18.09.2018
Neues Dresdner Universitätsjournal mit diesem Titelthema: Todesbescheinigungen fast immer fehlerbehaftet
Alarmierende Studie: TUD-Rechtsmediziner machen Leichenschau zur Chefsache
Die Fachwelt sieht bundesweit dringenden Handlungsbedarf – und die Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der TUD geht mit Unterstützung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, der Sächsischen Landesärztekammer und des Dresdner Gesundheitsamtes in die Offensive. Mit dem neuen Modul »Ärztliche Leichenschau« ihres Medizinischen Interprofessionellen Trainingszentrums (MITZ) bildet die Fakultät mit ihrem Institut für Rechtmedizin Studenten, Ärzte und Kriminalbeamte gezielt weiter, um das korrekte Ausfüllen der Todesbescheinigung und die Genauigkeit der zugrundeliegenden Leichenschau zu verbessern.
Dabei kommen auch realistische Spezial- Dummies zum Einsatz, die von den Mitarbeitern des MITZ und den Rechtsmedizinern passend zur jeweiligen Todesursache »hergerichtet« werden können. »Aber ohne den Einsatz von Florian Tautz, der als studentische Hilfskraft mit umfassender gerichtsmedizinischer Vorbildung einen Großteil des Moduls entwickelt hat und jetzt mit betreut, wäre dieser wesentliche Fortschritt in der gezielten Weiterbildung zur Leichenschau so rasch nicht möglich gewesen«, unterstreicht Dr. Uta Flössel, Fachärztin für Rechtsmedizin und eine der Initiatoren des neuen MITZ-Moduls.
Bereits seit Jahrzehnten gibt es in Deutschland eine Diskussion zur Qualität der Leichenschau, deren Standards von Bundesland zu Bundesland verschieden sind. Allerdings erfolgten bisher trotz aller Kritik keine strukturellen Änderungen.
Nicht zuletzt wegen einer alarmierenden Studie von Rostocker Rechtsmedizinern um Dr. Fred Zack kommt es nun zu konkreteren Maßnahmen. Die Auswertung von 10 000 Todesbescheinigungen der Jahre 2012 bis 2015 aus Mecklenburg- Vorpommern zeigte viele Defizite bei der korrekten Ausstellung einer Todesbescheinigung. Die Ursachen dafür sind vielseitig. Das Ergebnis dieser Studie, dass vor Bereinigung 97,77 Prozent und nach Bereinigung noch 89,63 Prozent der ausgestellten Todesbescheinigungen fehlerhaft gewesen sind und insgesamt 3116 schwerwiegende Fehler festgestellt wurden, ist ein weiteres Beispiel für die erheblichen Probleme im Zusammenhang mit der ärztlichen Leichenschau in der Bundesrepublik Deutschland.
Nun hat auch die Sächsische Landesärztekammer (SLÄK) auf ihrem 28. Ärztetag im Juni 2018 einen Beschluss zur Verbesserung der Qualität der Leichenschau verabschiedet, in dem die Fortbildung besonders gefördert wird. Dr. Uwe Möbus vom Gesundheitsamt Dresden und Dr. Uwe Schmidt vom Institut für Rechtsmedizin der TU Dresden verfassten für die SLÄK einen Leitfaden zur Ärztlichen Leichenschau, der der aktuellen September-Ausgabe des Ärzteblatts Sachsen beiliegt. Denn die derzeitige Situation in Sachsen unterscheidet sich nach Erfahrung der Leitfaden-Autoren nicht wesentlich zu den für Mecklenburg-Vorpommern in der Rostocker Studie ermittelten Ergebnissen. »Wir wollen der Ärzteschaft eine Anleitung zur korrekten Durchführung der Leichenschau und Erstellung der Todesbescheinigung an die Hand gegeben und zugleich die Qualität der Todesbescheinigungen verbessern«, skizziert Dr. Schmidt das wesentliche Anliegen. Denn bei der Prüfung der Todesbescheinigungen durch das Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Dresden auf Plausibilität und Vollständigkeit der vom Arzt nach der Leichenschau vorgenommenen Eintragungen fiel unter anderem auf, dass eine nicht geringe Anzahl der Todesbescheinigungen nicht nur unvollständig, sondern auch nicht korrekt ausgefüllt waren. Dies betraf einerseits die Angabe zur Todesursache und andererseits die Festlegung der Todesart. So wurde beispielsweise trotz der Feststellung ›Tod infolge Zugüberfahrung‹ das Kreuz bei ›natürlicher Tod‹ gesetzt.
Nicht korrekt ausgestellte Todesbescheinigungen können dazu führen, dass das Standesamt den Sterbefall nicht beurkundet. Die fehlerhafte Festlegung der Todesart, z. B. »natürlich« statt »nicht natürlich« beziehungsweise »ungeklärt«, kann dann im Nachgang noch zu polizeilichen Ermittlungen führen – ein zusätzliches Trauma und Ärgernis für die Hinterbliebenen.
Autor: Konrad Kästner
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 14/2018 vom 18. September 2018 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.