26.09.2007
TUD-Psychologen erhoffen sich neue Erkenntnisse über Formen der Sucht
Warum werden manche Menschen abhängig von Zigaretten, Alkohol oder Drogen und andere nicht? Warum entwickeln machen Jugendliche nach Erstgebrauch von Alkohol, Zigaretten und Drogen einen regelmäßigen oder abhängigen Gebrauch und manche können einfach wieder aufhören? Welche psychologischen Prozesse spielen dabei eine Schlüsselrolle, und was passiert dabei eigentlich im Gehirn?
"Das sind einige der vielen Fragestellungen, denen im Neuroimaging Centre der Psychologie an der TUD nun nachgegangen wird, welches am 1. Oktober 2007 eröffnet wird", sagt der Sprecher des Suchtforschungsverbunds, Professor Hans-Ulrich Wittchen. Herzstück des Zentrums ist ein neuartiges, extrem leistungsfähiges Magnet-Resonanz-Tomographie(MRT)-System, mit dem neuronale Veränderungen des Gehirns bei Denken, Fühlen, Verhalten und Entscheiden detailliert dargestellt werden können. Derartige hochkomplexe Systeme wurden bislang vor allem in der klinisch-medizinischen Diagnostik eingesetzt. Deutschlandweit einzigartig ist am Dresdner Zentrum, dass MRT und Neuroimaging Zentrum ausschließlich der Forschung derartiger Fragestellungen gewidmet sind. Damit werden den Forschergruppen der Psychologie und Medizin an der TUD optimale Voraussetzungen eröffnet, unter anderem ihre führende Rolle in der Suchtforschung weiter auszubauen. "Uns geht es weniger darum die Folgen der Sucht - als vielmehr die Wege in die Sucht zu entschlüsseln!" fasst Professor Wittchen die Hauptzielsetzung zusammen.
Nur 18 Monate nach der Antragstellung - und nach nur sechs Monaten Bauzeit - nimmt das neu gegründete Dresdner Neuroimaging Centre der TU Dresden nun seine Arbeit auf. Gefördert wurde die Einrichtung des Zentrums durch das Suchtforschungsprogramm des BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung), welches für die Anschaffung des funktionellen MRTs 3,4 Millionen Euro zur Verfügung stellte. Die Dresdner Wissenschaftler konnten die Gutachter nicht nur durch ihr inhaltliches Forschungskonzept, die "Wege in die Sucht" zu untersuchen, überzeugen, sondern auch durch ihre überzeugende Vernetzung verschiedener Arbeitsgruppen. Im Zentrum steht dabei das Institut für Allgemeine Psychologie, welche sich mit den Grundlagen der sog. kognitiv-affektiven Neurowissenschaften beschäftigt. "Die Verbindung der Methoden und Grundlagenerkenntnisse dieses Fachgebiets" - so Professor Goschke - "z. B. mit eher anwendungsbezogenen Fragen der Suchtforschung - vertreten durch Prof. Gerhard Bühringer, der Klinischen Psychologie (Prof. Hans-Ulrich Wittchen) sowie der Psychiatrie (Privatdozent Dr. Michael Smolka) und Medizin verspricht neue bahnbrechende Erkenntnisse."
Der f-MRT kann über den Sauerstoffgehalt des Blutflusses die Aktivität im Gehirn messen; je nach Aktivität werden die Gehirnregionen in unterschiedlichen Farben dargestellt. Dieses Verfahren ist auch für Jugendliche und für Wiederholungs-Untersuchungen geeignet, da bei der Anwendung, im Gegensatz zu Röntgen- und CT-Untersuchungen, keine Strahlenbelastung und sonstige Gefährdungen auftreten. "Die Untersuchung von Adoleszenten ist so zentral, weil in dieser Entwicklungsphase nicht nur viele entwicklungsbezogene neuronale und psychologische Veränderungen passieren, sondern auch die Hochrisikozeit für den Beginn von Sucht- und Angsterkrankungen beginnt" so Professor Bühringer.
