11.09.2015
"Ich möchte nicht, dass sich die Menschen vor dem Islam fürchten"
Dr. Amir Sepanji ist einer der diesjährigen DRESDEN FELLOWS und seit Februar bis einschließlich Dezember 2015 am Institut für Kommunikationswissenschaften tätig. Das DRESDEN Fellowship Programm für Gastwissenschaftler ermöglicht sowohl Nachwuchswissenschaftlern als auch etablierten Forschern einen Aufenthalt an der TU Dresden. Im Mittelpunkt stehen dabei die Intensivierung der Zusammenarbeit und der Aufbau langfristiger, strategischer Kooperationsvorhaben mit Einrichtungen und Arbeitsgruppen der TU Dresden.
Dr. Sepanji stammt aus Teheran, Iran, und seine Forschungs- und Lehrinteressen lassen sich auf den Feldern des Islams, der Kultur, der Medien und der politischen Kommunikation im Mittleren Osten und im Iran, speziell der Islamophobie, finden. Darüber hinaus forscht Dr. Sepanji am Verhalten der Zuhörerschaft in Massenmedien und analysiert diese durch qualitative und quantitative Methoden. In Dresden untersucht er die mediale Darstellung islamischen Terrors in deutschen, iranischen, französischen und US-amerikanischen Printmedien. Wir sprachen mit ihm über seine Forschungen und Untersuchungen, die europäischen Furcht vor dem Islam, sein Heimatland und die dortigen aktuellen Entwicklungen.
Herr Dr. Sepanji, ist Ihr Aufenthalt in Dresden der erste in dieser Stadt oder generell in Deutschland?
Dr. Sepanji: Ja, das ist mein erster Gastbesuch in Deutschland und als ein DRESDEN FELLOW bin ich auch das erste Mal in Dresden.
Welche Eindrücke hatten Sie bisher von Dresden?
Dr. Sepanji: Dresden ist eine wunderschöne Stadt, so ruhig und friedlich und ich genieße es sehr, hier zu leben.
Welche Unterschiede zu Teheran fallen Ihnen besonders auf?
Dr. Sepanji: Teheran ist eine riesige Metropole mit etwa 17 Millionen Einwohnern. Das macht diese Stadt hektisch und laut und es dauert ungefähr zwei Stunden, um von einer Seite zur anderen zu gelangen. Im Gegensatz dazu ist Dresden eine wunderschöne Stadt voller Natur und mit so wenigen Staus, die Luft ist sehr rein und ich genieße es sehr, an der Elbe spazieren zu gehen oder mir die Altstadt anzuschauen.
Wie kam der Kontakt zur Technischen Universität zustande? Kannten Sie Professor Donsbach und Professor Hagen bereits vorher?
Dr. Sepanji: Ich begegnete Prof. Donsbach 2011 auf einer Konferenz in Istanbul. Sein plötzlicher Tod ist ein riesiger Verlust für uns und ich kann immer noch nicht richtig begreifen, dass er so unerwartet verstorben ist.
Wir standen seit 2011 in regem E-Mail-Kontakt. Ich berichtete ihm über meine Postdoc-Phase und daraufhin lud er mich ein, zusammen mit ihm hier in Dresden an einem Projekt mitzuarbeiten. Der Kontakt zur TU kam also über Prof. Donsbach zustande. Am Institut für Kommunikationswissenschaften lernte ich dann Prof. Hagen kennen, mit dem ich sehr gerne meine Erfahrungen austausche und dessen präzisen Blick auf die Kommunikationswissenschaft ich sehr schätze.
Sind Sie als DRESDEN FELLOW auch an Lehrveranstaltungen beteiligt?
Dr. Sepanji: Ja, ich hielt im vergangenen Semester ein Seminar, das in einen Kurs über Mediensysteme auf der Welt eingebettet war. Die von mir gehaltene Sitzung behandelte das iranische Mediensystem und fand vor etwa fünf Wochen statt. Ich fand heraus, dass die Studenten sehr begierig darauf waren, etwas über den Iran und seine Medien zu erfahren, denn das Bild, das die meisten von ihnen von diesem Land hatten, speiste sich aus Stereotypen, die sie über den Alltag im Iran hatten. Das System der Islamischen Republik Iran ist seit der Islamischen Revolution von 1979 sehr isoliert und konservativ und das Mediensystem ist sehr kompliziert und eng an das politische System gebunden. Dieses wiederum wird von der Politik und den Machtausübenden streng kontrolliert. Dieser Gesichtspunkt würde den Rahmen dieses Interviews jedoch sprengen.
