27.07.2021
TU Dresden widmet Forsttechnik-Gebäude Edmund von Berg
In Tharandt wird die Tradition der TU Dresden, Gebäude nach ihren besten Wissenschaftlern zu benennen, fortgeführt
Prof. Jörn Erler
Am 15. Juni fand ein coronabedingt kleiner Festakt an der Dresdner Straße 24 statt: Die TU Dresden verlieh dem dortigen Gebäude einen neuen Namen. »Die TU Dresden«, sagte die Prorektorin Universitätskultur, Prof. Roswitha Böhm, »hat die schöne Tradition, ihre Gebäude nach Persönlichkeiten zu benennen, die auf ihrem Wissenschaftsgebiet eine herausragende Leistung erbracht haben. Wie immer bei solchen Namenspatenschaften muss man auch darauf achten, dass die Person politisch integer war und heute noch vorzeigbar ist. Außerdem wäre es auch schön, nicht nur immer an die herausragenden Männer, sondern auch einmal an eine herausragende Forscherin zu erinnern.« Da zugleich aber das ungeschriebene Gesetz gilt, dass die Person bereits seit längerer Zeit verstorben sein soll, war Letzteres im Falle der Forstwissenschaften leider nicht möglich.
Die Prorektorin fuhr fort: »Das Gebäude hat bisher keinen Namen getragen. Aus dem Jahr 1960 stammend wurde es zunächst ›Neubau‹ genannt, eine Bezeichnung, die heute nur noch Schmunzeln auslöst. Dann stand immer das dort residierende Institut Pate, also hieß das Gebäude lange Zeit ›Ingenieurwesen‹ und seit 1992 ›Forsttechnik‹. Es ist also höchste Zeit, dass wir einen Namen finden.«
Prof. Norbert Weber, Inhaber der Professur für Forstpolitik und Forstliche Ressourcenökonomie, stellte darauf den Lebensweg von Carl Heinrich Edmund von Berg vor. Geboren am 30. November 1800 in Göttingen, besuchte von Berg schon im Alter von 15 Jahren die Forstakademie Dreyßigacker bei Meiningen und später die Universität Göttingen. Anschließend war er in Clausthal und Lauterberg im Harz tätig, wo er bereits zunehmend große Verantwortung in den Bereichen Forstinspektion und Hüttenwesen übernahm. Von 1845 bis 1866 wirkte er in »Tharand« als Direktor der damaligen Akademie für Land- und Forstwirthe. Er starb im Alter von 74 Jahren in Schandau.
Als Beispiele für die umfangreiche Publikationstätigkeit von Bergs griff Prof. Weber zwei wissenschaftliche Werke heraus: Die »Anleitung zum Verkohlen des Holzes« (1830) und die »Staatsforstwirthschaftslehre« (1850). In dem Buch zur Holzkohleherstellung wird auf viele Details eingegangen, von den unterschiedlichen Verfahren der Meilererrichtung bis hin zum Abtransport der Holzkohle und zur Kontrolle der Köhler durch Aufsichtsbehörden. Die Staatsforstwirthschaftslehre kann als eine frühe Wurzel der heutigen Forst- und Waldpolitik angesehen werden. Manche dieser Ausführungen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts klingen aus heutiger Sicht seltsam fremd, wie z. B. zum immensen Holzbedarf der Kriegs- und Handelsmarine oder zur »Forstwohlfahrtspolizei«. Andere Themen, wie die Kritik an überbordender Bürokratie, sind so aktuell wie damals: »Es ist das Vielschreiben immer ein Fehler (…), so bei dem Forstmanne, wo der Wald immer die Hauptsache bleiben soll, und doch hört man jetzt oft die Klage, dass der Schreibtisch so viele Zeit in Anspruch nehme, dass nur wenig für den Wald übrig bleibt.«
Wie Prof. Weber betonte, sei von Berg ein eindrucksvoller Wissenschaftler und Mensch gewesen. Im Sinne eines »forstlichen Universalgelehrten« war er umfassend belesen und konnte Zusammenhänge in den Forstwissenschaften gut systematisieren und abwägen. International fand er hohe Anerkennung, nachdem er sich in vielen Auslandsreisen mit den forstlichen Verhältnissen in Norwegen, Schweden, Finnland und Russland auseinandergesetzt hatte. Dies belegen die zahlreichen Orden, mit denen er ausgezeichnet wurde. Früher als manch anderer befasste er sich auch mit Fragen der Wohlfahrtswirkungen des Waldes, der Waldästhetik, der