27.04.2010
Wie viel Zeit braucht die Veränderung?
Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass mit Hilfe von Psychotherapie auch in relativ kurzer Zeit stabile Veränderungen bei psychischen Störungen erreicht werden können.
Dazu diskutieren am 30. April 2010, ab 16 Uhr namhafte Experten der psychologischen, psychotherapeutischen und neurobiologischen Forschung im Deutschen Hygiene-Museum.
Professor Wolfgang Lutz, Universität Trier, einer der international wichtigsten deutschen Psychotherapieforscher, demonstriert von ihm entwickelte Methoden der so genannten patientenorientierten Psychotherapieforschung. Mit diesen Analysemethoden wird es möglich, aus dem individuellen Verlauf einer ambulanten Psychotherapie klinische Entscheidungen abzuleiten.
Professor Siegfried Gauggel, Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der RWTH Aachen, referiert zu der Frage, in welchem Zeitrahmen grundlegende kognitive Funktionen – also z.B. Wahrnehmung, Gedächtnis und Denkprozesse – durch gezielte Trainings verbessert werden können. Er berichtet über die Erfolge solcher Funktionstrainings, zum Beispiel bei älteren Menschen oder bei Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen (Schizophrenie). Gleichzeitig wird deutlich, dass die Funktionstrainings oft nur genau das fördern, was auch trainiert wird; der Übertrag in andere Leistungsbereiche gelingt hingegen nicht immer gleichermaßen. Während in diesen Feldern Trainingserfolge in Zeiträumen von wenigen Wochen bis zu einigen Monaten zu erreichen sind, so zeigt die so genannte Expertiseforschung, dass zum Erwerb von komplexen kognitiven Funktionen oft Jahre kontinuierlichen Trainings erforderlich sind. Ferner setzen alle Formen kontinuierlichen Trainings voraus, dass die Bemühungen mit den Lebenszielen der Trainierenden gut vereinbar sind.
Professor Jürgen Hoyer, Leiter der Institutsambulanz und Tagesklinik für Psychotherapie der TU Dresden, argumentiert für eine stärkere Berücksichtigung der Zeitdimension auch in der Psychotherapie. Ob Patient und Therapeut ein bestimmtes Therapieziel in einer bestimmten Zeit erreichen, hängt wesentlich davon ab, ob sie diese zeitlichen Ziele auch definieren. Er stellt Daten aus einem DFG-geförderten Projekt im Bereich der Sozialen Angst vor, bei dem durch eine zeitlich optimierte Therapie die Therapiedauer um ca. 70 Prozent verkürzt werden konnte.
Als Hauptredner konnten die Kongressorganisatoren, Prof. Jürgen Hoyer und Prof. Hans-Ulrich Wittchen vom Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der TU Dresden, einen der international renommiertesten Traumaforscher im Bereich der klinischen Neurobiologie, Professor Thomas Elbert, Universität Konstanz, gewinnen. Prof. Thomas Elbert referiert faszinierende neue Befunde zur Anpassungsfähigkeit von Menschen nach Extrembelastungen und beantwortet unter anderem die Fragen: Welche Anpassungsleistungen bewältigt das Gehirn nach psychischen Extrembelastungen? Welche Veränderungen kann man im Gehirn mit bildgebenden Methoden beobachten? Wie kann man das Gehirn bei diesen Veränderungen unterstützen? Und: Wie viel Zeit nehmen diese Veränderungen in Anspruch?
Die Veranstaltung ist die Eröffnungsveranstaltung der 20. Dresdner Verhaltenstherapiewoche, die mit über 800 Teilnehmern pro Jahr als größte und wichtigste Fortbildungsveranstaltung für Verhaltenstherapeuten gilt.
Weitere Informationen:
Professor Jürgen Hoyer
Tel.: 0351 463-36986