01.09.2025
Neue Amtszeit für das Prorektorat Universitätskultur und Internationalisierung: Interview mit Prof.in Roswitha Böhm
Liebe Professorin Roswitha Böhm, culTUre gratuliert zur Wiederwahl als Prorektorin! Wir möchten dies als Anlass nehmen, um mit Ihnen auf die vergangene Amtsperiode zurückzublicken und in die Zukunft zu schauen.
Mit Ihnen wurde 2020 erstmals an einer deutschen Universität ein Prorektorat Universitätskultur besetzt. Wie kam es zu diesem Schritt und hat er sich Ihrer Meinung nach ausgezahlt?
Die Einrichtung des Prorektorats Universitätskultur war eine strategische Entscheidung, um die TUD einerseits als exzellente, gesellschaftlich verantwortungsvolle Universität nach außen hin zu profilieren und andererseits nach innen hin ein wertschätzendes, kooperatives Miteinander zu stärken. Ziel war es, Handlungsfelder wie Gleichstellung, Diversität, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Weltoffenheit fest in der Universitätsstruktur zu verankern und gezielt voranzubringen. Die Schaffung eines eigenen Prorektorats und Dezernats hat sich insofern bewährt: Wir konnten zentrale Themen sichtbar machen, bündeln und durch eigene Strategien, erhebliche Drittmittelerfolge und intensive interne wie externe Zusammenarbeit maßgeblich befördern
Der Begriff Universitätskultur kann sehr weit gefasst werden. Wie definieren Sie Universitätskultur und welche Themen umfasst sie an der TUD?
Universitätskultur an der TUD basiert in der Tat auf einem breiten Verständnis von Kultur, das sich nicht nur auf kulturelle Artefakte, sondern auf die Gesamtheit der Lebens- und Verhaltensweisen von Menschen bezieht, auf ihre soziale und kulturelle Praxis. Unsere Universitätskultur wird geprägt durch unsere Werte, Haltungen und unseren Umgang miteinander. Im Zentrum stehen die Fragen: In welcher Umgebung wollen wir gemeinsam lernen, lehren, forschen und arbeiten? Und wie gestalten wir diese aktiv?
Aus meiner Sicht ist Universitätskultur als soziale Praxis ganzheitlich zu denken: Gleichstellung und Diversität, Compliance und Antidiskriminierung, Nachhaltigkeit und Demokratieförderung, Gesundheit und Chancengerechtigkeit sind miteinander verschränkt. Diese Themen bilden die Basis für unser Ziel, als weltoffene, inklusive und nachhaltige Exzellenzuniversität gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Was reizt Sie an der Aufgabe, Prorektorin zu sein?
Mich begeistert an dieser Aufgabe, dass ich gemeinsam mit vielen engagierten Menschen die Entwicklung der Universität aktiv mitgestalten kann. Es ist eine große Chance, strukturelle Veränderungen anzustoßen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und nachhaltige Transformationen zu fördern. Die Vielfalt der Themen und die Möglichkeit, Impulse für ein wertschätzendes, offenes und zukunftsfähiges Miteinander zu setzen, motivieren mich jeden Tag aufs Neue.
Wenn Sie auf die letzten fünf Jahre zurückblicken: Welche Veränderungen haben Sie an der TUD bewirkt?
Wir haben in den vergangenen fünf Jahren viel erreicht: Effiziente Governance-Strukturen wurden etabliert, wichtige Strategien wie die Nachhaltigkeitsstrategie, das studentische Gesundheitsmanagement, das Handlungsprogramm „Familiengerechte Hochschule“ und das neue Gleichstellungskonzept, die ich hier beispielhaft nenne, wurden entwickelt und befinden sich in der Umsetzung.
Besonders hervorzuheben ist die institutionelle Verankerung dieser Themen in einem eigenen Dezernat sowie die Einwerbung von rund 2,5 Millionen Euro Drittmitteln für Gleichstellung, Klimaschutz, Demokratieförderung und Gesundheit. Die enge Zusammenarbeit mit Akteur:innen innerhalb und außerhalb der Universität war und ist dabei ein entscheidender Erfolgsfaktor.
