15.12.2011
Einsatz von Stammzellen im Auge verhindert Erblinden
Bisher gibt es für die altersbedingte Makuladegeneration
(AMD) keine Heilungschancen, sondern nur die Möglichkeit, das
Absterben weiterer Zellen zu verzögern und so die zentrale
Sehschärfe länger zu erhalten. Dieser Problematik widmen sich
Forscher der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus und der
Life-Science-Inkubator GmbH & CoKG (LSI) an den Standorten
Dresden, Hamburg und Bonn. Ziel des innovativen Ansatzes der
Mesentech-Gruppe ist es, den fortschreitenden Prozess der
Sehzellen-Degeneration zu stoppen bzw. im optimalen Fall sogar
umzukehren. Das geschieht durch den Einsatz körpereigener
Zellen der Patienten, sogenannter mesenchymaler Stammzellen. Um
eine Zelltherapie in die klinische Anwendung zu bringen,
erfordert es aber einen langen Atem von bis zu zehn Jahren. Das
Projekt wird hierbei durch eine innovative Fördermaßnahme des
Bundes, den so genannten Life Science Inkubator, mit fast zwei
Millionen Euro unterstützt. Das Mesentech-Team – bestehend aus
drei Wissenschaftlern, zwei PostDocs und zwei Technischen
Assistenten – treibt nun die Entwicklung der in dieser Art
ersten für das menschliche Auge geeigneten Therapie bis zur
ersten klinischen Phase voran.
Die häufigste Erblindungsursache im Alter ist in den westlichen
Industrienationen die Makuladegeneration. Es gibt Schätzungen,
dass aufgrund der sich verschiebenden Alterspyramide 2020 etwa
25 Prozent der Bevölkerung über 60 Jahre von AMD betroffen
sind. Die Krankheitshäufigkeit in der Gesamtbevölkerung beträgt
drei Prozent. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung entspricht dies
elf Millionen Menschen in Nordamerika, Westeuropa und Japan.
Ursachen der AMD liegen im Alter, in genetischen Faktoren, im
Rauchen, in entzündlichen Prozessen und in der Ernährung
(Vitaminmangel). Ansonsten ist zu den Ursachen und Vorgängen
bei der Entstehung der Krankheit wenig bekannt.
Bisher mussten Betroffene einmal monatlich
gefäßwachstumshemmende Stoffe – so genannte VEGF-Hemmer – mit
einer Spritze durch den Augapfel hindurch an die Makula bringen
lassen. Das funktioniert aber nur bei der „feuchten Form“ der
AMD, die 20 Prozent aller Makuladegenerationen ausmacht. Diese
Form der Behandlung ist mit hohem Aufwand und hohen Kosten von
800 bis 1500 Euro je Spritze über einen langen Zeitraum
verbunden. Aber für 80 Prozent der Betroffenen – den Anteil,
der an der „trockenen Form“ der AMD leidet – gibt es keine
grundlegende Therapie.
Hier will Mesentech für Abhilfe sorgen. «Das Projekt Mesentech
entwickelt eine regenerative und protektive Zelltherapie für
Patienten mit degenerativen Netzhauterkrankungen unter
Verwendung von körpereigenen Zellen“, erklärt Projektleiter
Dierk Wittig. „Dabei liegt der Fokus auf der altersbedingten
Makuladegeneration sowie der diabetischen Retinopathie.“ Das
Voranschreiten dieser Erkrankungen kann bis heute nicht
wesentlich beeinflusst werden. Mesentech will schwere
Krankheitsverläufe in Zukunft verhindern, indem die Therapie
bereits in frühen Krankheitsstadien Anwendung findet.
»Degenerative Netzhauterkrankungen sind typische
Alterskrankheiten, über ein Viertel aller Menschen über 60
Jahren sind davon betroffen. Die aktuellen Standardtherapien
können lediglich in den späten Krankheitsstadien angewendet
werden und können eine Erblindung nicht verhindern. Eine echte
Verbesserung der Lebenssituation kann zu diesem Zeitpunkt nicht
mehr erreicht werden. Und dort setzt Mesentech an. „Wir wollen
diesen Menschen zu einer hohen Lebensqualität, auch im höheren
Alter, verhelfen.“
Die Planungen zum Projekt überzeugten schon mit einem ersten
Platz im Businessplan Wettbewerb „futureSAX“ in der Kategorie
„Gründen“. Durch diesen Erfolg wurde der Life Science Inkubator
(LSI) am Bonner Forschungszentrum caesar auf das Projekt
aufmerksam. Dieser bietet ein in Deutschland einzigartiges
Inkubationskonzept. Durch eine systematische und
zielorientierte Evaluierung und Projektsteuerung wird das
Forschungs- und Entwicklungsrisiko minimiert und so eine
stabile Basis für die spätere Gründung erarbeitet. Für die
Umsetzung wird der Life Science Inkubator von Bundesministerium
für Bildung und Forschung, Fraunhofer, Helmholtz Gemeinschaft,
Max Planck Gesellschaft sowie anderen außeruniversitären
Forschungseinrichtungen und Kapitalgebern, finanziert.
Nach detaillierter Evaluierung der bisherigen Arbeiten wurde
die Forschergruppe Mesentech vom Investmentgremium der Life
Science Inkubator GmbH zur sogenannten Inkubation empfohlen.
Daraus ergab sich die Entscheidung zur Aufnahme in das
Förderprogramm, wodurch über die kommenden zweieinhalb Jahre
eine Vollfinanzierung von 1,9 Millionen Euro in das Projekt
fließt und eine Ausgründung in Form einer GmbH erfolgt.
Das Institut für Anatomie, das durch den Mentor des Teams,
Prof. Richard Funk, geleitet wird, bietet durch seine
Infrastruktur sowie das vorhandene Know-how auf dem Gebiet der
Grundlagenforschung am Auge dafür die idealen Bedingungen.
Einen besonderen Beitrag leistet hier die Forschungsarbeit von
Dr. Monika Valtink, die sich bereits seit über dreizehn Jahren
mit der Entwicklung zellulärer Therapien für degenerative
Erkrankungen des Auges befasst. In den Laboren der Life Science
Inkubator GmbH in Bonn werden die speziellen molekularen
Mechanismen des Therapieansatzes erforscht und die Gruppe im
Rahmen von Personalentwicklung und Projektmanagement
qualifiziert. Den Bezug zur Praxis erhält das Projekt durch die
Einbindung der Chefärztin des Augenklinikums Chemnitz, Prof.
Katrin Engelmann, für die der Kampf gegen die Folgen
degenerativer Netzhauterkrankungen zur täglichen Arbeit gehört.
Auch Frau Dr. Lange aus der Interdisziplinären Klinik und
Poliklinik für Stammzelltransplantation am Universitätsklinikum
Hamburg und Prof. Axel Zander sind in die Projektarbeit
eingebunden.
Informationen für Journalisten:
Technische Universität Dresden, Medizinische Fakultät Carl
Gustav Carus,
Institut für Anatomie,
Dierk Wittig, Projektleiter Mesentech,
Tel.: 0176 70625603, 0351 458-6103, Fax: -6303
bzw.
Konrad Kästner
11. Januar 2012