Ein Rundgang durch den Botanischen Garten
Im Eingangsbereich liegt linkerhand das Freilandquartier der asiatischen Pflanzen (1). Je nach Jahreszeit bestimmen Gehölze wie die Zaubernuss (Hamamelis mollis und H. japonica), blühende Magnolien, Rhododendren oder Wildrosen das Bild. Auch der Doppelschild (Dipelta floribunda) zählt zu den Blütengehölzen dieser Region. Zwei männliche Exemplare von Ginkgo biloba sind die ältesten Freilandgehölze des Gartens.
Im Frühjahr, wenn Kaiserkronen und Wildtulpen der asiatischen Steppe blühen, überzieht der Sibirische Lerchensporn (Corydalis nobilis) den Boden mit seinen Blütentrauben und bläulich grünem Laub. Wenig später setzen die Pfingstrosen (Paeonia) farbliche Akzente in Weiß, Rosa und Gelb. Im Ablauf der Blühfolge ändert sich das Bild täglich, bis die Zwerg-Herbst-Funkie (Hosta tardiflora) und der Herbst-Eisenhut (Aconitum carmichaelii var. wilsonii) im September/Oktober die Blühsaison im Asienquartier beenden.
Rechts des Hauptweges schließt sich an einige Schmuckbeete eine Fläche mit winterharten Pflanzen der Südhalbkugel (4) an. Meist handelt es sich um flachwüchsige Polster und Bodendecker aus gemäßigten Breiten Südamerikas oder Neuseelands. Zu den größeren Pflanzen zählen die Südbuche Nothofagus antarctica und die Gunnera-Staude mit ihren riesigen, an Rhabarber erinnernden Blättern.
Die im Winter teilweise überdachte Freianlage mit Wüsten- und Kanarenpflanzen (6) und das Wüstenpflanzenhaus (5) beherbergen Pflanzen aus den Trockengebieten der Erde. Dickfleischiges Wasserspeichergewebe ermöglicht ihnen das Überleben unter extremen Bedingungen: Manche Arten können jahrelange Trockenzeiten überstehen. Kakteen und Agaven sind die Charakterpflanzen der amerikanischen Wüsten, sukkulente Euphorbien und Aloen bestimmen das Bild in Afrika und Madagaskar, Aeonium und einige andere Vertreter kommen von den Kanarischen Inseln. In einer Vitrine im Vorraum des Wüstenpflanzenhauses (5) sind blühende Orchideen und eine Auswahl an fleischfressenden Pflanzen ausgestellt.
Im Regenwaldhaus II (8) gedeihen im Sommer Pflanzen aus dem tropischen Amerika, darunter als bekannte Nutzpflanzen der Kakaobaum (Theobroma cacao) und die Ananas (Ananas comosus). Hoch über dem Erdboden sieht man auf knorrigen Ästen die ähnlich wie Zisternen Wasser speichenden Blattrosetten epiphytischer Bromelien. In langen Bärten hängt das Louisiana-Moos (Tillandsia usneoides) von oben herab: ebenfalls eine Bromelie. Winzige silbrige Saugschuppen auf Blättern und Stängeln versorgen die Pflanze, die keine Wurzeln besitzt, mit Wasser. Im hinteren Teil des Hauses blüht von Januar bis März die aus Brasilien stammende Heliconia angusta.
Die Victoria-Seerose bezieht ab Mitte Mai das zentrale Wasserbecken. Im Frühling ausgesät, wächst sie rasch heran. Ihre am Rand aufgewölbten Schwimmblätter können im Spätsommer bis zu 2 m Durchmesser erreichen und das Gewicht eines Menschen tragen. Ihre Blüten öffnen sich nachts. In der kalten Jahreszeit überwintern im abgelassenen Seerosenbecken die Kübelpflanzen: Gehölze aus subtropischen und mediterranen Regionen.
Die Tertiär-Anlage (9) vermittelt auf kleinstem Raum einen Eindruck vom Erscheinungsbild eines mitteleuropäischen Braunkohlenwaldes. Die gezeigten Arten sind mit Pflanzen nächstverwandt, die vor etwa 65 Milionen Jahren bei uns vorkamen. Einige zählen bis heute zur heimischen Flora, wie die in Deutschland inzwischen stark bedrohte Wassernuss (Trapa natans). Andere, wie Magnolien, die Sumpfzypresse (Taxodium distichum), der Tupelobaum (Nyssa sylvatica) und die Rundflügelnuss (Cyclocarya paliurus), starben infolge von Klimaänderungen während der Eiszeit in Mitteleuropa aus, haben aber in Amerika oder Ostasien überlebt.
