02.06.2022
TU Dresden vergibt Ehrendoktorwürde an Jürgen Bönninger
Dresdner Ingenieur hat Entwicklungen zur Fahrzeug- und Verkehrssicherheit maßgeblich geprägt / Weitergabe seines Wissens an Sachverständigennachwuchs
Ob es die Vorgehensweise bei der TÜV-Abnahme von Fahrzeugen ist, die Prüfungsfragen bei der Führerscheinprüfung oder gesetzliche Vorgaben bei der Zulassung automatischer Stau-Assistenten in Autos – an allen diesen Themen hat der Dresdner Diplom-Ingenieur Jürgen Bönninger (65) in den vergangenen drei Jahrzehnten maßgeblich mitgewirkt. Es sind Bezeichnungen wie „fachlich herausragender Ingenieur“, „visionärer und nachhaltiger Unternehmer“, „Förderer der Wissenschaft“ sowie „couragiert für Freiheitsrechte und gesellschaftlichen Zusammenhalt eintretender, politisch engagierter Bürger“, die Weggefährt:innen zu Jürgen Bönninger einfallen.
Diese Fülle an jahrzehntelangem Engagement war es, die die TU Dresden dazu bewogen hat, dem Geschäftsführer der Dresdner FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH am heutigen 2. Juni 2022 die Ehrendoktorwürde (Dr.-Ing. E. h.) in feierlichem Rahmen zu verleihen.
Für Jürgen Bönninger ist die Ehrung an seiner Alma Mater nicht nur eine persönliche Ehrung, sondern auch „die Anerkennung der seit 1905 in Dresden vorhandenen Konzentration von Expertenwissen und Erfahrung im Kraftfahrsachverständigenwesen“. Seinerzeit habe Prof. Hermann Scheit die erste Prüfstelle für Kraftfahrzeuge an der damaligen Technischen Hochschule gegründet und sei damit Vorreiter für Deutschland und Europa gewesen. „Mit dem demokratischen Aufbruch 1989 wurde neben der Forderung der Bürger nach Freiheit, Demokratie und Menschenrechten auch der Ruf der Dresdner Sachverständigen nach Unabhängigkeit von staatlicher Bevormundung laut“, so Jürgen Bönninger. „Nach 1905 unter Prof. Hermann Scheit und 1948 unter Prof. Alfred Jante der dritte Neuanfang 1989 – und wieder in Dresden.“
Antrag durch Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ gestellt
Der Antrag für die Ehrenpromotion war durch die Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ der TU Dresden gestellt und vom Senat er TU Dresden genehmigt worden. Jürgen Bönninger engagiert sich seit fast vier Jahrzehnten für das Verkehrswesen, insbesondere für die Sicherheit im Straßenverkehr. Er kann hervorragende wissenschaftliche Leistungen im Bereich des Prüfwesens vorweisen. Als Gesellschafter gründete er im März 1990 zusammen mit weiteren Kolleg:innen die DEKRA-Ost, Dresden. Von 1999 bis 2007 war er Geschäftsführer der TÜV/DEKRA-Forschungsgemeinschaft arge tp 21 e. V., Dresden, deren Mitbegründer er auch ist (siehe Vita unten).
Rektorin der TU Dresden würdigt Lebenswerk / Zwei Gutachten untermauern Antrag
In ihrer Ansprache würdigte die Rektorin der TU Dresden, Prof.in Ursula M. Staudinger, das Lebenswerk von Jürgen Bönninger: „Er hat wie kaum ein anderer erkannt, wie wichtig es ist, technische Errungenschaften von Anfang an im gesellschaftlichen Kontext zu diskutieren, damit sie am Ende tatsächlich einen Zugewinn an Freiheit für die Menschen bedeuten.“
Zwei Gutachten von Prof. Lutz Eckstein (RWTH Aachen, Institut für Kraftfahrzeuge) und Prof. Steffen Peldschus (LMU München, Abteilung Biomechanik und Unfallforschung) unterstützten im Vorfeld die Verleihung der Ehrendoktorwürde. Die Gutachter würdigen die wissenschaftliche Leistung Bönningers. Dazu gehören u. a. Herausgeberschaften und Publikationen sowie die unter seiner Leitung entwickelten innovativen Sicherheitsprüfverfahren für komplexe Systeme im Bereich Fahrwerk, Antrieb und Fahrerassistenz einschließlich damit verbundener fünf Patente.