Mein anderes Untersuchungsgebiet besteht in der Vorbereitung eines Entwurfes über die Islamophobie, bei der ich eine im Iran entwickelte Kontext-Analyse verwende und diese auf deutsche, iranische, französische und amerikanischen Printmedien anwende. Ich möchte damit die Darstellung des Anschlages auf die Zeitschrift „Charlie Hebdo“ im Januar dieses Jahres in Paris untersuchen. Dafür habe ich mich für zwei weitere Stipendien beworben, sodass ich meinen Aufenthalt hier in Deutschland verlängern könnte, um meine wissenschaftlichen Ziele noch besser zu verfolgen.
Mein dritter Untersuchungsgegenstand beleuchtet das so genannte „Audience Phantasm“, eine Theorie und ein Konzeptmodell, das ich in meiner Dissertation entwickelt habe. Diese Modell beschreibt die Vorstellungskraft der Leser und der Medien in Zusammenhang mit den Reden politischer Würdenträgern in islamischen Ländern, besonders aber im Iran. Zusammen mit Prof. Hagen und Prof. Donsbach beabsichtigten wird, ein Paper darüber zu veröffentlichen, in dem wir diese Theorie vorstellen wollten. Nach dem tragischen Tod von Prof. Donsbach müssen wir zunächst sehen, wie es damit weitergeht.
Wie würden Sie das iranische Mediensystem einschätzen? Kann man es als geschlossen ansehen? Sie betonten die große Einflussnahme darauf durch die Politik und durch religiöse Würdenträger.
Dr. Sepanji: Um Ihnen darauf eine Antwort geben zu können, muss ich mich ein weiteres Mal auf meine Dissertation beziehen, in welcher ich eine Inhaltsanalyse anwendete, die ein Amalgam aus qualitativen und quantitativen Teilen war. Das gesamte iranische Mediensystem, besonders Funk und Fernsehen, ist unter der Kontrolle des geistigen Oberhaupts Ayatollah Ali Khamenei. Das Rundfunksystem heißt „Rundfunk der Islamischen Republik Iran“ (IRIB) und der Vorsitzende wird von Khamenei ernannt. Ihm unterstehen etwa 50 Radio- und 49 Fernsehsender. Die Printmedien sind grundsätzlich dem Presserat und dem Ministerium für Kultus und Islamischer Führung unterstellt, dessen Minister vom Staatspräsidenten ernannt wird und die Zustimmung des Parlaments benötigt. Der Presserat ist befugt, bestimmte Printmedien zu zensieren.
Was denken Sie über die Veränderungen in der Regierung, nachdem Ahmadi-Nejad abgewählt wurde? Ist das Land freier geworden?
Dr. Sepanji: Wir, Bürger des Irans, hoffen es sehr. Dennoch sind die Sanktionen gegen unser Land immer noch das größte Problem. Immer noch haben viele Menschen größte Schwierigkeiten, einen Zugang zu Medikamenten oder grundlegenden menschlichen Bedürfnissen zu erhalten. Wir erhoffen uns, dass nach dem Atomabkommen diese Bedingungen deutlich besser werden. Für das iranische Volk sind die Sanktionen besonders schmerzlich. Die neue Regierung unter Hassan Rohani arbeitet mit Hochdruck an der Lösung der wirtschaftlichen Probleme und haben somit nicht genug Zeit, sich mit politischen und internen Problemen wie die Meinungs- und Pressefreiheit zu begegnen. Wir haben in den Reden Rohanis schon viele gute Ansätze vernehmen können, aber zunächst muss der Nuklearkonflikt gelöst werden. Ich denke, dass es nicht so schnell gehen wird, da die politische Situation des Irans immer noch recht instabil ist und die Verbindungen des Landes zum Rest der Welt sehr zerbrechlich erscheinen.
Wie ergeht es den anderen Medien im Iran wie der Musik, dem Theater, usw.?
Dr. Sepanji: Für die Musik, das Kino und das Theater ist das Ministerium für Kultus und Islamische Führung verantwortlich. Beobachter durchsuchen alle Inhalte und wenn diese den strengen Auflagen genügen, werden Veröffentlichungsgenehmigungen ausgestellt. Der Minister muss sich allerdings den Fragen des konservativen Parlaments stellen. In der letzten Woche wurde ein Film über eine religiöse Persönlichkeit zensiert. Er handelte vom Neffen des Propheten Mohammed. Dieser Zensurprozess beweist, wie stark der Einfluss religiöse Gruppierungen im Iran wirklich ist.
Ihr Interessensgebiet stellt die Beschreibung islamischen Terrors in den Medien dar. Was fasziniert Sie an diesen Forschungen?
