Dec 07, 2011
Etwa jede 10. Betroffene stirbt an Magersucht
Mehr als 6.000 verteilte Fragebögen an über 40 Schulen in
Dresden und Umgebung: Die ersten Ergebnisse der Psychologen der
Goetz-Stiftungsprofessur für Essstörungen der TU Dresden
zeigen, dass bei ca. 15 Prozent der befragten Mädchen ein
erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer späteren Magersucht
vorliegt - insgesamt wurden bislang 148 Risikomädchen
identifiziert. Die tatsächliche Zahl liegt wahrscheinlich
deutlich höher, denn 75 Prozent der an Schulen verteilten
Fragebögen wurden gar nicht erst ausgefüllt. Weiterhin war
bisher die Hälfte aller Eltern, bei deren Töchtern ein
Risikostatus festgestellt wurde, nicht an einem diagnostischen
Gespräch interessiert. „Für so ‘nen Scheiß hab‘ ich keine Zeit“
oder „Das wächst sich schon wieder zurecht“. Solche, teilweise
harsch vorgetragenen Reaktionen werden dabei als Gründe für die
Nichtteilnahme genannt.
Dennoch suchen die Dresdner Psychologen für ein
familienbasiertes Vorsorgeprogramm gegen Magersucht (Anorexia
Nervosa) weitere Teilnehmer.
In der Studie werden im ersten Schritt 11- bis 17-jährige
Mädchen sowie deren Eltern gebeten, einen kurzen Fragebogen zu
beantworten. Mit diesem wird festgestellt, ob ein erhöhtes
Risiko für die Entwicklung einer Magersucht besteht. Wenn dies
der Fall ist, werden sie zu einem ausführlicheren
diagnostischen Gespräch eingeladen. Bestätigt sich das Risiko,
erhalten die Eltern die Möglichkeit, an einem
internetgestützten Vorsorgeprogramm teilzunehmen. Dadurch soll
verhindert werden, dass deren Tochter an Magersucht
erkrankt.
Im Vorsorgeprogramm „E@T“ (Eltern als Therapeuten) erfahren
Eltern in kurzen informativen Texten, Audio- und
Video-Elementen z. B. den Unterschied von normalem und
problematischem Essverhalten und erhalten praktische Tipps um
die Kommunikation mit ihren Töchtern zu verbessern. Ein
Online-Diskussionsforum gibt die Möglichkeit anonym mit anderen
Eltern in Kontakt zu treten. Zudem gibt eine Diplom-Psychologin
den Eltern individuelle Anregungen, wie sie ihrer Tochter zu
einem gesunden Essverhalten zurückhelfen können. Der zeitliche
Aufwand für die Eltern ist gering - eine Stunde wöchentlich,
sechs Wochen lang.
Üblicherweise beginnt eine Magersucht in der späten Jugend oder
im frühen Erwachsenenalter. Gestörtes Essverhalten, das der
Erkrankung vorausgeht, kann jedoch viel früher auftreten.
Bereits erste Vorboten gehen mit viel Leid und
Beeinträchtigungen einher. Hat sich einmal das Vollbild einer
Magersucht entwickelt, verläuft die Essstörung oft chronisch
und ist schwer zu behandeln. Etwa jede 10. Betroffene stirbt an
der Erkrankung.
Wenn Mädchen zu jungen Frauen werden, sind neben Freunden die
Eltern zentrale Bezugspersonen. Sie können einer entstehenden
Erkrankung positiv entgegenwirken. Häufig ist es für sie jedoch
nicht einfach, erste Anzeichen richtig zu erkennen. Viele
Eltern befürworten es, wenn ihre Tochter sehr schlank und
leistungsorientiert ist. Dies kann allerdings schon der erste
Schritt auf dem Weg in die Erkrankung sein. „Ich war in ihrem
Alter genauso dünn“ oder „Das liegt bei uns in der Familie in
den Genen“, sind häufige Aussagen von Eltern, wenn sie auf ein
erhöhtes Risiko ihrer Tochter aufmerksam gemacht werden. Oft
sind sie aber auch unsicher wie sie sich verhalten sollen, wenn
ihnen Veränderungen des Essverhaltens oder der
Gewichtsentwicklung ihrer Tochter auffallen. Einige Eltern
haben Angst, durch falsches Handeln „schlafende Hunde zu
wecken“ und erste problematische Verhaltensweisen zu
verschlimmern. Aus dieser Befürchtung heraus werden Eltern oft
erst dann aktiv, wenn ihre Tochter deutlich an Gewicht verloren
hat und bereits mitten in der Essstörung steckt. Der Weg zurück
ist dann meist viel schwieriger und langwieriger. Besser ist
es, möglichst früh in den Erkrankungsverlauf einzugreifen. Mit
dem „E@T“-Programm existiert ein Angebot für Eltern, ihrer
Tochter zu einem gesunden Essverhalten zurück zu
verhelfen.
Eltern, die beunruhigt sind, weil ihre Tochter z. B. auffallend
schlank ist, augenscheinlich abgenommen hat, Mahlzeiten
auslässt, Diäten macht, exzessiv viel Sport treibt oder sich
übermäßig um ihre Figur sorgt, können sich an das Studienteam
von Prof. Corinna Jacobi (Kontakt: Diplom-Psychologin Ulrike
Völker, Diplom-Psychologe Robert Richter, Tel. 0351 463-38578,
E-Mail: )
wenden. Weitere Informationen sind auch unter http://www.eatinfo.psych.tu-dresden.de
zu finden.
Informationen für Journalisten:
Prof. Corinna Jacobi,
Tel.: 0351 463-37469, Fax: -37208
Kim-Astrid Magister
7. Dezember 2011