Das Regenwaldhaus I (7) ist den Kontinenten Afrika und Asien gewidmet. Kaffeestrauch (Coffea arabica), Zuckerrohr (Saccharum officinarum), Bananenstaude (Musa acuminata), Pfeffer (Piper nigrum), Zimt (Cinnamomum verum) und Baumwolle (Gossypium arboreum), aber auch das aus Afrika stammende Usambaraveilchen (Saintpaulia) erwarten den Besucher. Darüberhinaus bleibt viel Unbekanntes zu entdecken: ausladende Geweihfarne (Platycerium) in den Baumkronen, eine mächtige Schraubenpalme (Pandanus utilis) oder der heilige indische Pepulbaum (Ficus religiosa). Aquarien im rechten Flügel des Hauses zeigen tropische Unterwasserpflanzen.
Ab Mitte Mai beziehen die Kübelpflanzen (10) ihr Sommerquartier vor dem Großen Tropenhaus. Der Aufstellungsort richtet sich nach dem Herkunftsgebiet. Aus dem Mittelmeerraum stammen z. B. Lorbeer (Laurus nobilis), Myrte (Myrtus communis), Granatapfel (Punica granatum) und Kork- Eiche (Quercus suber). Ähnlichen Wachstumsansprüche haben Arten aus weiter entfernten Regionen der Erde, wie die Nationalblume Chiles (Lapageria rosea), die südafrikanische Bleiwurz (Plumbago auriculata), asiatische Zitruspflanzen und australische Eucalyptus-Arten.
Zu den bemerkenswerten Bäumen im Gartenbereich der nordamerikanischen Freilandpflanzen (11) gehört die Weidenblättrige Eiche (Quercus phellos): ihr Laub erinnert überhaupt nicht an ein Eichenblatt, erst der Blick auf die Frucht läßt die Verwandtschaft erkennen. Während der Blütezeit im Mai/Juni stellt der Blumen-Hartriegel (Cornus florida) einen weiß strahlenden Anziehungspunkt dar. Weniger spektakulär, aber im Detail nicht weniger schön sind die Blüten des Federbuschstrauchs (Fothergilla major). Seine Blätter färben sich im Herbst feuerrot. Himmelsleiter (Polemonium), Götterblume (Dodecatheon), Bartfaden (Penstemon) und andere Stauden wachsen auf den Hügeln zwischen den Gehölzen.
Schwerpunkt im Freilandquartier Südeuropa und Mittelmeergebiet (12) sind winterharte Arten aus dem Mittelmeerraum. Hier erscheinen bereits im zeitigen Frühjahr die Blüten der Christrosen (Helleborus) und Wild-Krokusse (Crocus). Sie werden abgelöst von Narzissen (Narcissus), Tulpen (Tulipa) und zahlreichen anderen Frühlingsblühern, darunter die sagenumwobene Alraune (Mandragora officinarum). Später im Jahr locken die Stauden und Sträucher der Macchie bestäubende Insekten an: Lippenblütler wie Salbei (Salvia), Thymian (Thymus), Brandkraut (Phlomis) und Lavendel (Lavandula), aber auch Pflanzen aus anderen Familien. Der im Frühsommer rosa blühende Diptam (Dictamnus albus) kann bei Berührung schmerzhafte Hautentzündungen hervorrufen. Gegen Ende der Vegetationszeit, im September, zeigen sich die Blüten der Herbstzeitlose (Colchicum).
Im Alpinum (14) gedeiht eine Auswahl europäischer Hochgebirgspflanzen, darunter Enziane (Gentiana), Steinbrech-Arten (Saxifraga), zahlreiche Kreuzblütler, Nelkengewächse und Primeln. Nicht alle Arten stammen aus den Alpen: jedes Bergmassiv zwischen den Pyrenäen und dem Kaukasus weist seine eigene Flora auf. Polsterpflanzen, die den Winter im Schutz der Schneedecke überdauern, prägen das Bild. Alpenrosen (Rhododendron ferrugineum und R. hirsutum), Zirbel-Kiefer (Pinus cembra) und Serbische Fichte (Picea omorika) sind als Gehölze eingestreut. In kleinen Mooren wachsen u.a. Wollgras (Eriophorum), Fettkraut (Pinguicula) und Sonnentau (Drosera).
