem Druck aussetzt. Wird das Experiment
jedoch bei Raumtemperatur durchgeführt, entsteht ebenfalls ein
transparenter, harter Stoff, der kein Diamant ist, sondern
„superhartes Graphit“ genannt wird. Das Experiment wurde auch
in jüngster Zeit mehrmals wiederholt. Für eine strukturelle
Bestimmung reichte die Auflösung bisher nie.
Dr. Stefano Leoni, Wissenschaftler der Arbeitsgruppe
Theoretische Chemie des Bereiches Physikalische Chemie und
Elektrochemie der TU Dresden, und seine Kollegen nutzten eine
neue leistungsstarke Computersimulationsmethode, auch bekannt
als Transition Path Sampling, um verschiedene Kohlenstoffformen
vorherzusagen. Mit besonders leistungsstarken Algorithmen kann
ausgerechnet werden, welche Kristallstruktur unter bestimmten
Temperatur- und Druckbedingungen entstehen und existieren kann.
Ein erster Vorschlag kam von Prof. Artem Oganov (Stony Brook
Universität, USA), indem er seine so genannte „evolutionäre
Methode“ einsetzte. Der in der Computersimulation neugeborene
M-Kohlenstoff passte perfekt zu den Daten der
Graphit-Experimente. Der Durchbruch gelang, indem man, anstatt
die Computersimulationen auf mögliche Endprodukte des
Experiments auszurichten, die mechanistischen Schritte der
Entstehung der neuen Kohlenstoffform aufzuklären versuchte. Die
Forscher wählten aus den Daten den besten Kandidaten aus – die
Kohlenstoffform, die energetisch am günstigsten entstehen kann.
„Wenn man die Kohlenstoffkandidaten gegeneinander antreten
lässt, entspricht der Gewinner dem tatsächlichen Endprodukt der
kalten Kompression von Graphit. Selbstverständlich bleiben die
anderen Kohlenstoffmodifikationen allgemeinmögliche Kandidaten.
Die Simulationen zeigen allerdings, dass unter den
experimentellen Bedingungen, die zur Entdeckung dieses neuen
Kohlenstoffes führten, ausschließlich M-Kohlenstoff entstehen
kann.“, kommentiert Stefano Leoni die Ergebnisse. „Was für
interessante, technologierelevante Eigenschaften dieser
M-Kohlenstoff mit sich bringen wird, wissen wir noch nicht.
Aber, wie oft in der Wissenschaft, kann sich eine Kuriosität
rasch in eine fundamentale Entdeckung entwickeln. Was der
Buchstabe „M“ alles an Überraschungen birgt, bleibt allerdings
noch zu entdecken.“
Originalpublikation: Understanding the nature of „superhard
graphite“, Scientific Reports 2 (nature), Article number: 471,
doi:10.1038/srep00471
Informationen für Journalisten:
PD Dr. Stefano Leoni, TU Dresden, Fachrichtung Chemie und
Lebensmittelchemie, Professur für Physikalische Chemie I, Tel.:
0351 463-39449,
TU Dresden, Kim-Astrid Magister, Tel.: 0351 463-32398,