27.06.2024
Heiße Sache: Wie Zellen die Proteinproduktion während eines Hitzeschocks regulieren
Schnelle Temperaturanstiege verändern die dreidimensionale Struktur von Proteinen und beeinträchtigen ihre Funktion in den Zellen. Als Reaktion auf einen Hitzeschock stoppen die Zellen sofort die Proteinproduktion und stellen stattdessen „Erste-Hilfe“-Proteine her. Der Mechanismus hinter dieser schnellen Reaktion ist bislang nicht vollständig geklärt. Forschende der Alberti-Gruppe am Biotechnologischen Zentrum (BIOTEC) der TU Dresden haben Translationsfaktoren identifiziert, die die Proteinproduktion bei einem Hitzeschock regulieren. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift „Molecular Cell" veröffentlicht.
Proteine benötigen ihre einzigartige dreidimensionale (3-D) Struktur, um ihre Funktion zu erfüllen. Diese 3-D-Struktur ist empfindlich gegenüber erhöhten Temperaturen, die zu Proteinfehlfaltung und Funktionsverlust führen können. Um zu überleben, setzen die Zellen eine Reihe von Schutzmaßnahmen um. Sie stoppen die Produktion neuer Proteine und schalten die Produktion von „Erste-Hilfe“-Proteinen, sogenannten molekularen Chaperonen, ein, die die beschädigten Proteine reparieren. Es ist seit langem bekannt, dass diese Reaktion mit der Bildung spezieller zellulärer Ansammlungen, den Hitzeschock-Granula, zusammenhängen. Die Funktion der Hitzeschock-Granula während des Hitzeschocks war jedoch weitgehend unbekannt.
„Unser Verständnis der Reaktion von Zellen auf Umweltstress konzentrierte sich traditionell auf die Transkriptionsregulation. Es war aber auch klar, dass die Translationsmaschinerie, die die Proteine für die Zelle produziert, ihre Aktivität während des Hitzeschocks ebenfalls verändert. Die molekularen Ereignisse und Details sind jedoch noch nicht vollständig geklärt. Wir zeigen jetzt, dass sich wichtige Translationsfaktoren in diesen Hitzeschock-Granula anordnen, um die Proteinproduktion zu regulieren", sagt Prof. Simon Alberti, Forschungsgruppenleiter am Biotechnologischen Zentrum (BIOTEC) und Leiter der Studie.
eIF4G: Molekularer Gestaltwandler
Das Alberti-Team verwendete einen Bottom-up-Rekonstitutionsansatz, um die Proteinproduktion bei einem Hitzeschock im Reagenzglas nachzubauen. „Wir haben Komponenten isoliert, die für die Proteinproduktion benötigt werden, wie zum Beispiel Translationsfaktoren und mRNA. Dies ermöglichte es uns, die Hitzeschockantwort ohne die Komplexität einer lebenden Zelle zu untersuchen", erklärt Christine Desroches Altamirano, die Hauptautorin der Studie. „Nachdem wir ein mechanistisches Verständnis erlangt hatten, konnten wir zu den Zellen zurückkehren und unsere Ergebnisse bestätigen."
Der zentrale Akteur dieser Geschichte – eIF4G – fungiert als Andockstation und koordiniert die präzise Anordnung mehrerer Translationsfaktoren an der Messenger-RNA (mRNA) an den Stellen der Proteinproduktion. Bei einem Hitzeschock „formt sich" eIF4G um und fördert die Zusammensetzung von „angehaltenen" Komplexen und Hitzeschock-Granula. Entscheidend ist, dass diese Komplexe die Proteinproduktion hemmen.
„Die strukturelle Umlagerung oder Gestaltveränderung des eIF4G-Proteins ist ein robuster Mechanismus. Dies zeigt, dass Zellen Temperaturänderungen direkt auf der Ebene der Proteinstrukturen ‚wahrnehmen' können", erklärt Dr. Titus Franzmann, leitender Wissenschaftler im Alberti-Labor.
Translationsfaktoren im Hitzesitz
Interessanterweise lagert sich eIF4G zwar mit mehreren Translationsfaktoren zu Hitzeschock-Granula zusammen, um die Proteinproduktion zu unterdrücken, aber ein anderer Translationsfaktor – eIF4A – entgeht der Interaktion mit eIF4G und hilft bei der Produktion von „Erste-Hilfe"-Proteinen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Translationsfaktoren eine entscheidende Rolle bei der Regulierung der Proteinproduktion während des Hitzeschocks spielen. Wir identifizieren zwei Arten von Translationsfaktoren: Erstens gibt es die Gestaltwandler wie eIF4G, die die Proteinproduktion unterdrücken, und zweitens gibt es Translationsfaktoren wie eIF4A, die die Produktion von ‚Erste-Hilfe'-Proteinen fördern. Wir haben jetzt ein neues Verständnis davon, wie Veränderungen in der zellulären Umgebung, wie zum Beispiel die Temperatur, auf molekularer Ebene erkannt werden können", schlussfolgert Prof. Alberti.
Originalveröffentlichung
Christine Desroches Altamirano, Moo-Koo Kang, Mareike A. Jordan, Tom Borianne, Irem Dilmen, Maren Gnädig, Alexander von Appen, Alf Honigmann, Titus M. Franzmann, Simon Alberti: eIF4F is a thermo-sensing regulatory node in the translational heat shock response. Molecular Cell (May 2024)
Link: https://doi.org/10.1016/j.molcel.2024.02.038