19.06.2017
Wie Zecken Halt finden - Forscher der TU Dresden und der Kieler Universität untersuchten Haftmechanismen von Zecken
Zecken hungern fast ihr gesamtes Leben. In den bis zu drei Jahren verbringen sie 90 Prozent ihrer Zeit lauernd auf Gräsern, Kräutern und Sträuchern oder pausierend in der Streu. Um ihre menschlichen und tierischen Opfer möglichst gut zu erreichen, legen sie beachtliche Wege zurück. Nicht nur hochwachsende Pflanzenteile werden erklettert, auch Haut und Haar gilt es bei der Suche nach geeigneten Futterstellen zu bezwingen. Wie die Blutsauger die Vielfalt von solchen Substraten überwinden und sich auf verschiedenen Oberflächen festhalten, zeigt eine aktuelle Studie von Dr. Dagmar Voigt von der Technischen Universität Dresden (TUD) und Professor Stanislav Gorb von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Die Ergebnisse der Untersuchungen am Gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus) wurden kürzlich im „Journal of Experimental Biology“ veröffentlicht.
Vor 160 Jahren beschrieb Hermann Burmeister Zecken als Spinnentiere mit paarigen, gekrümmten, spitzen Krallen und einem dazwischenliegenden Haftkissen. Nun lassen erstmals morphologische Details und Haftkraftexperimente auf die Funktion der Zeckenfüße schließen. „Dass nicht nur das Haftkissen, sondern auch die transparenten Krallen fast vollständig mit dem elastischen Protein Resilin gefüllt sind, ist eine Überraschung. Vorab haben wir nie Resilin in den Krallen anderer Spinnentiere und Insekten beobachtet“, kommentiert Dagmar Voigt vom Institut für Botanik der TUD. Zecken besitzen ein Haftpad zwischen ihren Krallen, mit dem sie sehr gut auf ebenen Substraten wie Haut und Glas haften. Je nach Situation und benötigter Kraft kann es auf- und zugefaltet werden – ähnlich wie bei einer Ziehharmonika. Eine haftvermittelnde Flüssigkeit verleiht dem Pad zusätzlichen Halt. Die Krallen ermöglichen das Verhaken mit rauen Oberflächen und Haaren. Auf dem Boden oder auf verunreinigten Oberflächen klappen die Zecken ihre Füße zurück und laufen auf dem Fußgelenk.
Weibliche Zecken haben größere Klauen und Pads. Ihre männlichen Artgenossen halten sich ausgenommen vom Paarungsakt kaum auf Wirten auf. Dementsprechend sind ihre Füße auch kleiner und haften weniger. Mit einer Kraft, die mehr als das 500fache des eigenen Körpergewichts beträgt, können sich Weibchen an glatten Glasoberflächen festhalten. Dieser Sicherheitsfaktor macht sich während des Blutsaugens bezahlt, wobei ihr Körpergewicht um das 135fache zunehmen kann. Doch manchen Materialien halten selbst Zecken nicht stand: Voigt und Gorb konnten in ihren Inversions-, Zentrifugal- und Zugkraftexperimenten nachweisen, dass die Haftkraft auf Silikonabdrücken der Haut und auf mikro-rauen Kunstharzoberflächen deutlich geringer ist. „Was die Haftung angeht, sind die Zecken durch eine Kombination von weichen Kissen und scharfen Krallen fast Alleskönner, aber nur fast. Unsere Experimente zeigen ganz deutlich, wie eine zukünftige technische Oberfläche mit einer Antihaftwirkung für die Zecken aussehen kann“, resümiert Stanislav Gorb vom Zoologischen Institut der CAU. Somit würden Zecken abgewehrt, ehe sie sich an Haut und Haar festkrallen können.
Originalveröffentlichung:
Dagmar Voigt & Stanislav Gorb „Functional morphology of tarsal adhesive pads and attachment ability in ticks Ixodes ricinus (Arachnida, Acari, Ixodidae)“. Journal of Experimental Biology 2017 220: 1984-1996; DOI: 10.1242/jeb.152942; http://jeb.biologists.org/content/220/11/1984?rss=1
Video von laufenden weiblichen Zecken auf Glas:
http://movie.biologists.com/video/10.1242/jeb.152942/video-1
Informationen für Journalisten:
Dr. Dagmar Voigt
Technische Universität Dresden
Tel.: +49 (0) 351 463-35834
Professor Stanislav N. Gorb
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Tel.: +49 (0) 4318804513