Neben Gewächsen aus fremden Regionen sind im Garten auch Wildpflanzen aus Sachsen und Thüringen (15) anzutreffen. Auf kleinstem Raum findet man Waldvegetation, Arten der Gewässer- und Röhrichtzone, Pflanzen aus offenen, steinigen oder sandigen Lebensräumen, Wiesenblumen. Wer beim Sonntagsspaziergang im Grünen auf ausgefallene Arten stößt, kann hier auf Namenssuche gehen; doch Vorsicht: einheimische Pflanzen können auch an anderer Stelle im Garten stehen (z. B. in der Anlage für Sumpf- und Wasserpflanzen, 18), und dennoch werden nicht alle unsere Wildblumen durch den Bestand erfasst.
Die Systematische Abteilung (16) stellt Beispiele für Pflanzenfamilien vor. Nah verwandte Arten weisen oft typische Gemeinsamkeiten auf: Der Frühlingsstern (Ipheion uniflorum) zählt zu den Lauchgewächsen, wie man am Geruch der Blätter sofort erkennt. Korbblütler und Orchideen sind mit weltweit jeweils etwa 25.000 Vertretern die artenreichsten Familien, wirtschaftlich die größte Bedeutung besitzen die Süßgräser. Der wissenschaftliche Familienname endet mit den Buchstaben "-aceae". Er leitet sich stets von einem Gattungsnamen aus der jeweiligen Familie ab (z.B. "Ranunculaceae" nach der Gattung Ranunculus, dem Hahnenfuß). Der deutsche Name kann Hinweise auf Erkennungsmerkmale geben (z.B. "Doldenblütler", "Dickblattgewächse").
Eine Besonderheit des Dresdner Botanischen Gartens ist eine umfangreiche Sammlung einjährig gezogener Pflanzen (17). Sie umfaßt etwa 800 Arten. Im Frühjahr gesät, entwickeln sie sich rasch und blühen im Frühsommer bis Herbst. Unmittelbar nach der Blüte reifen die Samen und liefern damit die Grundlage für die Anzucht des folgenden Jahres. Die Bepflanzung folgt auch hier systematischen Kriterien: Verwandte Gruppen stehen in Nachbarschaft zueinander. Manche der hier gezeigten Arten haben als dekorative Sommerblumen Einzug in unsere Gärten gefunden und liefern willkommene Nahrung für die heimische Insektenwelt.
Pflanzen sind in vielfältiger Weise an spezielle Bedingungen ihres Lebensraumes angepaßt. Einige Beispiele werden im in der Abteilung Pflanzliche Anpassungen (18) vor ökologischem Hintergrund erläutert und an Beispielen dargestellt. Verkleinerte oder vollständig reduzierte Blätter setzen die Verdunstung stark herab, was für ein Überleben in Trockengebieten wichtig werden kann. Dichte Behaarung schützt im Hochgebirge vor zu starker Lichteinstrahlung. Verschiedene Blütenformen und -farben locken unterschiedlichste Bestäuber an. Stacheln und Dornen bilden Fraßschutz gegenüber Säugern.
Morphologische Anpassungen sind meist mit bloßem Auge erkennbar. Chemische Merkmale, z.B. pflanzliche Inhaltsstoffe, lassen sich eher mit Hilfe des Geruchs- oder Geschmackssinnes erschließen. Eine Auswahl solcher Pflanzen ist in der Nutzpflanzenabteilung (19) zu finden: Zwiebel (Allium cepa), Knoblauch (Allium sativum), Senf (Brassica nigra), Meerrettich (Armoracia rusticana), Thymian (Thymus vulgaris), Salbei (Salvia officinalis), Basilikum (Ocimum basilicum) , Liebstöckel (Levisticum officinale) und Fenchel (Foeniculum vulgare), aber auch Giftpflanzen wie Fingerhut (Digitalis purpurea), Tollkirsche (Atropa belladonna), Germer (Veratrum album) oder Schierling (Conium maculatum).