28.10.2013
Die Statik historischer Klaviere
Historische Musikinstrumente erlauben authentische Einblicke
in die Kultur- und Technikgeschichte. Diese zum Teil
jahrhundertealten Stücke zu erhalten, stellt Museen und
Sammlungen vor besondere Herausforderungen. Sie bekommen nun
wissenschaftliche Hilfe aus dem Bauingenieurwesen. Statiker der
TU Dresden wollen im Rahmen eines DFG-Projektes modellieren,
wie genau Klimaschwankungen und mechanische Beanspruchungen
sowie deren Wechselwirkungen den wertvollen Instrumenten
schaden. Darüber hinaus wollen sie herausfinden, ob und unter
welchen Voraussetzungen sie noch gespielt werden können. Die
Wissenschaftler des Instituts für Statik und Dynamik der
Tragwerke um Prof. Michael Kaliske kooperieren dazu mit dem
Institut für Baustoffe der ETH Zürich, dem Händel-Haus in
Halle/Saale und dem Musée d'Ethnographie in Genf.
In dem Projekt mit dem Titel „Modellierung und
Charakterisierung des Strukturverhaltens historischer
Kulturgüter aus Holz unter hygro-mechanischer Beanspruchung“
geht es neben den alten Musikinstrumenten auch um historische
Möbelstücke. Konkret untersucht werden ein Bauernschrank und
eine Truhe aus dem 18. bzw. 19. Jahrhundert aus dem Museum in
Genf. Schwankungen bei Luftfeuchtigkeit und Temperatur können
dem Material zusetzen. Mechanischen Belastungen sind die Möbel
– wenn sie im Museum stehen – in der Regel jedoch nicht
ausgesetzt. Daher ist die Abbildung der Einflüsse und ihrer
Wirkung mit einer Modellierung am Computer noch relativ einfach
umzusetzen. Komplizierter wird es bei zwei Flügeln, die beide
Ende des 18. Jahrhunderts gebaut wurden und heute im
Händel-Haus in Halle an der Saale stehen. Denn nicht nur die
komplizierte Geometrie der Instrumente und die Vielfalt der
verwendeten Materialien mit ihren unterschiedlichen
Eigenschaften stellen die Ingenieure vor eine komplexe
Aufgabe. Dazu kommen enorme mechanische Beanspruchungen, vor
allem der Zug der Saiten.
Erste Untersuchungen zu den Musikinstrumenten hatte das
Institut für Statik und Dynamik der Tragwerke der TUD bereits
in einem Vorgängerprojekt von 2009 bis 2011 vorgenommen und
dabei festgestellt: Die Aufgabe, das sogenannte Tragverhalten
der historischen Objekte realitätsnah zu simulieren, ist extrem
komplex und der Forschungsbedarf sehr groß. Neben den
Modellierungen der Dresdner Wissenschaftler werden die
Schweizer Kooperationspartner von der ETH Zürich im
experimentellen Teil des Projekts die spezifischen
Materialeigenschaften untersuchen. Neben den Hölzern stehen vor
allem die damals üblichen Klebstoffe und Beschichtungen im
Focus. Am Ende wollen die Forscher nicht nur verstehen, welche
Beanspruchungen zu welchen Schäden führen, sondern auch
Grenzwerte festlegen und Empfehlungen für die Aufbewahrung und
Nutzung der historischen Holzobjekte formulieren.
Das Projekt wird über 36 Monate von der DFG gefördert. An der
TU Dresden wird ein Doktorand die Modellierung im Rahmen der
Promotion übernehmen.
Foto: Untersuchungsobjekt Tangentenflügel von Späth und Schmal um 1790 (Foto: Händel-Haus Halle).
Informationen für Journalisten:
Prof. Michael Kaliske
Institut für Statik und Dynamik der Tragwerke
Tel.: 0351 463-34386