10.03.2014
Chemiker der TU Dresden entdecken molekulare Scharniere
Auch intermetallische Strukturen ermöglichen einen
Ionenaustausch. Das haben Chemiker der TU Dresden entdeckt und
erstmals in der internationalen Zeitschrift „Angewandte Chemie“
beschrieben. In Technik und Alltag finden Ionenaustauscher
breite Anwendung, z.B. bei der Wasserentkalkung. Dort werden
Kalziumionen gebunden und im Gegenzug Natriumionen freigesetzt.
Als Austauscher eignen sich Materialien mit großen spezifischen
Oberflächen wie Harze, Zeolithe oder Schichtsilikate. Die
Wissenschaftler der Professur für Anorganische Chemie II um
Prof. Michael Ruck haben jetzt gezeigt, dass auch kompakte
kristalline Strukturen intermetallischer Verbindungen, denen
eigentlich die Diffusionswege für einen effizienten
Stofftransport fehlen, Ionen austauschen können. Ihnen ist der
vollständige Austausch der Chloridionen durch Bismutatome in
Bi12Rh3Cl2-Kristallen
gelungen.
Auf das unerwartete Phänomen wurden die Dresdner Chemiker bei
Forschungen an Subhalogeniden des Bismuts aufmerksam.
Subhalogenide sind Verbindungen mit Bereichen direkter
Metall-Metall-Bindungen neben den für Halogenide typischen
ionischen Bindungen. In einem Versuch sollten Halogenatome
herausgelöst werden, ohne die intermetallischen Bereiche zu
zerstören. Das gelang und hatte einen überraschenden
Nebeneffekt: Die entstandenen Leerstellen in der
Kristallstruktur wurden durch Bismut-Atome aufgefüllt, die aus
einer kaum wahrnehmbaren chemischen Zersetzung der
Kristalloberfläche stammten. Dabei entstand die
intermetallische Verbindung Bi12Rh3Bi2, welche die gleiche
Struktur wie der Ausgangsstoff besitzt. Die Morphologie des
Kristalls blieb ebenfalls unverändert. Kristallographische
Untersuchungen zeigten, dass Stränge im intermetallischen
Netzwerk lediglich etwas stärker gegeneinander gedreht waren
als vor dem Austausch. Die Grundlage für diese Drehung bilden
Baugruppen, welche die Stränge miteinander verbinden und als
molekulare Scharniere wirken. Eben diese öffnen während des
Austausches Diffusionspfade, die ein dreidimensionales
Transportsystem ergeben und so den Austausch von Chloridionen
und Bismutatomen ermöglichen.
Dieser Austausch ist auch elektronisch von Interesse. Trotz des
kaum veränderten intermetallischen Netzwerks hat das neue
Material deutlich andere elektronische Eigenschaften: Bei der
Ausgangsverbindung handelt es sich um ein anisotropes Metall,
welches den elektrischen Strom nur entlang bestimmter
Richtungen leitet. Bei der erhaltenen intermetallischen
Verbindung sind die leitfähigen intermetallischen Stränge durch
die zusätzlichen Bismut-Atome untereinander elektrisch
kontaktiert, sodass ein dreidimensionales Metall mit
supraleitender Eigenschaft entstanden ist.
Die Entdeckung der Wissenschaftler der TU Dresden ermöglicht
es, bislang unbekannte und schwer zugängliche Verbindungen wie
z.B. Hochtemperaturphasen und metastabile Verbindungen
herzustellen. Dabei gelingt eine erheblich bessere Kontrolle
über die Änderungen der physikalischen Eigenschaften. Mit
dieser Methode wollen die Forscher künftig gezielt neue
Materialeigenschaften einstellen. Besonders im Fokus stehen
dabei Supraleiter für einen verlustfreien Stromtransport und
Topologische Isolatoren, die Anwendung in der Spintronic und in
Quanten-Computern finden können.
Der komplette Artikel ist unter dem Titel „Topochemische
Pseudomorphose eines Chlorids in ein Bismutid“ erschienen und
steht im Internet zur Verfügung:
http://dx.doi.org/10.1002/ange.201309460
Fotodownload
(Bi12Rh3Cl2-Kristall, ca.
50 Mikrometer groß, nach dem Ionenaustausch. Aufnahme mit
dem Elektronenmikroskop: Martin Kaiser)
Informationen für Journalisten:
Martin Kaiser
Tel.: 0351 463-33649