26.05.2020
Waldbrände werden fast immer durch Menschen verursacht
TUD-Experten befragt: Prof. Michael Müller, Fakultät Umweltwissenschaften, Professur für Waldschutz
Prof. Michael Müller, Jahrgang 1962, gebürtig und aufgewachsen in der besonders durch Waldbrände betroffenen Niederlausitz, die heute zum Land Brandenburg gehört, hat an der TU Dresden, Fakultät Umweltwissenschaften, die Professur für Waldschutz inne. Er beschäftigt sich in Lehre und Forschung unter anderem mit Waldbränden. UJ sprach mit ihm.
UJ: Die Jahre 2018 und 2019 waren Rekordsommer mit hohen Temperaturen und sehr wenig Regen. Waren es auch Jahre vermehrter Waldbrände?
Prof. Michael Müller: Wärmejahre wie 2018 und 2019 gab es auch vorher, z. B. 1975/76, 1982/83, 1992/93 oder 2003, also in Rhythmen von zehn bis 15 Jahren. In solchen Jahren kommt es vermehrt zu Waldbränden, weil die Zündfähigkeit und die Ausbreitungswahrscheinlichkeit in den potenziellen Brennmaterialien höher als gewöhnlich sind. Die Jahre 2018 und 2019 waren insbesondere deshalb auffällig, weil fast alle größeren Waldbrände auf munitionsbelasteten Flächen entstanden waren und deshalb nicht unmittelbar bekämpft werden durften. Wenn man diese Besonderheit berücksichtigt, waren die Jahre 2018 und 2019 nicht die schwerwiegendsten Waldbrandjahre der letzten 50 Jahre.
In welchem Bundesland brennt der Wald in Deutschland am häufigsten? Gibt es Baumarten, die besonders leicht brennen?
Die meisten und größten Waldbrände in Deutschland gibt es im Land Brandenburg. Nordsachsen, das östliche Mecklenburg- Vorpommern, Nordostniedersachsen und das nördliche Sachsen-Anhalt sind ähnlich betroffen. Lebende Bäume und stärkeres Roh- und Totholz brennen nicht. Sie enthalten zu viel Wasser oder die Energie reicht bei Waldbränden in Mitteleuropa für deren Trocknung und Entzündung zumeist nicht aus. In Wäldern Deutschlands brennen die Bodenvegetation, die Streu- und Humusauflage, Rindenteile sowie bei Vollfeuern die Nadeln, Blätter und dünnen Zweige der Bäume, soweit diese trocken sind oder von der Energie des Feuers getrocknet wurden. Da Kiefernwälder in Bezug auf diese Brennmaterialien die größten Brandlasten haben, sind diese am meisten gefährdet, jedoch keinesfalls die Ursache für Waldbrände.
Sind eher Menschen oder die Natur selbst für Waldbrände verantwortlich? Anders gesagt: Verursachen unverantwortliche Zeitgenossen oder beispielsweise Blitze das Feuer im Wald?
Es gibt in Wäldern keine Selbstentzündungen. In Deutschland werden fast alle Waldbrände von Menschen verursacht, am häufigsten durch Brandstiftung, aber auch Fahrlässigkeit und menschliche Technologien haben größere Anteile. Nur zirka 5 Prozent der Waldbrände und deutlich weniger als ein Prozent der Waldbrandflächen sind auf die in Mitteleuropa einzige natürliche Waldbrandursache – den Blitzschlag – zurückzuführen. Waldbrände haben in der natürlichen Waldökosystementwicklung in Deutschland keine Bedeutung.
Waldbrände gelten als Katastrophe. Profitieren der Wald oder einzelne Pflanzen bzw. Tiere aber davon vielleicht sogar?
Weltweit gesehen gibt es bestimmte natürliche Waldökosysteme, zu denen Waldbrände als wichtige Entwicklungskomponente gehören. In Deutschland ist das jedoch nicht der Fall. Jeder Waldbrand in deutschen Wäldern und auch das mitunter praktizierte Feuermanagement sind naturferne und homogenisierende Eingriffe in die Entwicklung der Wälder, setzen Unmassen von Treibhausgasen, Feinstaub und Giften frei, haben extreme Nebenwirkungen auf die Organismengemeinschaften und sind deshalb so schnell wie möglich einzudämmen oder zu vermeiden. Wenn man mitunter versucht, mit Feuermanagement »Pflegemaßnahmen « durchzuführen, kennzeichnend ist das sogenannte Heidebrennen, dann muss man wissen, dass dabei genau diese Absicht besteht, mit naturfernen Mitteln eine extreme Homogenisierung des Ökosystems zu erreichen, von der dann die betitelten Zielorganismen profitieren. Das sind dann von der Populationsökologie her Reaktionen, die man mit Modellen der Entwicklung von Pflanzen-, Insektenoder Pilzmassenvermehrungen erklären kann, weil man mit dem Einsatz des Feuers die Konkurrenz und natürliche Regulation beseitigt.
