11.02.2021
#WomenInScience - Interview mit B CUBE Gruppenleiterin Prof. Yael Politi
Der Internationale Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft ist ein Tag, um die wichtige Rolle von Frauen und Mädchen in der Wissenschaft und Technik zu würdigen. Wir nehmen diesen Tag zum Anlass, um Prof. Yael Politi, Arbeitsgruppenleiterin und stellvertretende Direktorin am B CUBE – Center for Molecular Bioengineering, vorzustellen.
Kannst du erklären, woran deine Arbeitsgruppe arbeitet?
Wir untersuchen die Kutikula von Arthropoden (Gliederfüßern) als Modell für ein biologisches Material. Wir wollen verstehen, wie die Struktur des Materials seine Eigenschaften bestimmt und wie die Organismen die Kutikula aufbauen und ihre Form kontrollieren.
Das Exoskelett von Arthropoden, die Kutikula, muss sowohl als Haut als auch als Skelett dienen. Es ist multifunktional und trägt eine Vielzahl von Werkzeugen und Sensoren. Wir sind fasziniert von dieser Multifunktionalität. Um dies zu erreichen, muss das Material sehr vielseitige Eigenschaften haben. Bei biologischen Materialien wird dies typischerweise durch eine Variation des Aufbaus erreicht - so wie das Falten eines Stück Papiers dieses steifer macht und ihm eine höhere Belastbarkeit verleihen kann. Es wird angenommen, dass diese Vielseitigkeit des Materials eine zentrale Rolle bei der Evolution der mehr als eine Million Arten spielt, die die Arthropoda zur größten und vielfältigsten Tiergruppe machen. Es ist auch das, was die Kutikula der Arthropoden zu einem besonders attraktiven Beispiel für bioinspiriertes multifunktionales Materialdesign macht.
Erzähl uns bitte mehr über deinen wissenschaftlichen Weg. Wie hat deine Karriere bisher ausgesehen?
Ich habe Biowissenschaften an der Universität Tel Aviv studiert und bin dann für mein Master- und Promotionsstudium an das Weizmann Institute of Science gewechselt. Ich war dort im Labor von Prof. Lia Addadi und Prof. Steve Weiner tätig, führende Forscher auf dem Gebiet der Biomineralisation. Meine Faszination für die Biomineralisation stammt aus der Zeit, in der ich vor meinem Studium als Taucherin im Roten Meer gearbeitet habe. Ich wollte verstehen, wie Organismen diese fantastischen Strukturen in Korallenriffen aufbauen. Das Labor von Prof. Addadi und Prof. Weiner war ein perfekter Ort für mich, um diese Prozesse zu untersuchen und zu lernen, wie man ein Forschungsprojekt steuert. Ich bin dann in die Fachrichtung Biomaterialien am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung gewechselt, um eine Wissenschaftlerstelle im Labor von Prof. Peter Fratzl anzutreten, wo ich begonnen habe, an Materialien auf Chitinbasis zu arbeiten. Ich wollte lernen, welche Lösungen Organismen im Laufe der Evolution gefunden haben, um vielseitige Materialien aus vollständig organischen Bausteinen (ohne Mineralien) aufzubauen. Nach zweieinhalb Jahren als Postdoc-Wissenschaftlerin habe ich meine Gruppe "Chitin-basierte Materialwerkzeuge und Sensoren" an der Abteilung gegründet. Ich hatte immer das Glück, mit unterstützenden und inspirierenden Mentoren arbeiten zu können.
Was war dein Traumberuf, als du noch ein Kind warst?
Ich wollte Archäologin werden.
Eine Karriere in der Wissenschaft kann manchmal schwierig sein. Was motiviert dich, weiterzumachen?
Es stimmt. Aber was im Großen und Ganzen für mich zählt, ist, dass Wissenschaft Spaß macht! Mich motiviert es, Antworten zu finden und kleine Puzzlestücke zusammenzusetzen. Aber was mich wirklich antreibt, ist die Arbeit mit ähnlich motivierten, engagierten und begeisterten Menschen - besonders in meiner Gruppe, aber auch im weiteren Umfeld der Kolleg:innen und Mitarbeiter:innen. Ich liebe unsere Diskussionen und die täglichen Interaktionen im Labor. Ich mag die Aufregung vor einem wichtigen Experiment, das gemeinsame Betrachten neuer Daten, usw.
Wissenschaft und Familie... Wie schaffst du es, das alles unter einen Hut zu bringen?
Das Gleichgewicht zu finden ist schwierig und manche Zeiten sind herausfordernder als andere. Ich teile die Verantwortung für die Kinderbetreuung zu gleichen Teilen mit meinem Partner, obwohl wir beide unsere eigenen Karrieren haben, die uns auch sehr am Herzen liegen. Ehrlich gesagt, schaffe ich weniger als vor der Geburt meines Kindes. Anfangs fiel es mir schwer, mich damit abzufinden, aber heute kann ich gut damit leben, die Dinge etwas langsamer anzugehen, und ich glaube nicht, dass die Qualität meiner Arbeit in irgendeiner Weise darunter leidet.
Was denkst du ist heutzutage die größte Herausforderung für Frauen in der Wissenschaft?
Ich glaube nicht, dass es nur eine große Herausforderung für Frauen in der Wissenschaft gibt. Ich denke, es gibt eine Reihe von Belangen, bei denen Frauen benachteiligt werden, und verschiedene Frauen sind davon unterschiedlich betroffen. Ein einfaches Beispiel ist natürlich die Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Aber auch Frauen, die keine Kinder haben, stehen vor vielen Schwierigkeiten. Unsere Wissenschaftskultur wurde etabliert, als Frauen noch deutlich unterrepräsentiert waren, und sie ist, wie überall in der Gesellschaft, stark von stereotypen Geschlechterrollen und unbewussten Vorurteilen geprägt. Mobbing und sexuelle Belästigung kommen häufiger vor, als man denkt, und die Opfer zögern, sich zu melden, weil sie die Konsequenzen fürchten. All diese Aspekte gilt es zu bedenken und daher gibt es auch nicht nur eine einfache Lösung für das Problem. Wir müssen an mehreren Stellen Maßnahmen ergreifen und einen systematischen, kulturellen Wandel in der Wissenschaft anstreben, um Chancengleichheit für alle zu erreichen.
Würdest Du eine Karriere in der Wissenschaft empfehlen?
Ja, auf jeden Fall!