Nov 22, 2013
Öffentliche Infrastrukturinvestitionen in Deutschland
Die These, dass es in den vergangenen Jahren zu einer
Vernachlässigung öffentlicher Infrastrukturinvestitionen
insbesondere im Verkehrsbereich gekommen sei, ist inzwischen
beinahe schon Allgemeingut geworden. Auch in den laufenden
Koalitionsverhandlungen wird daher kaum noch bestritten, dass
es einen Bedarf an zusätzlichen Investitionen in diesem Bereich
gäbe. Eine jüngst erarbeitete Studie der Niederlassung Dresden
des ifo Instituts und der TU Dresden (Professur für
Verkehrswirtschaft und internationale Verkehrspolitik) im
Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie
(BMWi) zeigt indes, dass von einem „infrastrukturellen
Nachholbedarf“ in Deutschland nicht ohne weiteres gesprochen
werden kann. Vielmehr ist in dieser Frage eine weitaus
differenziertere Betrachtung erforderlich als gemeinhin
angenommen.
Zwar war insbesondere im Zeitraum 1992 - 2005 ein Rückgang der
öffentlichen Infrastrukturinvestitionen in Deutschland zu
verzeichnen. Hierin kann jedoch nicht ohne weiteres ein Beleg
für eine Vernachlässigung öffentlicher Investitionen gesehen
werden. Vielmehr spielen hierbei (neben statistischen Gründen)
Sondereffekte wie das Ende des Nachholbedarfs in den neuen
Ländern sowie Sättigungseffekte, wie sie in Staaten mit bereits
hoher Infrastrukturausstattung und hohem Pro-Kopf-Einkommen zu
erwarten sind, eine gewichtige Rolle. Die im internationalen
Vergleich relativ niedrige Investitionsquote in Deutschland
liegt zudem auch daran, dass hierzulande die Preise für
Infrastrukturgüter weniger stark angestiegen sind als in
anderen Ländern, die teilweise Überinvestitionen auf ihren
Immobilienmärkten erlebt haben.
Unstrittig ist zwar, dass es in Teilbereichen der öffentlichen
Infrastruktur Defizite gibt, die sich negativ auch auf die
regionale wirtschaftliche Entwicklung auswirken können. Eine
Vielzahl wissenschaftlicher Studien zeigt jedoch, dass die
gesamtwirtschaftlichen Wachstumseffekte zusätzlicher
Infrastrukturinvestitionen zumindest in hoch entwickelten
Ländern im Regelfall sehr gering ausfallen. Statt eines
breitflächigen Ausbaus von Infrastrukturen sollte der Fokus der
künftigen Infrastrukturpolitik in Deutschland daher auf die
Instandsetzung sowie auf die Beseitigung von Engpässen gelegt
werden. Erhaltungsinvestitionen sollte daher der Vorrang vor
dem Neubau von Infrastrukturen gegeben werden. Nicht
vernachlässigt werden sollten schließlich die Ausnutzung
bestehender Kostensenkungspotenziale in Planung und Ausbau von
Infrastrukturen, eine effizientere Nutzung der vorhandenen
Infrastrukturkapazitäten sowie einfachere administrative
Verfahren.
Die Ergebnisse der Studie leisten einen wichtigen Beitrag zur
Bewertung von Infrastrukturlücke und -bedarf in Deutschland.
Sie zeigen, dass öffentliche Ausgaben für die Infrastruktur
nicht per se vorzugswürdig sind, sondern einer wirtschafts- und
finanzpolitischen Gesamtabwägung unterliegen müssen.
Der Endbericht des Gutachtens mit dem Titel „Öffentliche
Infrastrukturinvestitionen: Entwicklung, Bestimmungsfaktoren
und Wachstumswirkungen“ ist unter
http://www.bmwi.de/DE/Mediathek/publikationen,did=599804.html
verfügbar. Weitere Informationen zum Projekt finden Sie auf
den Internetseiten des ifo Instituts unter www.ifo-dresden.de.
Informationen für Journalisten:
Prof. Dr. Bernhard Wieland, Professur für Verkehrswirtschaft
und internationale Verkehrspolitik, Tel. +49 351
463-36790