Professor Wittchen hebt hervor, dass es ein großer Vorteil für die Dresdner Forscher ist, dass der f-MRT ausschließlich zu Forschungszwecken genutzt werden kann. Dadurch steht ihnen für ihre Projekte weitaus mehr Zeit zur Verfügung als den meisten derartigen Systemen, die sich zumeist überlastet im Klinischen Routineeinsatz befinden. Viel Zeit aber ist erforderlich, um die aufwändigen Untersuchungen an Probanden vorzubereiten, und dann so durchzuführen, dass die komplexen Vorgänge zwischen Gehirn, Denken, Fühlen und Handeln beobachtet, messbar und in Beziehung gebracht werden können zu der Entstehung von Suchtverhalten.
Die Grundlagenforscher um Prof. Thomas Goschke werden das bildgebende Verfahren unter anderem einsetzen, um genauer zu entschlüsseln, welche Gehirnregionen es dem Menschen ermöglichen, zielgerichtet, willentlich und langfristig zu denken und zu handeln, welche Regionen also für die Kontrollprozesse im Gehirn zuständig sind, und wie die komplexen Netzwerke miteinander kommunizieren und sich gegenseitig beeinflussen.
Diese Kontrollfunktionen können durch Experimente untersucht werden, in denen die Probanden in Konfliktsituationen gebracht werden. So sollen sie beispielsweise benennen, in welcher Farbe Wörter geschrieben sind. Diese Wörter bezeichnen selbst jedoch wiederum - andere - Farben. Sieht also der Teilnehmer vor sich das Wort "blau", das in roter Farbe geschrieben ist, muss er die automatisch ablaufende Reaktion "blau" zu lesen kontrollieren, um die richtige Antwort, nämlich "rot", geben zu können.
Die damit gewonnenen Erkenntnisse über Kontrollprozesse im menschlichen Gehirn sind für die verschiedenen Arbeitsgruppen für Suchtforschung direkt relevant, da vermutet wird, - so Professor Bühringer - dass diese Prozesse - neben verschiedenen anderen Faktoren wie Umweltreizen und genetischen Prädispositionen - für das Risiko abhängig zu werden, eine wichtige Rolle spielen. Deshalb versuchen die Psychologen am Neuroimaging Centre der TU Dresden einerseits herauszufinden, wie sich die Kontrollmechanismen durch Drogenkonsum verändern, andererseits aber auch, ob bereits während der Entwicklung des Gehirns Unterschiede in den Kontrollsystemen auftreten, die die Anfälligkeit, eine Sucht zu entwickeln, erhöhen. Hierbei kommt einer ebenfalls vom BMBF geförderten Nachwuchsgruppe um PD Michael Smolka eine entscheidende Bedeutung zu, die "Wege in die Sucht" zu entschlüsseln. Langfristiges Ziel der Studien ist, aus den Erkenntnissen über die Entstehung von Abhängigkeiten neue Ansätze für Prophylaxe und Therapien entwickeln zu können.
Am Montag, 1. Oktober 2007, wird das Neuroimaging Centre feierlich eröffnet. Allen Interessierten wird dabei ab 14 Uhr die Gelegenheit geboten, das Bildgebungszentrum zu besichtigen und sich in einer Posterausstellung, bei Führungen und Demonstrationen einen Eindruck von der Arbeit zu verschaffen. Ab 14 Uhr stellen zudem die einzelnen Arbeitsgruppen ihre jeweiligen Projekte vor.
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Nikotin und seine Wirkungen auf das Gehirn
Angst und Suchterkrankungen
Spielsucht und Drogenabhängigkeit
Foto
(300 dpi, Foto: TUD/Karsten Eckold)
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen
Fakultät Mathematik und Naturwissenschaften
Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie
Tel. 0351 463-38577
Prof. Dr. Gerhard Bühringer
Fakultät Mathematik und Naturwissenschaften, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie
Professur für Suchtforschung
Tel. 0351 436-39828
Prof. Dr. Thomas Goschke
Fakultät Mathematik und Naturwissenschaften
Institut für Allgemeine Psychologie
Tel. 0351 436-37678