Waldpädagogik und den Folgen des Anbaus von Nadelholzreinbeständen. Als Mensch zeichnete ihn ein gutes Gespür für soziale Fragen aus. So machte er viele Vorschläge, wie den Ärmsten unter den Armen zu helfen sei, die Forststraftaten aus Not begingen. Nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst setzte sich von Berg noch intensiv mit Fragen der Jagd und der Forstgeschichte auseinander. Eine zentrale Erkenntnis von Bergs sei auch heute noch weltweit gültig: »Eins der kräftigsten Mittel, um die Wälder einem bessern Zustande entgegenzuführen, ist Bewirthschaftung durch ein gebildetes Personal.«
Zusammenfassend sei von Berg aus verschiedenen Gründen eine beachtenswerte Persönlichkeit für Tharandt gewesen: als akademischer Lehrer in mehreren Disziplinen der Forstwissenschaften, als langjähriger Direktor der Akademie für Land- und Forstwirte, als Initiator des Meilers für die studentische Ausbildung (1846) und Gründungsvorsitzender des Sächsischen Forstvereins (1847, siehe Denkmal am Meilerplatz im Breiten Grund) sowie als internationaler Botschafter für Erkenntnisfortschritte in der Forstwissenschaft.
Als dritter und letzter Redner ergriff Dr. Robert Schweitzer, ein Bibliothekar aus Lübeck, der als ausgewiesener Experte für Finnland im 19. Jahrhundert bekannt ist, das Wort und widmete sich der besonderen Rolle Edmund von Bergs für die finnische Forstwirtschaft. Anhand von vielen Briefen und zeitgenössischen Zitaten zeichnete er vor dem inneren Auge ein plastisches Bild vom Menschen Edmund von Berg – ein ganz besonderes Erlebnis! Er machte deutlich, dass ohne von Berg die finnische Forstwirtschaft und die forstliche Ausbildung in dem Lande einen anderen Weg genommen hätte. Oder mit kurzen Worten ausgedrückt: Von Berg wird noch heute von den Finnen als Urvater ihrer Forstwirtschaft verehrt.
Nun also heißt das Gebäude »Edmund-von-Berg-Bau«, kurz »EBB«. Es ist gewiss nicht das schönste Gebäude der TUD, aber ein sehr funktionales. Die Werkstatt im Erdgeschoss wurde nach der Flut des Jahres 2002 grundsaniert und in Richtung Netto-Markt um einen Anbau erweitert. Sie beherbergt eine moderne Schlosserei und eine kleine, aber feine Tischlerei, beide vor allem auf den Lehr- und Forschungsbetrieb ausgerichtet.
Im ersten Stockwerk residiert die Professur für Forsttechnik, die seit fast 30 Jahren vom Autor dieses Beitrags geleitet wird. Anders, als der Name vermuten lässt, steht in der Lehre nicht die Maschine im Vordergrund, sondern das Verfahren. Denn wie ein Messer, mit dem man wunderbar Brot schneidet, auch böse Verletzungen hervorrufen kann, so ist es auch in der Forstwirtschaft das Verfahren, also das professionelle Zusammenspiel von Mensch und Maschine, das über die ökologische Verträglichkeit, ergonomische Zumutbarkeit und am Ende die Kosten entscheidet. Darum stehen in der Lehre Maschinenbau und Arbeitswissenschaft gleichberechtigt nebeneinander.
In der Forschung sucht die Professur nach dem ökologisch und ergonomisch optimalen Verfahren insbesondere unter schwierigen Rahmenbedingungen auf sensiblen, oft nassen Böden. Solche Standortverhältnisse trifft man hier bei uns in Ostdeutschland und in vielen anderen Ländern rund um die Ostsee an. Die Übereinstimmung mit dem Wirkbereich von Bergs ist nicht nur rein zufällig, sondern bietet sich an – wer sonst konzentriert sich auf diese Region? Im Laufe der Jahre wurden von den Mitarbeitern der Professur viel beachtete Sondermaschinen konstruiert, patentiert und als Prototypen gebaut. So entstanden ein Portalharvester, eine Seilkrananlage zur Holzbringung im ebenen Gelände, ein Fällroboter für instabile Waldbestände und ein Spezialharvesterkopf zur Ernte von starkem Laubholz.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 13/2021 vom 13. Juli 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.