01.12.2014
Dresdner Studie birgt Hoffnung für Patienten mit Magersucht
Ein Forscher-Team um Stefan Ehrlich, Professor für
Angewandte Entwicklungsneurowissenschaften an der Klinik für
Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des
Universitätsklinikums Dresden an der TU Dresden, untersuchte
die Auswirkungen der schweren Essstörung Anorexia nervosa –
gemeinhin als Magersucht bezeichnet – auf bestimmte
Hirnstrukturen. In der jetzt im hochangesehenen Fachblatt
„Biological Psychiatry“ veröffentlichten Studie präsentieren
die Wissenschaftler ihre Ergebnisse, die sie mittels einer in
diesem Zusammenhang weltweit erstmals eingesetzten Methode mit
mehr als 100.000 über die gesamte Hirnoberfläche verteilten
Messpunkten ermittelten. Danach kann die im akuten Stadium
einer Magersucht auftretende starke Verringerung der Dicke der
Hirnrinde, genauer der grauen Substanz, bei vollständiger
Therapie der Essstörung meist komplett wiederhergestellt
werden.
Bisherige Studien betrachteten die Veränderungen des Volumens
oder der Dichte der grauen Substanz des Hirns betroffener
Patienten, ohne den genauen Bereich eingrenzen zu können. Die
jetzt durch die Dresdner Wissenschaftler an einer großen
Stichprobe von Patientinnen mit Anorexia nervosa weltweit
erstmals eingesetzte Messung der Dicke der Hirnrinde an über
100.000 verschiedenen Punkten unter Einsatz eines
hochauflösenden Magnetresonanztomographen (MRT) kann die
Schrumpfung der grauen Substanz in der Hirnrinde
submillimetergenau erfassen. Gefunden wurde eine drastisch
verringerte Dicke der Hirnrinde in fast allen Bereichen des
Großhirns. Auch in der Tiefe des Gehirns sind die Volumen der
grauen Substanz verringert. „Das Ausmaß der Veränderungen am
Hirn, also die Verringerung der Dicke der grauen Substanz
infolge einer akuten Magersucht, ist den bei einer
Alzheimer-Erkrankung beobachtbaren Abbauprozessen sehr
ähnlich“, beschreibt Prof. Stefan Ehrlich die Folgen der
Essstörung.
Die Messungen bei den Studienteilnehmern erfolgten zum
Zeitpunkt der Aufnahme am Dresdner Universitätsklinikum und im
Schnitt 12 Monate nach einer erfolgreich abgeschlossenen
Therapie mit vollständiger Herstellung des Normalgewichts,
normalem Essverhalten und mit einer normalen Menstruation. Etwa
50 Prozent der behandelten Patienten können langfristig diese
Kriterien erreichen – es ist für die Betroffenen ein extrem
harter Weg bis zu einer völligen und dauerhaften
Wiederherstellung.
„In unserer Stichprobe konnten wir bei den erfolgreich
therapierten Patienten eine vollständige Wiederherstellung der
Schichtdicke der grauen Substanz beobachten“, erläutert Prof.
Ehrlich das für die Betroffenen hoffnungsvolle Ergebnis. Doch
die Magersucht verändert neben den Hirnstrukturen noch etliche
weitere Bereiche und Prozesse mit oft schwierigen langfristigen
Folgen, die nicht umkehrbar sind. Dazu gehört beispielsweise
die verstärkte Osteoporose, also der Abbau an
Knochensubstanz.
FOCUS-Ranking TOP-Mediziner 2014
Im renommierten Ranking der Zeitschrift FOCUS wurde Prof.
Stefan Ehrlich auf Basis einer unabhängigen Datenerhebung als
Top-Mediziner im Bereich Essstörungen in die Ärzteliste 2014
aufgenommen. In die Bewertung gingen unter anderem große
Umfragen in Zusammenarbeit mit medizinischen
Fachgesellschaften, wissenschaftliche Publikationen sowie
Empfehlungen von Patientenverbänden, Selbsthilfegruppen,
Klinikchefs, Oberärzten und niedergelassenen Medizinern
ein.
Die Behandlung von Essstörungen bildet einen Schwerpunkt der
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und
–psychotherapie des Universitätsklinikums Dresden. Patienten
aus ganz Deutschland kommen wegen dieser Expertise an die
Dresdner Klinik. Zu den Angeboten gehören am „Zentrum für
Essstörungen“ eine Spezialambulanz und eine Spezialstation für
Essstörungen sowie eine Familientagesklinik, an der eine
Multifamilientherapie angeboten wird.
Publikation:
Joseph A. King, Daniel Geisler, Franziska Ritschel, Ilka
Schober, Maria Seidel, Benjamin Roschinski, Laura Soltwedel,
Johannes Zwipp, Gerit Pfuhl, PhD, Michael Marxen, PhD, Veit
Roessner, MD, Stefan Ehrlich, MD: Global Cortical Thinning in
Acute Anorexia Nervosa Normalizes Following Long-Term Weight
Restoration; in: Biological Psychiatry, DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.biopsych.2014.09.005
Fotodownload (Foto: UKD/Stephan
Wiegand)
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