22.09.2021
Höhere Alkoholsteuern könnten tausende Krebserkrankungen verhindern
In einer aktuellen Modellierungsstudie haben Wissenschaftler:innen der Technischen Universität Dresden den Einfluss einer Erhöhung der Verbrauchssteuern bei alkoholischen Getränken auf alkoholbedingte Krebserkrankungen in der Europäischen Region untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Verdopplung der aktuellen Verbrauchssteuer allein im Jahr 2019 mehr als 10.700 neue Krebserkrankungen sowie 4.850 Todesfälle hätte verhindern können.
Europa ist die Region mit dem weltweit höchsten Pro-Kopf-Konsum von Alkohol. Um den Alkoholkonsum und die einhergehenden Folgeerkrankungen zu reduzieren, stellt die Erhöhung der Verbrauchssteuern auf alkoholische Getränke eine vielversprechende Maßnahme dar. Höhere Alkoholsteuern zählen neben anderen Maßnahmen, wie einem Werbeverbot für alkoholische Getränke oder der reduzierten Verfügbarkeit von Alkohol, zu den sogenannten „Best Buys“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Bei den "Best Buys" handelt es sich um gesundheitspolitische Maßnahmen, die besonders kosteneffektiv zur Verringerung der durch einen Risikofaktor, wie z.B. Alkohol, verursachten Krankheitslast beitragen. In Europa und insbesondere der Europäischen Union sind die Alkoholsteuern jedoch oft sehr gering. Welche Auswirkungen eine Erhöhung der aktuellen Verbrauchssteuern auf alkoholische Getränke auf alkoholbedingte Krebserkrankungen in der Europäischen Region hätte, haben deshalb Wissenschaftler:innen der TU Dresden gemeinsam mit dem Europäischen WHO-Büro, der Internationalen Agentur für Krebsforschung sowie dem Centre for Addiction and Mental Health in Toronto (Kanada) in einer Modellierungsstudie untersucht.
Mittels mathematischer Modelle schätzten die Wissenschaftler:innen die Auswirkungen von drei verschiedenen Steuererhöhungsszenarien (20 Prozent, 50 Prozent und 100 Prozent) auf den Pro-Kopf-Alkoholkonsum in 50 Mitgliedstaaten der Europäischen Region (Definition laut WHO). Unter der Annahme einer durchschnittlichen Verzögerungszeit von zehn Jahren zwischen dem Alkoholkonsum und der Krebserkrankung beziehungsweise dem tödlichen Ausgang der Erkrankung konnten anschließend die Anzahl vermeidbarer Neuerkrankungen sowie Todesfälle für das Jahr 2019 geschätzt werden. Das Team berücksichtigte dabei sieben verschiedene Krebserkrankungen, die eng mit dem Konsum von Alkohol zusammenhängen: Lippen- und Mundhöhlenkrebs, Rachenkrebs, Kehlkopfkrebs, Speiseröhrenkrebs, Leberkrebs, Darmkrebs sowie bei Frauen Brustkrebs. Die Ergebnisse zeigen, dass mehr als 10.700 neue Krebserkrankungen und 4.850 Todesfälle vermeidbar gewesen wären, wenn die aktuellen Verbrauchssteuern verdoppelt wären worden. Dies entspricht fast 6 Prozent der alkoholbedingten Krebsneuerkrankungen in der Region.
In Deutschland könnten laut der Studie bei einer Verdopplung der aktuellen Alkoholsteuern mehr als 1.200 Krebserkrankungen und 525 Todesfälle vermieden werden. Mit mehr als zwei Dritteln handelt es sich bei den meisten dieser vermeidbaren Erkrankungsfälle um Brust- und Darmkrebs.
„In Deutschland sind die Verbrauchssteuern für alkoholische Getränke, insbesondere für Bier und Wein, besonders gering. Während für eine große Flasche Bier circa fünf Cent auf die Biersteuer entfallen, so ist keine extra Besteuerung von Wein vorgesehen. Angesichts der hohen Zahl an vermeidbaren alkoholbedingten Krebserkrankungen wäre es mehr als ratsam, die Alkoholsteuern insbesondere in Deutschland zu erhöhen“, empfiehlt TUD-Psychologin Carolin Kilian.
Publikation:
Carolin Kilian, Pol Rovira, Maria Neufeld, Carina Ferreira-Borges, Harriet Rumgay, Isabelle Soerjomataram und Jürgen Rehm. Modelling the impact of increased alcohol taxation on alcohol-attributable cancers in the WHO European Region. The Lancet Regional Health Europe.https://www.thelancet.com/journals/lanepe/article/PIIS2666-7762(21)00210-6/fulltext
Informationen für Journalisten:
Carolin Kilian
Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie