May 28, 2019
Vom Offenen Salon zum computergesteuerten Raumeindruck
Interaktive Roboter und dreidimensionale Projektion des legendären Mondrian-Entwurfs in Ida Bienerts Damenzimmer
Tanja Scheffler
Das Barkhausen Institut forscht zu den Netzwerken der Zukunft, dem »Internet of Things« (IoT). Denn seit einigen Jahren wächst die Zahl der Dinge, die in immer komplexer werdende Netzwerke eingebunden werden und dort für Datenverkehr sorgen, rapide an: Dies reicht von Temperaturfühlern über Kameras bis zum selbstfahrenden Auto. Das heutige Internet ist auf die aktuellen Einsatzbereiche (Telefon, Surfen, Videoübertragungen) ausgelegt. Neue Anwendungen in der Industrie und Medizin erfordern jedoch immer leistungsstärkere Kommunikationssysteme, die sehr reaktionsschnell sind. Daher liegt ein Schwerpunkt der Forschungstätigkeit des Barkhausen Instituts auf der taktilen Kommunikation, bei der via 5G, der nächsten Generation des Mobilfunks, riesige Datenmengen in kürzester Zeit übertragen werden können. Im Rahmen der Langen Nacht der Wissenschaften bietet das Institut in der ehemaligen Bienert-Villa in der Würzburger Straße spannende Einblicke in seine Arbeit und präsentiert dabei – neben der virtuellen Darstellung von Piet Mondrians Raumentwurf (Uni-Journal 5/2019) – auch noch weitere anschauliche Beispiele für die drahtlose Fernsteuerung.
Dabei bekommt man in der zeit- und kunsthistorisch interessanten, sonst nicht öffentlich zugänglichen Villa, aufgrund des teilweise noch authentisch erhaltenen Interieurs und der Raumgestaltungen aus der Gründer- und Bauhaus-Zeit einen facettenreichen Eindruck vom damaligen Lebensstil der besseren Gesellschaft, und mit den vorgestellten neuen Technologien einen kleinen Vorgeschmack davon, in welche Richtung sich das moderne Wohnen (»Smart Home«) in der Zukunft weiterentwickeln könnte.
Mondrian wurde vor allem durch geometrische, durch ein schwarzes Linienraster strukturierte Kompositionen in den Primärfarben Rot, Blau und Gelb mit einigen Weiß- und Grautönen bekannt. Dieses Konzept übertrug er bei seinem Entwurf für die Umgestaltung von Ida Bienerts Damenzimmer (1926), dessen Pläne sich im Bestand der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden befinden, in den dreidimensionalen Raum. Die Kreativagentur »intolight« setzte diesen nicht realisierten Entwurf nun mithilfe von digitaler Technologie und mit Tape-Rendering erzeugten Konstruktionslinien in eine dreidimensionale Projektion um, die einen guten Eindruck davon vermittelt, wie eine Verwirklichung des Mondrian-Zimmers aussehen könnte.
Das Barkhausen Institut öffnete sein Open Lab in der Bienert-Villa bereits im Mai für eine öffentliche, sehr gut besuchte Abendveranstaltung, bei der diese Projektion – quasi als Probelauf – ein erstes Mal zu sehen war: eine beeindruckende Performance, bei der der Raum durch die vielen farbigen an die Wände projizierten Vierecke in immer wieder neue Stimmungen getaucht wurde. Dabei wurde Mondrians Vision, ein völlig neues Wohnambiente zu schaffen, mithilfe von modernster Computertechnik und schneller Datenübertragung eindrucksvoll lebendig. Diese Projektion braucht jedoch sehr hohe Übertragungsraten, damit alles einwandfrei dargestellt werden kann. Daher kann mithilfe eines Schaltpultes dem interessierten Publikum – neben verschiedenen, fließend ineinander übergehenden virtuellen Gestaltungsvarianten für den Raum – auch anschaulich demonstriert werden, was passieren kann, wenn die Kommunikation zwischen Sender und Empfänger nicht richtig funktioniert.
Die intensive Forschung in diesem Bereich verspricht jedoch viele neue Nutzungsmöglichkeiten. Denn der 5G-Mobilfunk wird wahrscheinlich maßgeblich zur Digitalisierung der industriellen Produktion (Industrie 4.0) beitragen. Dabei können mobile Roboter mithilfe von drahtloser Kommunikation gemeinsam komplexe Werkstücke nach individuellen Wünschen anfertigen. Zwei kleine, derart ferngesteuerte Roboter sind bei der Langen Nacht der Wissenschaften in der Villa ebenfalls in Aktion zu sehen. Auch hier erschweren bei der Datenübertragung auftretende Zeitverzögerungen (Latenz) eine genaue und flüssige Bewegung. Dies wird in der ehemaligen Bibliothek an einem weiteren interaktiven Beispiel veranschaulicht. Hier können sich die Besucher an einem Air-Hockey-Spieltisch messen – mit einem Roboter als Gegner. Dieser analysiert mithilfe einer speziellen Kameratechnik, in welche Richtung sein menschlicher Gegenspieler den Puck wohl als nächstes schießen wird und reagiert darauf dann – je nach der individuell eingestellten Übertragungsgeschwindigkeit der Daten – unterschiedlich schnell. Bei einer langsameren Übertragung haben die Besucher gute Chancen, selber zu gewinnen. Im 5G-Modus, dem Mobilfunk-Standard der Zukunft, hält er meist perfekt.
Veranstaltungsort am 14. Juni 2019 ist das Open Lab des Barkhausen Instituts in der ehemaligen Bienert-Villa, Würzburger Straße 46, 01187 Dresden
Im Programm für die Lange Nacht der Wissenschaften:
360°-Projektion von Piet Mondrians Entwurf im Damenzimmer mit ergänzender Visualisierung der technischen Herausforderungen des »Internet of Things«.
Interaktive Mensch-Roboter-Stationen des Barkhausen Instituts und der Professur für Mobile Nachrichtensysteme, Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik der TU Dresden
Vortrag »Live Hacking – Hack the Web« von Dr. Stefan Köpsell (Barkhausen Institut), 19.30 und 21.30 Uhr
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 10/2019 vom 28. Mai 2019 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.