Engagement bei Lehre und Forschung / Aktuelles Thema: Automatisiertes Fahren
In seiner Laudatio ging Prof. Günther Prokop, Dekan der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ und Leiter der Professur für Kraftfahrzeugtechnik an der TU Dresden, auf das fachliche Wirken von Jürgen Bönninger ein. „Er hat die Entwicklungen im Bereich Fahrzeugsicherheit in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich geprägt. Als Netzwerker bemüht er sich unermüdlich um die Erarbeitung und Implementierung von Regularien für Fahrerlaubnis und die technische Überprüfung von Fahrzeugen. Aktuell liegt der Fokus von Herrn Bönningers Engagement auf dem automatisierten Verkehr und dem automatisierten Fahrzeug. Ohne die Klarheit des Ingenieurs Jürgen Bönninger, ohne sein Gespür für gesellschaftliche Ordnung und Freiheit, ohne sein Engagement wäre es deutlich schwieriger, dafür passende Gesetzgebungen zu finden.“
Prof. Bernard Bäker, Leiter der Professur für Fahrzeugmechatronik an der TU Dresden, nahm bei seiner Begrüßung Bezug auf das große Lehr-Engagement Jürgen Bönningers als Dozent an der TU Dresden und an anderen Hochschulen: „Ihm ist insbesondere bei der Sachverständigenausbildung wichtig, den Studierenden neben fachlichen Kompetenzen auch Maßstäbe für ingenieurethisches Handeln und gesellschaftliche Verantwortung zu vermitteln.“
Nicht nur in der Lehre, auch in der Forschung arbeiten Jürgen Bönninger, die FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH und die TU Dresden eng zusammen, z. B. im Forschungsfeld „Sicherheit im Straßenverkehr“. Die Ergebnisse landen direkt in praktisch umgesetzter Gesetzgebung, Verordnungen und Technik. Zwei gemeinsame Themen sind aktuell das Projekt ABSOLUT (ein automatisierter Busshuttle im Leipziger Norden) und ein im Bau befindlicher hochimmersiver Fahrsimulator (ein weltweit einzigartiges Instrument zur Erforschung der Mensch-Maschine-Interaktion beim automatisierten Fahren). Auf Basis des letzteren soll mit „SIVAS – Sicherheit des vernetzten und automatisierten Straßenverkehrs“ ein gemeinsames Institut zur Zulassung und technischen Überwachung automatisierter Fahrzeuge entstehen.
Mensch und Bürgerrechtler – Laudatio von Bundesinnenminister a. D. Baum
Und dann ist da noch der Mensch und Bürgerrechtler Jürgen Bönninger. Auf diese Seite seines Wirkens ging Laudator Gerhart Baum ein. Der gebürtige Dresdner (Jahrgang 1932) war zwischen 1978 und 1982 Bundesinnenminister der damaligen Bundesrepublik Deutschland. Er sprach über das „außergewöhnliche gesellschaftliche Engagement“ Jürgen Bönningers, seine Rolle zur politischen Wende vor der Wiedervereinigung und über sein Eintreten für bürgerliche Freiheitsrechte. So half Jürgen Bönninger z. B. im Mai 1989, die Wahlfälschungen in der DDR aufzudecken und war als Mitbegründer des „Demokratischen Aufbruch[s]“ in Berlin „eine der führenden Persönlichkeiten, die die Friedliche Revolution 1989 und schließlich die Wiedervereinigung herbeiführten. Er versteht sich zu Recht als aufgeklärter, stets wachsamer Demokrat und aufrechter Kämpfer für Freiheitsrechte und gerechten Umgang in der Gesellschaft“, so Bundesminister a. D. Baum.