Gibt es ein persönliches Highlight, das Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Das ist schwierig, denn es gab viele prägende Momente und Ereignisse, wie es ja in dem bisher Gesagten auch anklingt. Ein persönliches Highlight war für mich die Entwicklung und Umsetzung der Formate „TUD im Dialog“ und „TUD Lectures+“, mit denen wir einen konstruktiven, öffentlichkeitswirksamen Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft fördern. Dass wir damit über 4.500 Menschen in Dresden und der Region erreicht haben und zugleich zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts beitragen konnten, freut mich besonders.
Was wollen Sie in der neuen Amtszeit angehen? Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
In der neuen Amtszeit möchte ich die Synergien zwischen Universitätskultur und Internationalisierung stärken. Dazu gehören der Ausbau internationaler und regionaler Netzwerke, die Weiterentwicklung unserer Diversity-Strategie unter intersektionalen Gesichtspunkten, die Förderung eines diskriminierungsfreien, gesundheitsfördernden und partizipativen Umfelds sowie die Stärkung der Resilienz der Universität auf allen Ebenen. Außerdem möchte ich den Dialog zwischen Universität und Gesellschaft ausbauen.
Welche Herausforderungen gilt es dabei zu bewältigen?
Wir stehen vor komplexen Herausforderungen: Politische und gesellschaftliche Veränderungen, wirtschaftliche Unsicherheiten, demographischer Wandel, der Anstieg von Populismus und Extremismus sowie die Klimakrise fordern uns. Es gilt, die Resilienz der Universität weiter zu stärken, innovative Finanzierungswege zu erschließen, stabile Netzwerke zu pflegen und eine starke Gemeinschaft zu fördern. Dafür braucht es Engagement, Mut zu Veränderung, Kritikfähigkeit und eine starke, gemeinsame Wertebasis, um als Universität weiterhin gesellschaftlich wirksam und zukunftsfähig zu bleiben.
Das Prorektorat Universitätskultur wird um die Internationalisierung erweitert. Wie passen die beiden Themen zusammen?
Universitätskultur und Internationalisierung sind eng miteinander verknüpft und können sich gegenseitig befördern. Eine lebendige, weltoffene Universitätskultur ist Voraussetzung für erfolgreiche internationale Kooperationen, die Gewinnung und Integration internationaler Studierender und Forschender sowie für die Entwicklung globaler Perspektiven in Forschung und Lehre. Umgekehrt bringt Internationalisierung neue Impulse, Perspektivenvielfalt und Innovationen in unsere Hochschulkultur.
In der Zusammenarbeit zwischen Internationalisierung und Universitätskultur werden wir Synergien herstellen, um Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus aktiv zu bekämpfen, das Konfliktmanagement zu stärken und eine weltoffene, diversitätssensible Kultur des Miteinanders auf unserem Campus zu befördern.
Vermissen Sie manchmal auch die Arbeit als Professorin für Französische Literatur- und Kulturwissenschaft am Institut für Romanistik?
Eine wichtige Frage. Ja, ich vermisse manchmal Lehre und Forschung, das Eintauchen in die Literatur als Denk- und Ermöglichungsraum, und vor allem auch mein Team der Professur und des Centrums Frankreich | Frankophonie, mit dem ich natürlich Kontakt halte. Viele der Themen, die mich als Prorektorin Universitätskultur und Internationalisierung beschäftigen, sind auch in der Arbeit dort relevant: Politische Entwicklungen und deren kritische Einordnung, die Auseinandersetzung mit (rassistischen) Stereotypen, die gelingende Gestaltung eines wertschätzenden, interkulturellen Miteinanders. Ich stelle immer wieder mit Freude fest, welch großes Engagement, z.B. in den Bereichen der Demokratieförderung oder der Nachhaltigkeit, unsere Forschenden, Lehrenden und Studierenden – und hier spreche ich wieder für die gesamte TUD – an den Tag legen.
culTUre bedankt sich sehr für das Interview und wünscht Ihnen als neue (und alte) Prorektorin alles Gute für die neue Legislaturperiode.