14.08.2025
Nature-Studie: Östrogen schützt Nieren – Forschung aus Dresden und Heidelberg belegt Relevanz geschlechtsspezifischer Medizin für Krankheitsverständnis und Therapie

Dr. Wulf Tonnus und Prof. Andreas Linkermann (v.l.n.r.).
Weltweit steigt die Zahl der Menschen, die an Nierenerkrankungen leiden. Laut Schätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO sollen Nierenleiden bis 2050 zu den fünf häufigsten Todesursachen gehören. Oft bleiben Nierenerkrankungen lange unentdeckt, so dass Schädigungen bereits stark fortgeschritten und zumeist irreversibel sind, wenn sie bemerkt werden. Da die zugrundeliegenden Krankheitsmechanismen bislang nicht vollständig bekannt sind, ist eine verstärkte Forschung für ein besseres Krankheitsverständnis, gelingende Prävention bzw. Früherkennung unerlässlich. Ein Forschungsteam aus Dresden und Heidelberg konnte jetzt gemeinsam mit internationalen Partnern neue Mechanismen aufzeigen, die erklären, dass Nierenschädigungen bei weiblichen und männlichen Personen deutliche Unterschiede aufweisen. Dies ist auf die Wirkung des Hormons Östrogen zurückzuführen. Die Studie “Multiple oestradiol functions inhibit ferroptosis and acute kidney injury” wurde jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Eine Haupursache akuter Nierenschädigungen ist die sogenannte Ferroptose, der „biologische Rost“. Durch diesen Prozess gehen Nephrone, die funktionellen Einheiten der Niere, verloren. Mit der Studie wies das Forschungsteam um Prof. Andreas Linkermann, tätig in der Medizinischen Klinik III am Universitätsklinikum Dresden (UKD) sowie Direktor der V. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim, und Prof. Stefan Bornstein, Direktor der MK III am UKD, nach, dass das weibliche Geschlechtshormon Östrogen Nieren auf vielfache Weise gegen Schädigungen durch Ferroptose schützt.
„Zuletzt wurde immer deutlicher, dass Mechanismen der Nierenschädigung bei weiblichen und männlichen Individuen verschieden sind“, erläutert Dr. Wulf Tonnus, einer der drei Erstautoren dieser Studie und Nachwuchswissenschaftler an der MK III. „Es stellte sich heraus, dass Estradiol, ein Hormon aus der Gruppe der Östrogene, die Widerstandsfähigkeit gegen Ferroptose erhöht. So fangen körpereigene Metabolite der Estradiole schädigende Radikale direkt ab, während das Ursprungshormon ein komplexes genetisches Programm zur Verhinderung von Ferroptose aktiviert.“
Diese Erkenntnisse unterstreichen einmal mehr die Bedeutung der Geschlechtshormone für vielfältigste Prozesse im Körper. Ein besseres grundlegendes Verständnis ihrer Wirkweise hilft langfristig auch dabei, wirksame Therapien für Menschen mit Nierenerkrankungen zu entwickeln. Insgesamt bedeutet ein geschlechterspezifisches Verständnis von Krankheiten einen wichtigen Schritt hin zu individualisierten Ansätzen und mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Medizin.
„Diese Studie ist ein großer wissenschaftlicher Erfolg. Dass junge Clinican Scientists dies gemeinsam mit anerkannten Wissenschaftlern erreichen, unterstreicht das exzellente Forschungsumfeld, das die Medizinische Fakultät der TU Dresden und die Medizinische Klinik und Poliklinik 3 bieten“, erklärt Prof. Esther Troost, Dekanin der Medizinischen Fakultät.
„Die neuen Erkenntnisse geben uns die Chance, Nierenerkrankungen künftig gezielter zu behandeln. So können wir am Universitätsklinikum Dresden neue, individuell zugeschnittene Therapien entwickeln, damit Nierenkrankheiten früh erkannt und wirksam behandelt werden können – für mehr Gesundheit und Lebensqualität”, ergänzt Prof. Uwe Platzbecker, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums.
Publikation: “Multiple oestradiol functions inhibit ferroptosis and acute kidney injury” (DOI 10.1038/s41586-025-09389-x): https://www.nature.com/articles/s41586-025-09389-x.
Begleitendes Editorial „news and views“: https://doi.org/10.1038/d41586-025-02422-z
Hintergrund:
Finanziell unterstützt wurde das Forschungsprojekt insbesondere von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG): https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/522190184. Hinzu kamen etliche weitere Förderprogramme.
Kontakt:
Anne-Stephanie Vetter
Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus
der Technischen Universität Dresden
+49 (0) 351 458 17903
www.tu-dresden.de/med
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Andreas Linkermann, FASN
Direktor V. Medizinische Klinik - Nephrologie/Hypertensiologie/Transplantationsmedizin
Endokrinologie/Diabetologie/Lipidologie/Rheumatologie/Pneumologie
Facharzt für Innere Medizin, Nephrologe, Transplantationsmediziner
Visiting Professor at Albert Einstein College of Medicine – Department of Nephrology
Medizinische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Universitätsklinikum Mannheim GmbH
+49 (0) 621 383 3660
Dr. med. Wulf Tonnus
Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie
Junior Group Leader // Funktionsoberarzt
Sektion Nephrologie - Medizinische Klinik und Poliklinik III
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
an der Technischen Universität Dresden
+49 (0) 351 458 19520