Jan 15, 2020
Wie lässt sich die Verbreitung von Schadstoffen im Wasser vermeiden?
Das Projekt „MikroModell“ hat Eintragspfade in das Wasser aufgespürt
Ziel des vierjährigen Forschungsprojekts „MikroModell“ war es, konkrete Bewertungs- und Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Mikroschadstoffen zu entwickeln. Den Kern bildet dabei ein räumlich und zeitlich hochauflösendes Stoffflussmodell. Fachexperten haben zahlreiche Sommer- und Wintermesskampagnen ausgewertet und in ein Stoffflussmodell gewässerbezogen eingearbeitet. Damit lassen sich nun Aussagen zur Herkunft und den Verlaufspfaden von Mikroschadstoffen, deren Verhalten in Kläranlagen sowie die Auswirkungen auf das Ökosystem Wasser treffen. Das Sächsische Umweltministerium, die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) und die GELSENWASSER AG haben das Forschungsprojekt gefördert.
Die zentralen Ergebnisse stellten die Forscher heute (15.1.2020) auf der Abschlusskonferenz an der Exzellenzuniversität TU Dresden vor. Die drei Kläranlagenbetreiber aus Plauen, Chemnitz und Dresden haben das Projekt mitinitiiert und durch Messkampagnen mit Bewertung aktiv mitgewirkt. Außerdem haben diese Abwasserbetriebe über ihre Öffentlichkeitsarbeit darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig das Verhalten jedes Einzelnen ist – die Kampagne „Kein Müll ins Klo“ war zum Beispiel eine deutlich wahrgenommene Aktion. Der Dialog mit der Öffentlichkeit und mit Zielgruppen wie Ärzten, Apothekern und Vertretern aus dem Pharma-, Chemie- oder Landwirtschaftsbereich war ein Schwerpunkt während des Projekts. Auf der Fachkonferenz „Medizin trifft Kläranlage“ gab es einen intensiven Austausch mit Vertretern aus dem Gesundheitssektor, außerdem ermöglichte eine Fortbildungsveranstaltung mit Ärzten und Apothekern die Sensibilisierung für das Schadstoffthema. So konnten neben dem Stoffflussmodell auch zahlreiche Beispiele für eine intensivere Kommunikation erarbeitet und erprobt werden, die in einem Leitfaden zusammengefasst sind.
Zahlreiche gute Ideen, wie man es ohne Verlust von Lebensqualität auf lokaler und regionaler Ebene schaffen kann, Einträge zu vermeiden, liegen nun vor. Die Forscher und Förderer hoffen, dass sich diese Ansätze auch für das bundesweite Herangehen im Rahmen des Spurenstoffdialogs der Bundesregierung verbreiten. Es kommt wesentlich auch auf den rechtlichen Rahmen an. Die europäische Wasserrahmenrichtlinie zielt auf die Erreichung eines guten ökologischen und chemischen Zustandes ab und hebt das Verursacherprinzip hervor. Durch eine ganzheitliche Analyse der einzelnen Rechtsgebiete – zum Beispiel des Arzneimittel-, Chemikalien- und Düngerechts – konnten die Besonderheiten der Herstellung und Verwendung der Stoffe und ihrer rechtlichen Regulierung herausgearbeitet werden.
Durch Professorin Liv Jaeckel, TU Bergakademie Freiberg, konnten auf dieser Grundlage detaillierte Handlungsvorschläge für die einzelnen Bereiche erarbeitet werden. Konsequenz hieraus ist, so Prof. Jaeckel, „dass ein effektiver Gewässerschutz am besten durch eine Kombination mehrerer Maßnahmen mit Wirkungskontrolle erreicht werden kann.“
Der federführende Wissenschaftler Prof. Peter Krebs, TU Dresden, zu den Ergebnissen: „Mit unseren Untersuchungen können wir nachweisen, dass die Diskussion zum Umgang mit Spurenstoffen nicht auf die Frage reduziert werden kann, ob die Kläranlagen mit zusätzlichen Verfahrensstufen auszurüsten sind. Zahlreiche Stoffe, die fließgewässerspezifisch zu Überschreitungen der Umweltqualitätsnormen führen, gelangen über andere Wege in die Gewässer. Nur sinnvolle Kombinationen von Stoffmanagement und technologischen Maßnahmen, die sich nicht nur auf die Kläranlagen beziehen sollten, eröffnen die Chance zur Erreichung flächendeckend guter Gewässerqualität.“
Der Sächsische Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft Sachsen, Wolfram Günther, sagte zu, die Projekterkenntnisse in die Bund-Länder- Diskussion und -Koordination einzubringen: „Mit diesen Forschungsergebnissen liegen uns sehr gute Ansätze vor, die auch eine Bereicherung für den bundesweit geführten Spurenstoff-Dialog darstellen.“
Der Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), Alexander Bonde, hebt hervor: „Ähnlich wie in der Klimaschutzdebatte, kommt es im Gewässerschutz darauf an, auf wirksame emissionsvermeidende, mittel- und langfristige Strategien zu setzen. Im Projekt ‚MikroModell‘, das wir fachlich und finanziell gefördert haben, wurden sehr gute Grundlagen und Ideen entwickelt, um zum Beispiel den Arzneimitteleintrag an der Quelle langfristig zu vermindern.Dadurch werden die DBU-Förderinitiative ‚Nachhaltige Pharmazie‘ und laufende DBU-Förderprojekte ergänzt.“
Dem Unternehmen GELSENWASSER ist es wichtig, dass die Erkenntnisse nun bundesweit berücksichtigt werden. Dazu Vorstand Dr. Dirk Waider: „Unser Motiv für die Teilnahme an dem Vorhaben war, dass man Erkenntnisse über Eintragspfade, Mengen und Auswirkungen von Stoffen auf das Ökosystem Fluss gewinnt, die auf andere Regionen übertragen werden können. Das ist gelungen und gibt wertvolle Anhaltspunkte für Vermeidungsstrategien und Aufbereitungsansätze. Nur mit einer ganzheitlichen Betrachtung des Ökosystems Wasser lässt sich eine nachhaltige Abwasser- und Wasserwirtschaft mit Natur und Mensch im Blick sichern.“
Informationen für Journalisten:
Jörg Seegert
TU Dresden, Fakultät Umweltwissenschaften
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