29.10.2019
Kleinere Kommunen rechtzeitig an den Klimawandel anpassen
Fünfjähriges EU-Projekt »Life Local Adapt« wird von Wissenschaftlern der TU Dresden koordiniert
Beate Diederichs
Das Klima zu schützen, sollte allen Menschen ein Anliegen sein. Doch auch der engagierteste Klimaschutz kann nicht verhindern, dass man die Folgen des Klimawandels spürt. Kommunen – von der Millionenstadt bis zum kleinsten Dorf – müssen sich also an den Klimawandel anpassen. Das fünfjährige EU-Projekt »Life Local Adapt« unterstützt gezielt kleinere Kommunen dabei. Die Fäden des Projekts laufen bei der TU Dresden zusammen. Nach rund drei Jahren zieht Christian Bernhofer, Professor für Meteorologie an der TUD und Projektkoordinator, eine Zwischenbilanz.
Tagestemperaturen von nahe 40 Grad, mehrere hundert Hitzetote, ausgetrocknete Flüsse, großflächige Waldbrände, verformte Gleise, aufgeplatzte Straßen: Der Sommer 2018 ließ auch Menschen den Klimawandel spüren, die dem Phänomen bis dahin skeptisch gegenüberstanden. So eine Hitze- und Dürrewelle nicht so bald wieder erleben zu wollen, hat vielleicht auch den einen oder die andere dazu gebracht, weniger zu fliegen oder Ökostrom zu nutzen: aktiv etwas für den Klimaschutz zu tun. Doch Klimaschutzmaßnahmen werden frühestens mittelfristig greifen. »Die Herausforderung des Klimawandels ist so groß, dass man seine Folgen überall bemerkt. Das lässt sich selbst mit dem engagiertesten Klimaschutz nicht vollständig verhindern. Daher müssen Kommunen sich rechtzeitig und richtig an den Klimawandel anpassen«, sagt Christian Bernhofer. Der Professor für Meteorologie der TUD koordiniert ein EU-Projekt, das sich diesem Ziel widmet: »Life Local Adapt«, gestartet im Juli 2016 und mit Mitteln von 3,2 Millionen Euro ausgestattet, soll kleinere Kommunen dabei unterstützen, Maßnahmen zu entwickeln, mit denen sie die Folgen des Klimawandels für sich abmildern. »Große Kommunen haben oft Stellen für diese Aufgabe eingerichtet, zum Beispiel die eines Umweltreferenten. In kleineren Gemeinden muss sich nicht selten jemand darum kümmern, der eigentlich ein anderes Aufgabenfeld hat«, meint Christian Bernhofer und nennt damit ein Hauptanliegen des Projektes. Daher sollen die kleineren Kommunen auf die Expertise der Wissenschaftler des Netzwerks von »Life Local Adapt« zurückgreifen können: Es besteht neben der TU Dresden als Projektkoordinatorin aus dem Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) und weiteren Partnern aus Deutschland, Tschechien, Österreich und Lettland. 2016 bekam das Projekt nach sorgfältiger Recherche und Vorbereitung den Zuschlag innerhalb des EU-Forschungsrahmenprogramms LIFE, das seit vielen Jahren Projekte zu Umwelt, Naturschutz und Klimapolitik fördert. »Dabei sind wir dem European Project Center der TUD sehr dankbar dafür, dass es uns administrativ bei unserer Bewerbung unterstützt hat«, betont Christian Bernhofer.
Nach rund drei Jahren kann nun das Koordinationsteam mit Bernhofer und seinen Mitarbeiterinnen Majana Heidenreich und Barbara Köstner sowie Ines Schmidt vom European Project Center Zwischenbilanz ziehen und greifbare Ergebnisse vorweisen: So entwickelt man zum Beispiel das regionale Klimainformationssystem ReKIS, das die TUD 2012 für Mitteldeutschland aufgebaut hat, als ReKIS kommunal gezielt für kleinere Kommunen weiter. »Aus ReKIS kann die Öffentlichkeit klimarelevante Informationen entnehmen, was beispielsweise für Bauvorhaben oder andere Infrastrukturentscheidungen wichtig sein kann«, kommentiert der Professor. Daneben verstetigte man die Regionalkonferenzen zur Klimaanpassung in Sachsen und baute sie aus. Dabei stellen Vertreter einzelner Kommunen Maßnahmen vor, mit denen sie ihre Ortschaft, Kleinstadt oder ihren Landkreis auf die Folgen des Klimawandels einstellen. »Hier orientieren wir uns an den Workshops, die unser Partner aus der Steiermark bereits seit langem durchführt. Dabei wurden unter anderem Maßnahmen für ein ausgeklügeltes Hitzewarnsystem auf Lokalebene, zur Erosionsvermeidung oder zur Sicherung der Trinkwasserversorgung vorgestellt«, berichtet Christian Bernhofer. Als besonders innovativ erwies sich die Bereitschaft des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL), einen Wettbewerb sächsischer Gemeinden um die besten Ideen zu Klimaanpassungsmaßnahmen durch Fördersummen von rund 30 000 Euro pro Projekt zu unterstützen. Momentan findet dessen zweiter Durchgang statt. Die ersten fünf Gewinner wurden schon 2018 prämiert: Sie entwickelten hauptsächlich Maßnahmen zur Wasserwirtschaft. »Außerdem möchten wir langfristig in Verbünden kleiner Gemeinden sogenannte Climate Coaches etablieren. Das könnten beispielsweise Meteorologen oder Hydrologen sein, die in ihrem Gemeindeverbund als Ansprechpartner zu allen Fragen zur Klimaanpassung und zum Klimaschutz fungieren«, beschreibt Bernhofer diese Funktion. Nach Ende der Projektförderung im Sommer 2021 müsste man allerdings eine alternative Finanzierung für diese Stellen finden. In zwei Jahren wird man auch messen, wie erfolgreich das Projekt insgesamt war. Indikatoren dafür könnten sein, wie viele Kommunen sich an den Workshops und Regionalkonferenzen oder an den Wettbewerben beteiligt haben und wie viele konkrete Maßnahmen daraus entstanden sind. »Langfristig möchten wir ein Bewusstsein dafür aufbauen, dass Klimaanpassung nötig und möglich ist«, so Christian Bernhofer abschließend.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 17/2019 vom 29. Oktober 2019 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.