21.01.2015
Wie Gene Hirnstrukturen beeinflussen
Das Gehirn ist ein komplexes Gebilde, dessen Bauplan im Erbgut angelegt ist. Wie die Gene die Ausformung des Gehirns beeinflussen, ist noch weitgehend unbekannt. Ein internationales Forscherkonsortium hat nun beim Menschen fünf Verdachtsgene entdeckt, die mit der Größe verschiedener Gehirnregionen zusammenhängen. Die Wissenschaftler hoffen, mit den Ergebnissen die molekularen Grundlagen psychiatrischer Erkrankungen besser zu verstehen. Die Studie wurde am 21. Januar 2015 im renommierten Fachjournal „Nature“ veröffentlicht.
Das internationale Forscherkonsortium ENIGMA (Enhancing Neuro Imaging Genetics through Meta-Analysis) hat eine großangelegte Untersuchung durchgeführt, wie genetische Varianten die Ausformung verschiedener Gehirnregionen beeinflussen. Die Wissenschaftler werteten die Hirnscan-Aufnahmen von insgesamt 30.717 Menschen aus, die aus 50 Kohortenstudien weltweit und unter anderem auch aus dem BMBF-geförderten Integrierten Genomforschungsnetzwerk MooDS stammen. Die Bilder dienten als Grundlage zur Bestimmung des Volumens der Schädelhöhle und sieben verschiedener Gehirnregionen.
Welche Gene führen dazu, dass die Größe der Gehirnstrukturen von Mensch zu Mensch variiert? Um diese Frage zu beantworten, glichen die Forscher die Hirnscanner-Daten mit Erbgutanalysen ab und fanden dabei insgesamt fünf neue genetische Varianten in den Genregionen DLG2 (auf Chromosom 11 gelegen), FAT3 (Chromosom 11), KTN1 (Chromosom 14), DCC (Chromosom 18) und BCL2L1 (Chromosom 20), die mit dem Volumen der Hirnstrukturen „Putamen“ und „Nucleus caudatus“ zusammenhängen.
Diese Hirnstrukturen gehören zu den sogenannten Kerngebieten des Großhirns, denen zentrale Umschaltfunktionen von Nervenbahnen im Gehirn zukommen. Wie die jetzt identifizierten Gene ihren Einfluss auf die Größe der Gehirnstrukturen auf der biologischen Ebene im Detail entfalten, ist noch nicht bekannt. Es gibt aber Hinweise, dass im wachsenden Gehirn zum Beispiel die Wanderung von Nervenzellen (DCC) oder der programmierte Zelltod unreifer Neuronen (BCL2L1) beeinflusst werden.
Rolle des KTN1-Gens
Unter allen untersuchten Genen zeigte das KTN1 den stärksten
Effekt. Bisher war über die Rolle dieses Gens in der
Entwicklung von Nervenzellen kaum etwas bekannt. Weitergehende
Untersuchungen konnten zeigen, dass die genetische Variante das
Ablesen des Gens beeinflusst und damit höchstwahrscheinlich
auch die Menge des gebildeten Proteins.
„Ein besseres Verständnis für die Ursachen von Hirnveränderungen bei schweren psychiatrischen Erkrankungen kann Ansatzpunkte für neue Therapiemöglichkeiten aufzeigen. Die Forschung zu genetischen Zusammenhängen und Reduktionen von grauer Substanz bei Schizophrenie ist hier wegweisend und bietet in Zukunft vielleicht auch die Möglichkeit schon frühzeitig, das heißt im Kindes- und Jugendalter, zu intervenieren“, erklärt Prof. Dr. Stefan Ehrlich, der an der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus in Dresden den Forschungsbereich Angewandte Entwicklungsneurowissenschaften leitet und zudem als Koordinator des MCIC-Netzwerkes tätig ist.
Beteiligte Institutionen in Deutschland
An der Publikation im renommierten Fachjournal „Nature“ waren
fast 300 Wissenschaftler beteiligt. Korrespondenzautoren sind
Prof. Dr. Paul M. Thompson von der Keck School of Medicine of
the University of Southern California (USA) und Dr. Sarah E.
Medland vom QIMR Berghofer Medical Research Institute in
Brisbane (Australien). Aus Deutschland wirkten folgende
Institutionen mit: Deutsches Zentrum für Neurodegenerative
Erkrankungen (DZNE) Rostock/Greifswald, Universitätsmedizin
Greifswald, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim,
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der
Technischen Universität Dresden, Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen,
Max-Planck-Institut für Psychiatrie München, Institut für
Humangenetik des Universitätsklinikums Bonn, Institut für
Neurowissenschaften und Medizin (INM-1) des Forschungszentrums
Jülich, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité
Universitätsmedizin Berlin, Ludwig-Maximilians-Universität
München, Life & Brain Zentrum Bonn, Psychiatrie und
Psychotherapie des UniversitätsKlinikums Heidelberg, Munich
Cluster for Systems Neurology (SyNergy) und HELIOS
Hanseklinikum Stralsund.
Publikation: Common genetic variants influence human subcortical brain structures, Nature, DOI: 10.1038/nature14101
Informationen für Journalisten:
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und
-psychotherapie
Sektion Angewandte Entwicklungsneurowissenschaften
Prof. Stefan Ehrlich, Geschäftsführender Oberarzt der
Klinik
Tel.: +49 (0)351 458-2244
Fax: +49 (0)351 458-5754
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