27.09.2010
Minimaler Einsatz bei guten Verbindungen
Neues Licht auf Therapieansätze für die Autoimmunerkrankung
Multiple Sklerose (MS) werfen aktuelle Ergebnisse von
Wissenschaftlern am DFG-Forschungszentrum für Regenerative
Therapien der TU Dresden und der Harvard Universität in Boston,
USA. Durch eine geschickte Kombination von geringsten Mengen an
körpereigenen Antigenen (Autoantigene) und Antikörpern könnte
die zerstörerische Abwehrreaktion des Körpers gegen das
zentrale Nervensystem verhindert werden.
Bei Autoimmunerkrankungen, wie Multiple Sklerose oder
Typ-1-Diabetes, richtet sich unser Immunsystem gegen
körpereigene gesunde Zellen und zerstört diese. Multiple
Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des
zentralen Nervensystems. Sie wird durch T-Zellen (Zellen des
Immunsystems) ausgelöst, die sich gegen die elektrische
Isolierung unserer eigenen Nervenzellen wenden und sie
zerstören. Dr. Karsten Kretschmer vom DFG-Forschungszentrum für
Regenerative Therapien an der TU Dresden (CRTD) hat in enger
Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Harvard Universität
(Boston, USA) herausgefunden, dass die Lieferung bereits
geringster Mengen an körpereigenen Antigenen – gebunden an
Antikörper – ausreicht, die zerstörerische Immunreaktion der
T-Zellen bei MS langanhaltend zu deaktivieren. Die Ergebnisse
wurden in der aktuellen Ausgabe der Proceedings of the National
Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht.
Um den Mechanismus hinter der Methode herauszufinden, wurden
winzige Mengen eines von mehreren Autoantigenen (kleine
Proteine), die unsere Nervenbahnen ungeben und elektrisch
isolieren, an den Antikörper anti-DEC-205 gekoppelt. „Mit
diesem Komplex wurden dann unreife Dendritische Zellen –
weitere Zellen des Immunsystems – versorgt. Der Antikörper
erkennt Oberflächenmoleküle von Dendritischen Zellen, welche
dann die Antigene den zerstörerischen T-Zellen präsentieren“,
erklärt Dr. Kretschmer. Dadurch kann die unerwünschte Funktion
dieser autoimmunen T-Zellen inaktiviert werden. Nach der
Lieferung der Antigene waren Mäuse vor der Erkrankung
"Experimental Autoimmune Encephalomyelitis (EAE)", die der
menschlichen Krankheit MS in vielen Aspekten gleicht,
langfristig geschützt. Sie zeigten keine
Krankheitsanzeichen.
Diese Methode wurde von Karsten Kretschmer und seiner Forschungsgruppe auch schon in früheren Studien bei der Autoimmunerkrankung Typ-1-Diabetes angewandt (siehe CRTD Pressemitteilung vom 7. Juli 2010). Herkömmliche T-Zellen konnten durch zielgerichtete Lieferung von Insulin an Dendritische Zellen in rettende regulatorische T-Zellen umgewandelt werden, die vor Typ-1-Diabetes schützten. In der vorliegenden Studie wurden die zerstörerischen T-Zellen sowohl deaktiviert also auch in regulatorische T-Zellen umgewandelt. Für therapeutische Ansätze könnten sich die Wissenschaftler vorstellen, dass man eine Mischung von mehreren unterschiedlichen, an DEC-205 Antikörper gekoppelte Autoantigene kombiniert, um die Wirkung dieser vorbeugenden Behandlung weiter zu verbessern. Zukünftige Studien konzentrieren sich auf die Frage, ob diese Impfung gegen Autoimmunkrankheiten auch geeignet ist, bereits ausgebrochene Erkrankungen zu mildern oder sogar zu heilen.
Joel N. H. Stern, Derin B. Keskin, Zenichiro Kato, Hanspeter Waldner,Sonja Schallenberg, Ana Anderson, Harald von Boehmer, Karsten Kretschmer, Jack L. Strominger: Promoting tolerance to proteolipid protein-induced experimental autoimmune encephalomyelitis through targeting dendritic cells. Proceedings of the National Academy of Sciences. 2010. Doi: 10.1073/pnas.1010263107
Informationen für Journalisten:
Katrin Boes,
Pressesprecherin CRTD
Tel.: 0351 463-40347,
Dr. Karsten Kretschmer,
Forschungsgruppenleiter am CRTD
Tel.: 0351 458-6442,