30.10.2007
Zukunft der europäischen Flugsicherung von Studententeam der Verkehrswissenschaften der TUD untersucht
Ein kleines Wagnis war es und eine Neuerung: das Institut für Luftfahrt und Logistik hat vierzehn Studenten des achten Semesters ermutigt, in Eigenregie verschiedene Teilaspekte des von der Europäischen Union geförderten Projekts eines einheitlichen europäischen Luftraums ("Single European Sky") einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Themen des Projekts waren dabei so angelegt, dass künftige Studien- und Diplomarbeiten der Teilnehmer daran andocken können; entsprechend waren die Nachfrage und die Motivation der Projektteilnehmer.
"Single European Sky" - das ist ein Programm zur Verbesserung der bestehenden Flugsicherungsstrukturen im europäischen Raum. Diese sind bisher national geprägt; die Flugsicherungen überwachen im wesentlichen den Luftraum des jeweiligen Landes. Das führt dazu, dass beispielsweise aufgrund kleinerer Länder die Luftraumstruktur nicht optimal ausgebaut ist; Luftstraßen müssen nationale Grenzen berücksichtigen, anstatt sich allein an operativen Notwendigkeiten des Luftverkehrs zu orientieren. Hier setzt das länderübergreifende SESAR-Programm an ("Single European Sky Air Traffic Management Research"), welches das europäische Flugsicherungssystem durch internationale Kooperationen vereinfachen und somit rentabler und attraktiver machen soll.
Das Dresdner Studententeam analysierte nun unter Leitung von Institutsmitarbeitern und einem Vertreter der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) die Forschungsstrategie des SESAR-Programms. Ein Semester lang bearbeiteten sie in engem Kontakt mit der Flugsicherung das umfangreiche Strategiepapier, diskutierten Ausrichtung und Zielstellungen des Programms. In vier verschiedenen Teilprojekten untersuchten sie die wesentlichen Kernelemente des SESAR-Konzeptes, so etwa integrierte Flugplanungsprozesse der Zukunft ("Business Trajectory"): Die Wünsche der Fluggesellschaften sollen in Zukunft verstärkt bei der Nutzung des Luftraums berücksichtigt, die einzelnen Prozesse auf Flughäfen sollen besser koordiniert werden. Aber auch die Frage, ob es sinnvoll ist, bestimmte Kurzstreckenflüge lieber auf die Schiene zu verlagern, und welche Konsequenzen mit dieser Entscheidung verbunden sind, untersuchten die Studenten.
Auf dem 2. Dresdner Luft- und Raumfahrttag am 2. November will das Team seine umfangreiche Analyse des SESAR-Programms nun erstmals dem Fachpublikum vorstellen.
Interessierte Journalisten sind dazu am 2. November, ab 10 Uhr, HSZ, Bergstr. 64, HS 04, herzlich eingeladen (Näheres)
Im Folgenden Informationen zu den Forschungsprojekten:
- Verminderter Fluglärm durch piezokeramische Fasern
Das Institut für Luft- und Raumfahrttechnik entwirft aktiv verformbare Rotorblattstrukturen - Umweltaerodynamik - Basis für den modernen Städtebau
Forschung am Niedergeschwindigkeitswindkanal der TU Dresden - Zukünftige Wettersatelliten nutzen Bildinformationen zur Navigation
Weitere Informationen:
Thomas Günther
Tel.: 0351 463-36740
Verminderter Fluglärm durch piezokeramische Fasern
Das Institut für Luft- und Raumfahrttechnik entwirft aktiv verformbare Rotorblattstrukturen
"Geht das denn nicht leiser?", fragen sich die erregten Anwohner, wenn der Rettungshubschrauber lange nach Mitternacht auf dem Klinikdach nebenan landet. Dieser Frage hat sich auch Prof. Klaus Wolf, Inhaber der Professur für Luftfahrzeugtechnik der TU Dresden, seit Jahren verschrieben. Er untersucht verschiedene Konzepte, wie man die Aerodynamik von Helikopterrotoren durch die aktive Verwindung der Rotorblätter beeinflussen kann. Das käme nicht zuletzt den Fluggästen zugute - bis heute leidet die Akzeptanz von Hubschraubern unter ihrer enormen Lautstärke, die entsteht, weil die Rotoren immer wieder durch die Luftwirbel des vorhergehenden Blattes laufen.
