04.06.2009
„Obama will uns zuhören – aber auch wir können von der amerikanischen Gesellschaft lernen“
Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika besucht in dieser Woche die sächsische Landeshauptstadt. Ein historisches Ereignis für Dresden, oder doch eher etwas für das politische Protokoll? Martin Morgenstern hat darüber mit Monika Medick-Krakau, Inhaberin der Professur für Internationale Politik am Institut für Politikwissenschaft und am Zentrum für Internationale Studien (ZIS) der TU Dresden, gesprochen.
Frau Prof. Medick-Krakau, ist Barack Obamas Besuch ein Zeichen, dass die transatlantischen Beziehungen gerade zum „Alten Europa“ wieder etwas entspannt sind?
Medick-Krakau: Für die Stadt Dresden ist Präsident Obamas Besuch sicherlich ein historisches Ereignis. Gewöhnlich gilt ja der Besuch eines amerikanischen Präsidenten der Hauptstadt, und es hat deshalb ja auch kritische Fragen aus Berlin gegeben. Wie seine Berater sagten, hat Präsident Obama ein besonderes Interesse an den neuen Bundesländern, und da ist es vielleicht nicht allzu verwunderlich, dass er Dresden gewählt hat, die Stadt, die Altes und Neues verbindet und die auch für Versöhnung steht: den Wiederaufbau der Frauenkirche haben Menschen überall in der Welt unterstützt.
Wir alle wissen, dass es in den transatlantischen Beziehungen seit Beginn dieses Jahrzehnts zunehmende Entfremdung und viele Zerwürfnisse gegeben hat. Seit Obama Präsident geworden ist, hat eine neue Phase der Kooperation begonnen. Seine Beliebtheit hängt sicher auch damit – aber nicht nur damit – zusammen. Das heißt nicht, dass es keine divergierenden Interessen und keine Meinungsunterschiede zwischen den USA und Deutschland (beziehungsweise Westeuropa) mehr gibt. Das heißt aber, dass die amerikanische Seite von sich aus die Kooperation intensiviert, dass sie informiert, konsultiert und, wie Obama selbst immer wieder betont, den Europäern zuhören will. Gerade in den gegenwärtigen weltwirtschaftlichen Turbulenzen zeigt sich, dass die USA und Europa einander brauchen.
Welche bildungspolitischen Ziele wird Obama verfolgen? Würde ihm das Modell der TU Dresden (staatliche Bildungsförderung) gefallen, oder würde er größeres privatwirtschaftliches Engagement fordern?
Obama und seine Frau verdanken ihr Studium an der Harvard University Stipendien und kompensatorischen Programmen, die begabte junge Leute aus Minderheitengruppen fördern. Chancengleichheit im Bildungssystem liegt dem Präsidenten daher besonders am Herzen. Allerdings ist die Rolle der Bundesregierung in Washington im Bereich der Bildungspolitik beschränkt, wenn auch der Spielraum für Bundesprogramme etwas größer ist als in unserem föderalen System. Selbstverständlich haben auch die USA ein System öffentlicher Bildungsfinanzierung (alle öffentlichen Universitäten erhalten Staatszuschüsse), aber ebenso selbstverständliche verlangen auch Staatsuniversitäten und auch lokale Colleges Studiengebühren. Etwas anderes wird sich auch Obama schwerlich vorstellen können. Sozial abgefedert ist dieses System zunächst durch staatlich garantierte Studienkredite, und in diesem Bereich möchte die Obama-Administration die Bundeskompetenzen gern stärken. Auch gibt es eine Vielzahl von Stipendien, die überwiegend aus Stiftungsmitteln oder privat finanziert werden. Privates Engagement – bürgerschaftliches Engagement, keineswegs nur von Wirtschaftsunternehmen - gehört zum guten Ton; jeder der es sich irgend leisten kann, unterstützt „seine“ Universität mit Zuwendungen. Das ist etwas, was wir vielleicht von der amerikanischen Gesellschaft lernen können.
Sicherlich ist der Besuch auch ein Ansporn für die Studierenden des Zentrums für Internationale Studien (ZIS) hier an der Universität ...
Die Studierenden des Zentrums für Internationale Studien (ZIS) hätten gern die einmalige Gelegenheit ergriffen, den amerikanischen Präsidenten höchst persönlich zur neuen amerikanischen Weltpolitik zu befragen. Sie haben dazu trotz der geringen Chancen die Initiative ergriffen. Dies zeigt das besondere Interesse und Engagement der Studierenden der Internationalen Beziehungen; beides fördern wir durch die Aufmerksamkeit, die wir im ZIS der amerikanischen Außenpolitik und den transatlantischen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen widmen. In der Lehre am ZIS haben diese Themen nicht erst seit der spannenden Auseinandersetzung um die Bush-Nachfolge – die Prof. Paul Rundquist, amerikanischer Gast am ZIS, im vergangenen Winter den Studierenden nahegebracht hat – sondern seit vielen Jahren ihren Platz, denn es handelt sich um Fragen, zu denen ich selbst und mehrere meiner Kollegen forschen. Die Position der USA spielt auch für die Rolle der UNO im internationalen System, für Klimaschutz und Entwicklungspolitik und Menschenrechte und für andere Themen, für die sich Völkerrechtler, Politikwissenschaftler und zum Teil auch Wirtschaftswissenschaftler interessieren, eine wichtige Rolle.
In diesem Sommer beschäftigen sich ZIS-Studierende – passend zum Obama-Besuch – in einem Forschungsseminar mit der Frage, welche Herausforderungen und Chancen die neue amerikanische Weltpolitik für die deutsche und europäische Außenpolitik bereithält. Wenn es auch kein Interview mit dem amerikanischen Präsidenten geben wird, so werden wir doch demnächst bei einem Besuch im Bundeskanzleramt den außenpolitischen Berater der Kanzlerin dazu befragen können.
Weitere Informationen:
M.A. Alexander Brand
Tel.: 0351 463-35712