Dr. Sepanji: Wie ich schon sagte, untersuche ich die Darstellung islamischen Terrors in iranischen Medien, da der Iran ein islamisches Land ist. Demgegenüber interessiert mich die Darstellung in nicht-islamischen Ländern wie Deutschland, Frankreich und den Vereinigten Staaten. Mein Ziel ist die Untersuchung der Darstellungsweisen. Als Teil dieser Untersuchungen versuche ich herauszufinden, wie diese Medien den Islam als weltweit größte Religion darstellen. Das ist sehr wichtig für mich, weil ich gerade hier in Dresden festgestellt habe, dass so viele Leute kaum etwas über den Islam wissen. Er ist die Religion der Gnade und der Toleranz aber viele Menschen denken, er ist die Religion des Terrors. Wenn wir die Ursprünge des islamischen Glaubens kennen, wissen wir, dass ISIS oder andere Terrorgruppen keinesfalls Moslems sind, die an den Islam glauben. Als Experte für Islamstudien mit einer Erfahrung von mehr als 30 Jahren kann ich Ihnen versichern, dass die Ursprünge des Judentums, des Christentums und des Islams die gleichen sind. Diese Terroristen folgen nicht den Empfehlungen von Mohammed. Er war der friedlichste Mensch seiner Zeit und es gibt eine Vielzahl von Versen im Koran, die seine Abscheu vor terroristischen Akten belegen.
Leider stellen viele Medien die unterschiedlichen Terrorgruppen als Repräsentanten des Islam dar und die Menschen akzeptieren das als gegeben und hinterfragen die Wahrheit und Glaubwürdigkeit der Nachrichten nicht.
In der Vergangenheit führte der Iran mit dem Irak einen langen und blutigen Krieg. Wie ist heute die Beziehung zwischen beiden Staaten?
Dr. Sepanji: Damals war es Saddam Hussein, der den Krieg mit dem Iran unter Befürwortung der Vereinten Nationen begann. Man kann diesen Krieg als Bruderkrieg ansehen und er war eigentlich umsonst. Heutzutage haben wir keinerlei Probleme mehr untereinander. Beide Staaten arbeiten auf so vielen wirtschaftlichen und kulturellen Gebieten zusammen, Iraker kommen in den Iran und andersherum. Heutzutage ist IS das größte Problem und ich denke, alle Länder des Mittleren Ostens sollten sich gegenseitig im Kampf gegen diese Terroristen unterstützen. Leider kommen sehr viele Dollar, die aus Ölverkäufen entstammen und die IS unterstützen, aus einigen Ländern der Region.
Wie könnte eine Lösung dieses Problems aus Ihrer Sicht aussehen?
Dr. Sepanji: Ich denke, dass große islamische Länder wie der Iran oder Saudi-Arabien dieses Problem gemeinsam mit anderen Staaten lösen sollten. Wenn diese in einen gemeinsamen Dialog treten würden, könnten die Konflikte in Zusammenhang mit dem IS sowie Missverständnisse gelöst werden. Dass Iran diese Lösung nach der atomaren Übereinkunft anstrebt, zeigen der Besuch des Außenminister Dr. Zarif in Katar und Kuweit, sowie sein Aufenthalt im Irak in der letzten Woche, um zu einer Lösung auf regionaler Ebene beizutragen.
Werden Sie in Dresden bleiben?
Dr. Sepanji: Im Moment ist mein Visum lediglich bis zum Ende des Jahres gültig. Allerdings führte ich bereits Gespräche mit Prof. Hagen und sollten die Stipendien, für die ich mich beworben habe, positive beantwortet werden, könnte ich länger hier in Deutschland bleiben, weil Deutschland international einen guten Ruf wegen seines einzigartigen und guten Bildungssystems genießt. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass die Vielfalt und Diversität des in Europa erworbenen Wissens weitere Schlüsselkomponenten darstellen, die man benötigt, um eigene wissenschaftliche Ziele erreichen zu können.
Weiterhin hoffe ich die Möglichkeit zu erhalten, meine Studien in Deutschland fortführen zu können, auch in Hinsicht auf das Islambild, das viele Deutsche haben. Dieses speist sich vielfach aus falschen Eindrücken und Experten wie ich könnten helfen, dies zu ändern.
Welche Hinweise geben Sie zukünftigen Studierenden der Kommunikationswissenschaften mit auf den Weg?
Dr. Sepanji: Zuallererst denke ich, dass Studierende unseres Faches beständig darauf bedacht sein sollten, ihr Spektrum und ihren Fokus in Bezug auf andere Länder zu erweitern. Sie müssen aus ihrem Schneckenhaus herauskommen, um sich stets weiterbilden zu können. Die Hinterfragung der eigenen Persönlichkeit ist dabei ein wesentlicher Faktor, um erfolgreich sein zu können. Es gibt immer mehr zu lernen, besonders wenn es darum geht, die unterschiedliche und komplizierte aktuelle Situation im Nahen Osten zu beobachten, wo die Medien nicht der dritte oder vierte Teil politischer Macht sind, sondern nur ein kleiner Teil von dieser.
Vielen Dank für das interessante Interview.
Das Interview führte Winfried Wagner, Mitarbeiter am Bereich Geistes- und Sozialwissenschaften der TUD
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Dr. Amir Sepanji
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