Erste Versuche, die Blätter während der Rotation anzusteuern, so dass die Strömung beeinflusst und dadurch der Lärm niedriger wird, gibt es bereits: durch eingebaute Hydraulikzylinder können die Rotorblätter mit Hilfe von Reglern verstellt werden. Im Rahmen des bundesweiten Forschungsprogramms "LARS" arbeiten die Dresdner jetzt gemeinsam mit den Firmen Eurocopter und EADS Innovation Works an einer intelligenteren Lösung: die Rotoren sollen ihre Form durch eingearbeitete piezokeramische Fasern, die sich durch Anlegen einer elektrischen Spannung ausdehnen, verändern.
Erste Flugversuche mit einer Zwischenstufe dieser Entwicklung waren 2005 erfolgreich, aber es gilt noch große Herausforderungen zu meistern, bis sich das Rotorblatt tatsächlich selbst verdrehen kann und die piezokeramischen Fasern als Aktuatoren direkt in die Struktur des Blattes integriert werden können. Die Dresdner Wissenschaftler betrachteten dafür zuerst nur einen zweidimensionalen Schnitt durch das Blatt und untersuchten, wie die Aktuatoren am besten eingearbeitet werden können, wenn die lokale Steifigkeit des Materials erhalten bleiben soll. In einem Optimierungsalgorithmus simulierten sie verschiedene Konzepte und Aktuatorverteilungen und untersuchten die tragbarsten Lösungen weiter. Ziel ist es dabei, Rotoren zu entwickeln, die einerseits die geforderten Luftlasten aushalten, andererseits aber so weich werden, dass ihre einzelnen Elemente verwunden werden können. Der Schaum, der die Blätter bisher ausfüllt, muss dafür veränderlichen Ersatzstrukturen in Faserform weichen, die eine Bewegung der Blatthinterkante um einige Prozentpunkte nach oben oder unten ermöglichen.
Größtes Problem dabei bisher: hohe Spannungen von ca. 1.500 V müssen direkt in die Rotoren übertragen werden. Die aufwändige Regelungstechnik und die Größe der Spannungswandler machen dieses System jedoch erst in der übernächsten Generation von Hubschraubern alltagstauglich, schätzt Prof. Wolf.
Weitere Informationen:
Prof. Klaus Wolf
Tel. 0351 463-36694
Umweltaerodynamik - Basis für den modernen Städtebau
Forschung am Niedergeschwindigkeitswindkanal der TU Dresden
Gottfried Semper hat Dresden bekanntlich ein wunderschönes Opernhaus mit einer perfekten Akustik geschenkt. Steht der Wind jedoch ungünstig, sausen kleine Böen zum Haupttor hinein und wirbeln die Programmhefte durch die Luft, weswegen dieser repräsentative Eingang nur selten benutzt wird. Damit Probleme dieser Art schon vor dem Baubeginn erkannt und vermieden werden können, werden größere Architekturprojekte bereits im Planungsstadium in kleinem Maßstab aufgebaut und in Windkanälen auf ihren Windkomfort (zum Beispiel die Druckverteilung an Fenstern und Türen), die Druckbelastung und -verteilung am Gebäude, ihre Lüftungstechnik und auch die Schwingungsanregung, also der Einfluss auf Bauwerke der Nachbarschaft, getestet. An der TU Dresden findet diese Arbeit, meist in Zusammenarbeit mit externen Architekten und Raumplanern, am Niedergeschwindigkeitswindkanal des Instituts für Luft- und Raumfahrttechnik statt.
