Apr 08, 2014
Waldsterben verursachte größere Änderungen im Wasserhaushalt als der Klimawandel
Das Waldsterben hat in den letzten Jahrzehnten in Sachsen
größere Änderungen im Wasserhaushalt verursacht als der
Klimawandel. Das hat ein interdisziplinäres Forscherteam aus
Hydrologen, Meteorologen und Landschaftsökologen der TU Dresden
und de Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig
herausgefunden. Beide Forschungseinrichtungen kooperieren seit
Oktober 2013 im neu gegründeten Center for Advanced Water
Research – CAWR. Die Ergebnisse sind im Fachjournal „Hydrology
and Earth System Sciences“ erschienen. Die Wissenschaftler
untersuchten 68 Flusseinzugsgebiete über einen Zeitraum von 60
Jahren (1950 – 2009). Die Daten zeigen deutliche Effekte der
Klimaerwärmung auf die Gebietsverdunstung und den
Wasserhaushalt in ganz Sachsen. Hauptursache für Änderungen des
Wasserhaushalts war allerdings die industrielle
Luftverschmutzung. So konnte für die Kammlagen der
Mittelgebirge das durch Luftverschmutzung hervorgerufene
Waldsterben als entscheidender Faktor erkannt werden.
Die Forscher um Christian Bernhofer, Professor für Meteorologie
an der TU Dresden, waren der Frage nachgegangen, wie sich
menschlich verursachte Klima- und Landoberflächenänderungen auf
den regionalen Wasserhaushalt auswirken. Dazu haben sie Daten
aus dem dichten hydro-meteorologischen Messnetz von Sachsen,
benachbarten Bundesländern und Tschechien mit Landnutzungs- und
-Bedeckungsdaten von Sachsenforst und der europäischen
Umweltagentur (CORINE-Daten) zusammengeführt. Einen Einblick in
die Treiber des regionalen Wasserhaushalts erlaubte nun die
Synthese dieser Messdaten mit einem physikalisch basierten
Ansatz auf der Grundlage der Wasser- und Energiebilanz, den der
Hydrologe Maik Renner in seiner Dissertation an der TU Dresden
weiterentwickelt hat.
Dabei zeigte sich ein drastischer Rückgang der Verdunstung von
1960 – 1990 in den oberen Gebieten des Erzgebirges, Teilen des
Elbsandsteingebirges und dem Lausitzer Bergland. Dieser
Rückgang stimmt erstaunlich gut mit den Fernerkundungsdaten und
den Waldschadenskartierungen der Forstprojektierung der
damaligen DDR überein. Anhand der Gebietswasserbilanz begann
die Abnahme der Gebietsverdunstung in den 60er-Jahren und
führte in stark betroffenen Gebieten zu einem Rückgang der
Verdunstung um bis zu 38 Prozent und damit zu größeren
Abflusssummen. Hierbei waren besonders die regenreichen
Kammlagen betroffen.
Mit dem Fall der Mauer und der einhergehenden Reduktion der
Schadstoffemissionen hat sich dieser Trend seit 1990 völlig
umgekehrt. Beinahe alle untersuchten Pegel zeigten geringere
Wasserstände und damit signifikante Zunahmen der
mittleren dekadischen Jahresverdunstung. Zugleich wurden die
Haupttreiber der Änderungen offensichtlich: Luftschadstoffe,
saurer Regen und Nebelauskämmung hatten zur Bodenversauerung
und zum Absterben großer Waldflächen geführt. Zudem trübten die
Emissionen aus der ungefilterten Verbrennung von Kohle die
Atmosphäre und reduzierten so lokal die Sonneneinstrahlung.
Beide Faktoren verringerten die Verdunstung und steigerten
damit den Abfluss. Die seit 1990 nachgewachsenen Bäume in den
Kammlagen der sächsischen Mittelgebirge haben dann relativ
schnell die hydrologischen Funktionen des Waldes
wiederhergestellt.
Übertragen auf globale Verhältnisse legt die Studie nahe, dass
die Emissionen der international aufstrebenden Entwicklungs-
und Schwellenländer auch aus hydrologischer Sicht
besorgniserregend sind. Die Auswirkungen reduzierter
Sonneneinstrahlung auf eine verringerte Verdunstung konnte Maik
Renner am Max-Planck-Institut für Biogeochemie Jena – wo er
seine Forschung fortsetzt – auch auf theoretischer Basis
beschreiben und erklären. Auch für das hiesige Wasserdargebot,
die aus dem natürlichen Wasserkreislauf vorhandene nutzbare
Süßwassermenge, ist dieser Blick in die hydro-meteorologischen
Archive relevant. Die Erderwärmung wird zu einer höheren
Verdunstungsrate führen. Der Niederschlag, der dominant für das
Wasserdargebot ist, ist jedoch regional am schwierigsten zu
prognostizieren.
Der Artikel mit dem Titel „Separating the effects of changes in
land cover and climate: a hydro-meteorological analysis of the
past 60 yr in Saxony, Germany” wurde von Maik Renner (TU
Dresden/Max-Planck-Institut für Biogeochemie), Kristina Brust
(TU Dresden/Hydro-Consult), Kai Schwärzel (UNU-FLORES Dresden),
Martin Volk (UFZ Leipzig) und Christian Bernhofer (TU Dresden)
verfasst und steht im Internet zur Verfügung: http://www.hydrol-earth-syst-sci.net/18/389/2014/hess-18-389-2014.html.
Informationen für Journalisten:
Dr. Maik Renner
(jetzt am Max-Planck-Institut für Biogeochemie Jena)
Tel.: 03641 57–6223