Kontakt:
Anke Richter-Baxendale, Öffentlichkeitsarbeit
Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“
Tel.: +49 351 463-34908
Zur Person – Dr. Dipl.-Ing. E. h. Jürgen Bönninger
- 1957 geboren am 23. Mai in Leipzig
- 1977-1982 Studium Maschinenbau TU Dresden, Abschluss: Diplom-Ingenieur
- 1982-1990 Kraftfahrsachverständiger für nationale und internationale Typgenehmigung am Kraftfahrzeugtechnischen Amt/KTA der DDR (Dresden)
- 1989 Gemeinsam mit weiteren Bürgerrechtlern gründet er in Dresden die Initiative Demokratische Erneuerung (IDeE) und ist später Mitbegründer des Demokratischen Aufbruchs (DA) in Berlin.
- 1990 Beteiligt als Gesellschafter an der Gründung der DEKRA-Ost, Dresden
- seit 1990 Stellvertretender Leiter der Technischen Prüfstelle des DEKRA e. V. (Dresden)
- 1990-2000 DEKRA-Abteilungsleiter Prüfwesen inter-/national/AP 8 (Stuttgart/Dresden)
- 1999-2007 Mitbegründer und Geschäftsführer der TÜV/DEKRA-Forschungsgemeinschaft arge tp 21 e. V., Dresden. Darauf aufbauend, treibt er den Aufbau zugunsten einer zu gründenden Gesellschaft für die Weiter-/Entwicklung von Prüftechnologien und -geräten für Fahrzeugelektronik voran.
- seit 2004 Geschäftsführer der FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH (Dresden) mit allen wesentlichen Überwachungsinstitutionen (ÜOs, TPs) in Deutschland (mit heute 200 Mitarbeitenden)
- 2006 Beginn der Erstellung und Bereitstellung von Prüfvorgaben zur Untersuchung elektronisch geregelter Sicherheitssysteme in Kraftfahrzeugen sowie ihren Anhängern (Umsetzung der 41. ÄndVStVR)
- 2008 Eröffnung des FSD-Prüflabors in Radeberg zur Erarbeitung von Prüfvorgaben und Prüftechnologien
- 2012 Übertragung der Aufgaben der Zentralen Stelle nach § 6 StVG auf die FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH durch das BMVI im Zuge der 47. ÄndVStVR; neben der Erstellung und Bereitstellung von Vorgaben wird die FSD auch zur zentralen Drehscheibe des so genannten HU-Wissensmanagements, bei dem Erkenntnisse aus der Untersuchung von Fahrzeugen an das KBA, die BASt sowie die Fahrzeughersteller zurückfließen
Forschung & Lehre
- seit 2004 Betreuung dutzender Diplom- und Masterarbeiten zu Themen wie Abgasnachbehandlung, Blockierverhinderer, Bremsen, Elektronische Dämpferregelungen, Fahrdynamikregelungen, FAS, Kamerabasierte Umfeldsensorik, Messtechnik, Windschutzscheibenverschleiß, Prüfung elektronisch geregelter Systeme u. v. m.
- seit 2012 Lehrbeauftragter für Sachverständigenwesen an der Fakultät Maschinenbau/ Verfahrenstechnik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), Dresden
- seit 2013 Mitglied des Beirats des Studiengangs Fahrzeugsicherheit und Verkehrsunfallforschung an der Dresden International University (DIU)
- 2015 Produktive Einführung des HU-Adapters (HUA), ein bis heute weltweit einzigartiges, auf die Belange der regelmäßigen technischen Untersuchung zugeschnittenes Prüfmittel unter Nutzung der elektronischen Fahrzeugschnittstelle; seither Ausbau der Prüftechnologien unter Nutzung der internen Sensorik des HU-Adapters und/oder der Informationen der elektronischen Fahrzeugschnittstelle (bspw. für die Bezugsbremskraftprüfung, dynamische Bremswirkungsprüfung, Achsdämpfungsprüfung.
- seit 2018 Lehrbeauftragter für Sachverständigenwesen an der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ an der Technischen Universität Dresden
Auszeichnungen
- 2012 Auszeichnung mit dem Karl-Rederer-Preis der Deutschen Fahrlehrer-Akademie/ DFA (Stuttgart) für seine Verdienste um die Verkehrssicherheit und um Verbesserungen auf dem Gebiet der Fahrausbildung und des Prüfungswesens
- 2019 Verleihung der Benz-Daimler-Maybach-Ehrenmedaille der VDI-Fachgesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik für herausragendes Engagement im Bereich der Verkehrssicherheit