Dr. Veit Hildebrand leitet die Forschungsabteilung des Windkanals. Mit seinen Kollegen analysiert er im Auftrag Dritter beispielsweise Fassadenbelastungen in Abhängigkeit von Windgeschwindigkeiten und Windrichtung. Dafür werden die zu testenden Gebäude - meistens auch die sie umgebenden Ensembles, im Maßstab 1:50 bis 1:800 auf einer drehbaren Platte aufgebaut und die topografischen Gegebenheiten möglichst genau durch kleine Metallgitter o.ä. nachgebildet. Dieses Modell kann dann im Windkanal von allen Seiten und mit verschiedenen Konfigurationen "beweht" werden; die Messwerte analysiert Dr. Hildebrand dann und gibt den Auftraggebern anschließend gutachterliche Empfehlungen, wie das geplante Ensemble eventuell an bestimmte Windlasten angepasst werden muss.
Auf diese Weise haben die Mitarbeiter des Dresdner Niedergeschwindigkeitswindkanals in den letzten Jahren prominente Architekten und Bauherren unterstützt. Die Windverhältnisse innerhalb und außerhalb der neuen Kuppel des Berliner Reichstages wurde hier aufwändig simuliert und die Belastung der einzelnen Scheiben gemessen. Aber auch neue Hochhäuser im Frankfurter Bankenviertel, die gläserne Manufaktur in Dresden, die Fassade des Münchner und Frankfurter Flughafens oder die Entrauchungsanlage des neuen Umweltbundesamtes in Dessau erfuhren an der TUD noch einmal entscheidende Veränderungen, damit unerwartete Störungen des Windkomforts wie bei der Semperoper in Zukunft ausgeschlossen werden können.
Weitere Informationen:
Dr.-Ing. Veit Hildebrand
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Luft- und Raumfahrttechnik
Tel. 0351 463-38185
Zukünftige Wettersatelliten nutzen Bildinformationen zur Navigation
Wettersatelliten der nächsten Generation werden gesammelten Bilddaten zur eigenen Navigation besser nutzen können. An einem geeigneten rechnergestützten Verfahren zur Georeferenzierung arbeiten zur Zeit Mitarbeiter des Instituts für Automatisierungstechnik der TU Dresden. Ihre Idee: die Nutzlastinstrumente des Satelliten, also die Kameras, die laufend hochaufgelöste Bilder von der Erdoberfläche machen, sollen gleichzeitig genutzt werden, um die Ausrichtung des Satelliten mit höchster Genauigkeit zu messen. Die Anforderungen an die Orientierungsgenauigkeit für die nächste Generation europäischer Wettersatelliten, die im Jahr 2015 den Betrieb aufnehmen, beträgt ein Zehntausendstel (10-4) Grad. Die Ausrichtung des Satelliten ist damit so genau, dass aus einer Entfernung von 15 km eine 2-Euro-Münze treffsicher angepeilt werden kann.
Wie funktioniert dieses Positionierungsverfahren nun genau? Edgar Zaunick, Doktorand des mit EADS Astrium gemeinsam ins Leben gerufenen Graduiertenkollegs mit dem Titel "Aspekte zukünftiger Satelliten-Erkundungsmissionen", erklärt: "Die Bilder, die der Satellit von der Erde aufnimmt, müssen ja der Landkarte zugeordnet werden. Die bisher gängigen Verfahren beziehen sich dabei auf bestimmte Landmarken, die mit den aktuellen Bilddaten verglichen werden. Unser Verfahren liefert robustere Informationen: wir ziehen die gesamte Bildinformation einer Bildfolge heran und bestimmen über die errechneten Bewegungsvektoren die Eigenbewegung der Kamera - und damit des Satelliten. Dieses Verfahren, das auf der Berechnung des 'Optischen Flusses' basiert, nutzt die Europäische Weltraumbehörde auch, um Hindernisse in Anflugsbahnen zu erkennen."
Das Verfahren, zur Positionsbestimmung optische Referenzdaten zu nutzen, könnte zukünftig beispielsweise auch für die Navigation landgestützter und flugfähiger Roboter genutzt werden. Aber auch für die Wettersatelliten selbst ergeben sich weitere Vorteile: so können mit Hilfe Zaunicks mathematischen Methoden Sandstürme besser detektiert werden, aber auch Blitze, Waldbrände oder Vulkanausbrüche genauer lokalisiert werden.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. techn. Klaus Janschek
Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik
Institut für Automatisierungstechnik
Tel. 0351 463-34025,