16.02.2021
Zu schade für den Abfallofen
Etiketten, Aufkleber und andere Spezialpapiere landen noch immer in Verbrennungsanlagen oder auf Müllkippen – eine TUD-Maschine soll das ändern
Heiko Weckbrodt
Über eine Million Tonnen Spezialpapiere pro Jahr landen trotz aller Recyclingmühen in Deutschland letztlich immer noch im Restmüll beziehungsweise im Verbrennungsofen. Dabei handelt es sich vor allem um Papierreste, die klassischen Aufbereitungsanlagen irgendwie durch die Lappen gehen: Aufkleber zum Beispiel, Etiketten, aber auch alte Geldscheine, Teebeutel und andere »Spezialpapiere«. Solch eine Vergeudung muss nicht sein, haben sich Papiertechniker der Technischen Universität Dresden gedacht und neue Maschinen konstruiert. »Unser Ziel ist dabei, die Rücklaufquote deutlich zu erhöhen«, sagte Thomas Schrinner vom TUD-Lehrstuhl für Holztechnik und Faserwerkstofftechnik.
Dabei nutzen er und seine Kollegen neue Faserverwertungs-Technologien. Die hatten sie ursprünglich vor allem entwickelt, um die Umweltbilanz in der Papierherstellung, die bisher zu viel Wasser und Energie verbraucht, zu verbessern. Deshalb konstruierte ein Team um – den inzwischen emeritierten – Professor Harald Großmann gemeinsam mit Dr. Tilo Gailat sogenannte Trockenzerfaserungsanlagen. Die verbrauchen kein Wasser, sondern zerkleinern die Altpapiere trocken mit Schneidmühlen vor, zerteilen sie dann in Luftwirbeln in einem Trockenzerfaserungsaggregat (»Dry Pulper«), zu Fasern, trennen sie in einem Zyklon vom Luftstrom und verarbeiten sie schließlich mit einem Schneckenverdichter zu einer Faserstoffmasse, der wieder in der Papierproduktion einsetzbar ist. »Die Trockenzerfaserung ermöglicht die Aufbereitung schwer zerfaserbarer und hochnassfester Produkte, welche für gewöhnlich mit den herkömmlichen Aufbereitungsverfahren nur ungenügend aufgelöst werden können und daher nur eingeschränkt für die erneute Papierherstellung zur Verfügung stehen«, beschreiben die Papierforscher die Einsatzperspektiven. Aus diesen Forschungsaktivitäten heraus haben die TUD-Ingenieure auch ein Ingenieur- und Beratungs-Unternehmen ausgegründet: Die »Rethink Paper Making« (RPM) beschäftigt sich seit 2014 im bayrischen Gauting unter anderem mit der Weiterentwicklung der Trockenzerfaserung, der thermomechanischen Aufbereitung und der Mineralanalyse beim Papier-Recycling. Die RPM-Ingenieure wollen bald auch eigenkonstruierte Trockenzerfaserer auf dem Markt anbieten; die Produktion soll ein Partner-Auftragsfertiger übernehmen.
Derweil haben die Dresdner Forscher auf dieser Technologiebasis eine mobile Trockenzerfaserungsanlage gebaut, die sich auch für kleine und mittlere Papierfabriken eignet und mittlerweile auch industriell einsetzbar ist. »Die Anlage steht jetzt in einer sächsischen Papierfabrik und wird dort in der Praxis getestet«, berichtet Thomas Schrinner. Seine Hoffnung und die seiner Kollegen: damit einen Weg zu eröffnen, um in Zukunft Millionen Tonnen Spezialpapiere wieder in geschlossene Stoffkreisläufe einzuschleusen.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 03/2021 vom 16. Februar 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.