Wie funktioniert in Deutschland das System zur Erkennung von Waldbränden? Wie stehen wir im Weltmaßstab da?
In Deutschland werden schon seit mehr als 100 Jahren Waldbrandüberwachungssysteme geschaffen und ständig weiterentwickelt. Ausgehend von einer Initiative von Unternehmen und der Brandenburgischen Landesforstverwaltung in den 1990er-Jahren, verfügen die durch Waldbrand gefährdeten Gebiete in Norddeutschland heute über ein automatisches Waldbrandfrüherkennungssystem, das zu den modernsten in der Welt zählt. Hinzu kommt, dass viele Waldbesucher heute über mobile Kommunikationsmittel verfügen und ebenfalls entdeckte Waldbrände sehr schnell melden. Auf diese Weise werden heute Waldbrände zumeist bis zehn Minuten nach ihrer Entstehung geortet, beziehungsweise dann, wenn die Rauchwolke eine horizontale Ausdehnung von zehn Metern hat. 15 bis 20 Minuten später sind die ersten Einsatzkräfte der Feuerwehren und weiterer Beteiligter am Brandort. Dadurch können heute Waldbrände zumeist sehr schnell eingedämmt werden.
Es sieht immer sehr spektakulär aus, wenn Waldbrände aus der Luft, also mit Löschflugzeugen bekämpft werden. Ist das eine effektive Methode?
Der Einsatz von Luftfahrzeugen ist kein Standardverfahren, sondern nur in besonderen Situationen sinnvoll, dann aber sehr entscheidend. Weit über 90 Prozent aller Waldbrände sind Bodenfeuer, und für deren Bekämpfung sind Luftfahrzeuge weder nötig noch geeignet. Bodenfeuer sind durch Löschmitteleinsatz (zumeist Wasser) und Bodenbearbeitung (Waldstreifenpflüge) sowie durch Handarbeiten der Einsatzkräfte besser bodengestützt bekämpfbar. Für den Einsatz von Luftfahrzeugen bei Waldbränden gibt es zwei wesentliche Situationen: Beide sind an Vollfeuer gebunden, d. h. der gesamte Waldbestand einschließlich der Baumkronen brennt, wobei starke Hitze und Thermik sowie Flammenhöhen bis zur doppelten Baumhöhe auftreten. Dabei können Flugfeuer entstehen. Flugfeuer sind brennende Pflanzenteile zumeist aus den Baumkronen, die durchaus einen Meter Durchmesser haben und mit der Thermik sowie dem Wind weit über die Feuerfront getragen werden können. Mehrere Hundert Meter sind keine Seltenheit, sogar mehrere Kilometer wurden bereits nachgewiesen. Wo Flugfeuer einschlagen, entstehen neue Waldbrände und es besteht die Gefahr, dass diese nicht rechtzeitig entdeckt sowie die Bekämpfungskräfte am Boden eingeschlossen werden. Hier können Luftfahrzeuge sehr effektiv zur Erfassung von Flugfeuern eingesetzt werden. Die zweite Situation ist der Beitrag zum Löschen von Vollfeuern, die wegen der Temperaturen nicht direkt bodengestützt angegriffen werden können. Dabei muss man wissen, dass man mit dem Luftfahrzeugeinsatz allein Waldbrände nicht löschen kann, oder man müsste Unmassen an Wasser abwerfen, um durch das Kronendach hindurch sogar das Bodenfeuer zu erreichen. Geworfen werden aber nur ein, mitunter zwei Liter Wasser pro Quadratmeter, was es selbst bei höchsten Abwurfmengen erlaubt, lediglich 2500 Quadratmeter (0,25 ha), d. h. etwa nur ein Viertel eines durchschnittlichen Fußballfeldes zu erreichen. Die durch den Abwurf jedoch ermöglichte Feinstverteilung des Wassers zu kleinsten Töpfchen verursacht eine schlagartige Kühlung der Feuerfront, sodass das Vollfeuer für kurze Zeit zusammenbricht. Das ist die Gelegenheit für die Einsatzkräfte am Boden, zur Feuerfront zu eilen und das Bodenfeuer zu bekämpfen, denn ohne die Energie des Bodenfeuers gibt es kein Vollfeuer.
Die Fragen an Prof. Michael Müller stellte Karsten Eckold.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 10/2020 vom 26. Mai 2020 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.